Luc Frieden über die Einführung der Quellensteuer am 1. Juli
Andreas Holpert: Ist der 1. Juli 2005 ein historischer Tag für den Luxemburger Finanzplatz?
Ich glaube nicht, dass es ein historischer Tag ist. Aber es ist ein Tag, an dem ein schwieriges Dossier seinen endgültigen Abschluss findet. Wir haben jetzt ein europäisch abgesichertes Bankgeheimnis und Rechtssicherheit. Zudem haben wir die Konkurrenzfähigkeit des Platzes gewahrt. Jetzt können wir uns anderen Themen widmen, um den Finanzplatz weiter auszubauen. Es gibt bereits einige Maßnahmen, die in die Wege geleitet wurden und werden. Ich erinnere an die gestern verabschiedeten drei Gesetzesprojekte.
Andreas Holpert: Es gibt bereits wieder Stimmen, die das Bankgeheimnis angreifen. Wie sicher ist es denn wirklich? Gibt es bereits weitere Steuerinitiativen auf EU-Ebene?
Die Richtlinie, die morgen in Kraft tritt, ist eine von 25 Staaten einstimmig angenommene Direktive und kann auch nur einstimmig abgeändert werden. Ich sehe dafür in nächster Zukunft aber keinen Bedarf. Deshalb ist das für das Privatkundengeschäft wichtige Instrument als Schutz der Privatsphäre abgesichert und wird nicht mehr diskutiert. Kurzfristig stehen zudem auch keine großen den Finanzplatz betreffenden Steuer-Dossiers in der EU an.
Andreas Holpert: Was konkret kann sich der Luxemburger Staat von der Zinssteuer erwarten und wie weit ist die Steuerverwaltung vorbereitet?
Sowohl die Behörden als auch die Banken sind in der Lage, die Quellensteuerregelung abzuwickeln. Wieviel an zusätzlichen Einnahmen entstehen, ist unmöglich zu beziffern. Das hängt auch von den Produkten ab, in die investiert wird. Eine erste Schätzung dürfte erst in einem Jahr möglich sein. Ich erwarte keine hohen Einnahmen.
Quelle: d’Wort, 30 Juni 2005