Scheinbar wollen alle ein “soziales” Europa. Doch zwischen “sozial” und “sozial” scheinen Welten zu liegen.
Vor dem Europaparlament hat auch Tony Blair sich zum sozialen Europa bekannt. Damit meinte er das britische Sozialmodell.
• Ein Modell, das wohl die Arbeitslosigkeit gesenkt hat, jedoch eine große Anzahl von “working poor” kennt, die wenig verdienen und in prekären Arbeitsverhältnissen leben.
• Ein Modell, das aber den Sozialdialog nicht will, vor allem nicht mit den Gewerkschaften!
• Ein Modell, das den freien Markt als Ziel anstrebt und Regeln verabscheut!
• Ein Modell, in dem es zur Regel gehört, durchschnittlich mehr als 48 Stunden die Woche zu arbeiten!
Nein, dieses Sozialmodell ist nicht unser Modell. Sowenig jedoch auch wie jenes Sozialmodell französischer Linksideologen à la Henri Emmanuelli, die eine Neuverhandlung des Verfassungsvertrages verlangen, um ein einheitliches europäisches Sozialsystem zu erreichen. Ein System, das die bei Sozialversicherungsfragen vorgesehene Einstimmigkeit durch ein Mehrheitsverfahren ablösen soll. Dieses Modell, das unsere Altersversorgung europäisch gleichschalten würde! Das wollen wir nicht. Wir wollen Herr bleiben über unser Sozialsystem.
Das soziale Europa, das wir wollen, ist ein Europa
• das dem freien Markt Mindestregeln auferlegt, um den Arbeitnehmer zu schützen und der ungehemmten wirtschaftlichen Globalisierung eine soziale Dimension verleiht.
• das, abgesehen von diesen Mindestnormen, jedoch jedem Mitgliedstaat ebenfalls weiterhin ermöglicht, seinen eignen sozialen Weg zu gehen.
• das auf Sozialdialog zwischen den Sozialpartnern setzt.
Dieses Sozialmodell kennen wir heute. Ein Modell, das wir weiter ausbauen wollen im Sinne einer noch gerechteren Sozialpolitik. Vor allem der Verfassungsvertrag wird dieses Modell stärken, nicht schwächen, wie die Nein-Sager behaupten.
Hat unser Sozialmodell unter diesem sozialen Europa gelitten? Nein, das Gegenteil ist der Fall!
Nun ist nicht alles sozialpolitisch in Butter, weder in Europa noch in Luxemburg. Und die weltweite Globalisierung ruft Ängste und Befürchtungen hervor. Deshalb brauchen wir mehr soziales Europa. Und dieses Mehr, ein kleines Mehr, jedoch ein Mehr, steht im Verfassungsvertrag:
• Die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielende soziale Marktwirtschaft wird als europäische Marktordnung niedergeschrieben.
• Das Prinzip der Solidarität wird im Vertragswerk verankert.
• Eine “horizontale” Sozialklausel verpflichtet die Union, in allen Politikbereichen der sozialen Dimension Rechnung zu tragen; bei Zuwiderhandlung kann diese Klausel – z.B. von einem Mitgliedsstaat wie Luxemburg, eingeklagt werden.
• Der Sozialdialog wird durch die Festschreibung eines obligatorischen jährlichen Sozialgipfels für Wachstum und Beschäftigung mit den europäischen Sozialpartnern wesentlich verstärkt.
Ein Text ist nicht alles. Es gilt, ihn mit Leben zu erfüllen. Das ist in Europa nicht anders als in Luxemburg. Das ist Aufgabe der Politiker, im EU-Ministerrat, im Europaparlament und in der Abgeordnetenkammer.
Wenn wir das Pendel stärker in Richtung soziales Europa schlagen sehen wollen, brauchen wir stets sozialpolitische Stimmen in Europa. Nach dem “NON” in Frankreich ist dieses immer stark sozialpolitisch orientierte Land in Europa geschwächt und die liberale Position Englands gestärkt. Viele europäische Sozialpolitiker sehen nun mehr auf Luxemburg. Denn seine Arbeits- und vor allem Premierminister haben immer wieder die Rolle des sozialpolitischen Sprachrohres gespielt. Stärken wir diese Stimme!
Wenn wir am 10. Juli JA sagen, dann sagen wir NEIN zum liberalen Europa des Herrn Blair.
Wenn wir JA sagen, stärken wir ein soziales Europa, das auf Solidarität und Subsidiarität setzt!