Drei Fragen an Jacques Santer

Als Gesandter der Regierung im Verfassungskonvent hat der ehemalige Staatsminister bei der Ausarbeitung eines Verfassungsentwurfs mitgewirkt und hat dabei die Luxemburger Werte im Konvent verteidigt

D’Wort: Was waren aus Sicht Luxemburgs die wichtigsten Punkte für eine Europäische Verfassung?

Jacques Santer: Erstens war es für Luxemburg entscheidend, eine Reform der Institution herbeizuführen. Denn eine Union mit mehr als 25 EU-Mitgliedern bleibt mit dem Nice-Vertrag nicht mehr handlungsfähig, insbesondere mit Institutionen, die ursprünglich für eine Sechser-Gemeinschaft gedacht waren. Zweitens war es wichtig, das europäische Gesellschaftsmodell, das auf den Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft beruht, zu erhalten. Drittens Europa eine Identität zu verleihen und in der Weltgemeinschaft nicht nur ein “global payer” sondern auch ein “global player” zu sein.

D’Wort: Wo lagen die Knackpunkte bei der Erarbeitung einer Verfassung?

Jacques Santer: Knackpunkte waren da zu finden, wo man das Funktionieren der Gemeinschaften in Frage stellte, das heißt insbesondere beim Kräfteverhältnis zwischen großen und kleinen Staaten, was sich in der Problematik der Mehrheitsverhältnisse wiederspiegelt und wo wir eine gute Lösung finden konnten.

D’Wort: Was bringt die Europäische Verfassung für Luxemburg?

Jacques Santer: Luxemburg als eines der kleinsten Länder der Union hat sich wirtschaftlich und politisch immer emanzipieren können und kann dies auch noch in Zukunft mit dieser Verfassung. Luxemburg hätte international nie diese Rolle gespielt, gebe es nicht die Union. Die Geschichte Luxemburgs ist eng mit der europäischen verflochten, die wir als Luxemburg entscheidend mitgeprägt haben. Die erweiterte Marktsituation, die sich durch die Union ergeben hat, bot und bietet Luxemburg weiterhin große Entfaltungsmöglichkeiten. Die Verfassung regelt die Zukunft eines besser funktionierenden Europas.

Quelle: d’Wort vom 30. Mai 2005