Jeder trägt seine ganz persönliche Verantwortung

Georges Bach: “Am 10. Juli findet hierzulande das Referendum zur Ratifizierung des europäischen Verfassungsvertrags statt. Bei dieser Gelegenheit blickt nicht nur ganz Europa, sondern große Teile der Weltöffentlichkeit nach Luxemburg…”
Kopie_vonBach_Georges_Cents_1.jpgEs bleibt also dabei. Am 10. Juli findet hierzulande das Referendum zur Ratifizierung des europäischen Verfassungsvertrags statt. Bei dieser Gelegenheit blickt nicht nur ganz Europa, sondern große Teile der Weltöffentlichkeit nach Luxemburg. Seit über sechzig Jahren übrigens das erste Mal, dass jeder einzelne seine Meinung zu einem konkreten Thema kundtun kann. Nicht zu einem Wahlprogramm, nicht zu einzelnen Personen wo man glaubt seine Interessen seien bestens aufgehoben, sondern klar und deutlich zu einem Verfassungstext der die zukünftige Marschroute Europas festlegt.

Der SYPROLUX- Zentralvorstand hatte sich bekanntlich im Mai nach eingehender Analyse deutlich für den vorgeschlagenen Verfassungstext ausgesprochen. Diese Zusage wurde nicht leichtfertig genommen. Weder Partei- noch Partikularinteressen spielten dabei eine Rolle, sondern Herz, Verstand und Kompromissbereitschaft und die Sorge um soziale Verbesserungen in Europa.

Seit langem verfolgten wir die Arbeiten des Konvent. Seit November vergangenen Jahres befassten sich anschließend mehrere SYPROLUX- Verantwortliche mit diesem, zugegeben, recht schwierigen Text und nahmen an unzähligen Aufklärungsversammlungen und Rundtischgesprächen teil. Zweimal wurden, im Rahmen der SYPROLUX- Weiterbildung, spezielle Formationstagungen mit neutralen Rechtsgelehrten organisiert. Ruhigen Gewissens können wir also ein Urteil abgeben und lassen uns nicht, wie von verschiedener Seite versucht wird, die notwendige Sachkenntnis absprechen.

Somit konnten wir, noch ehe die Diskussion in der breiten Öffentlichkeit geführt wurde, anlässlich der Kampagne unserer 8 Generalversammlungen im Frühjahr dieses Jahres annähernd 500 Mitgliedern den Verfassungsvertrag näher bringen und vor allem in einer Gegenüberstellung Bestehendes und Neues hervorstreichen.

Sicherlich gab und gibt es weiterhin, innerhalb unserer Organisation kritische Anmerkungen, bis hin zur totalen Ablehnung. In der Resolution, in welcher sich der SYPROLUX – Zentralvorstand für ein “Ja ” ausgesprochen hat, wurde ausschließlich festgehalten, dass wir auch die Meinung dieser Mitglieder respektieren. Teilen können wir sie allerdings nicht. Zu stark überwiegen in unseren Augen die positiven Aspekte.

Z.B. Frieden erhalten. Man braucht nicht auf den zweiten Weltkrieg zurück zu gehen, das Massaker auf dem Balkan Mitte der 90- ziger Jahre müsste auch den jüngeren Generationen noch in bester Erinnerung sein.

Wohlstand für alle. Mit Recht können wir stolz sein auf die vergangenen 50 Jahre. In einer globalisierten Welt muss sich Europa jedoch weiterentwickeln können. Lasst uns diesem Europa die Regeln geben die es dazu braucht und lasst uns dafür sorgen, dass auch die neuen Mitgliedsländer zu Wohlstand kommen, denn nur eine geschichtliche Fehlentwicklung hat sie bislang davon abgehalten.

Das strikte Einhalten der Charta der Grundrechte der Union. Die Ablehnung jeglicher Form von Diskriminierung wie Rasse und Religion. Das Eintreten für die Gleichstellung von Mann und Frau, für die Rechte der Kinder usw. usf.

Mehr Demokratie und Transparenz. Nicht nur das Europaparlament bekommt mehr Kompetenzen, sondern vor allem die nationalen Parlamente werden frühzeitig eingebunden und erhalten verstärkt Mitbestimmungsrechte. Auch kann in Zukunft der einzelne Bürger vor dem Europäischen Gerichtshof sein persönliches Recht einklagen. Außerdem kann mit Hilfe einer Million Unterschriften die EU-Kommission aufgefordert werden eine Initiative zu ergreifen. Des Weiteren werden die Sitzungen des Ministerrates in Zukunft öffentlich sein.

Die Soziale Marktwirtschaft wird festgeschrieben, expressis verbis wird der Sozialdialog erwähnt und fest verankert. Wer zweifelt noch an diesem Weg, durch welchen die Wirtschaftspolitik für die Arbeitnehmer erst verträglich wird? Im Ernst wird doch wohl niemand der kommunistischen Planwirtschaft nachtrauern oder sich für den bedingungslosen Neoliberalismus einsetzen.

Die Wahrung der Hoheitsrechte in der Steuer- und Sozialpolitik. Diese bleiben auch weiterhin in den Händen der einzelnen Staaten.

Das Subsidiaritätsprinzip, nach welchem Europa nur Kompetenzen erhält in Politikbereichen wo ein Mehrwert entsteht zur einzelnen nationalstaatlichen Politik.

Dieser Verfassungsentwurf definiert einen Rechtsrahmen für öffentliche Dienstleistungen ( art III – 122). Dabei muss sich der europäische, aber auch die nationalen Gesetzgeber an die Prinzipien der sozialen und territorialen Kohäsion halten.

Alle diese Punkte (und noch viele mehr) bewegen uns zur Annahme des EU-Verfassungsvertrages. Dabei sind wir in guter Gesellschaft. Alle großen Parteien und Gewerkschaften welche die Interessen der Arbeitnehmer vertreten, stimmten dem Entwurf zu. Auch die Berufskammern der Arbeitnehmer, die Privatbeamten- und die Arbeiterkammer sprachen sich für den Verfassungsvertrag aus. Können sie alle sich so gewaltig irren?

Schlussfolgernd wollen wir festhalten, dass ein Luxemburger “Nein” zum EU-Verfassungsvertrag Europa nicht vorwärts bringt und lediglich Wasser auf die Mühlen derer leitet, die in Europa einzig und allein eine Freihandelszone nach angelsächsischem Muster wollen. Dies wird damit ein Europa der liberalen Wirtschaft und des Kapitals, wo jeder bei politischen Entscheidungen nach Gutdünken sein Veto einlegen oder sich seine “Opt-out-Klausel” aussuchen kann, wie kürzlich Großbritannien bei der Arbeitszeit-Direktive. Wir dagegen wollen ein politisch geeintes Europa, ein soziales Europa, ein nachhaltiges Europa, ein Europa der Bürger. Die Verfassung gibt uns hierzu die Möglichkeit, lasst uns sie annehmen am 10. Juli, im Interesse Luxemburgs und im Interesse Europas.

Leitartikel Transport N° 13