“Hat Europa einen Plan B falls das Verfassungsreferendum in Frankreich scheitert?”
Scheitert das Verfassungsreferendum in Frankreich, kommt es nicht zu einer Verfassung für Europa, dann muss notgedrungen die Europäische Union auf Basis des Vertrags von Nizza weitermachen. Doch eines steht fest: Dieser taugt nicht für eine EU von 25 Staaten. Die Frage “Hat Europa einen Plan B?” wird daher immer wieder gestellt!
Im Dezember 2000 hatten sich bekanntlich die Staats- und Regierungschef der damals nur 15 EU-Länder auf ein Regelwerk geeinigt, das als völlig unzureichend gilt – insbesondere betreffend die Funktionsfähigkeit einer auf 25 und bald mehr Mitglieder erweiterten Union.
Keine Aufwertung der Nationalen Parlamente
Die Konsequenzen, wenn der Nizza-Vertrag weiterhin Gültigkeit haben sollte: kein EU-Außenminister, kein eigener Ratspräsident, nicht die erwünschte und notwendige Stärkung von Transparenz, Demokratie und besonders Bürgernähe, nicht die geplante weitere und überaus wichtige Aufwertung der Nationalen Parlamente und des Europäischen Parlaments – und vor allem kein verbesserter Abstimmungsmodus, der auch die Bevölkerungsgröße eines Landes stärker berücksichtigt, so Parteipräsident François Biltgen anlässlich der CSV Pressekonferenz, die kürzlich stattfand.
Von Schockstarre, einer lang anhaltenden Lähmung, ja von einer Katastrophe für die Europäische Union ist demnach in vielen Kommentaren daher die Rede: Je näher das Verfassungsreferendum in Frankreich rückt, umso konkreter wird das Angstszenario. Und das zu Recht, wenn die Meinungsumfragen auf den Punkt genau stimmen. Sagen die Franzosen nein zum “Vertrag über eine Verfassung für Europa”, dann sei das Regelwerk tot, so heißt es – zumindest juristisch. Der Vertrag kann nur in Kraft treten, wenn alle 25 EU-Mitgliedsstaaten den Vertrag auch ratifiziert haben. Dies hat auch politisch Konsequenzen. Nachverhandlungen werden mit Nachdruck kategorisch ausschließt.
Ratifizierungsprozedur geht weiter
“Ein Nein am Sonntag bedeutet, dass Frankreich den Vertrag nicht ratifiziert. Demnach kann die Verfassung nicht in Kraft treten. Folglich müsste Europa auf der bisherigen Basis weitermachen, also dem Vertrag von Nizza”, so zahlreiche Europarechtsexperten.
Doch auch bei einem Nein aus Frankreich geht der Ratifizierungsprozess in Europa weiter. Volksabstimmungen sind anschließend in den Niederlanden (1.Juni), Luxemburg (10.Juli), Dänemark (27.September), Portugal (voraussichtlich im Oktober), Großbritannien (Frühjahr 2006), Irland (noch kein Termin) und voraussichtlich Polen vorgesehen. In Lettland, Zypern, Malta, Schweden, Estland und Finnland entscheiden die Parlamente. Es sind jedoch Ratifizierungen mit einem starken Touch mit nur noch formalem Charakter. Gemäß einem Zusatzprotokoll zur Verfassung sollten sich die Staats- und Regierungschefs allerdings erneut mit der Verfassung beschäftigen, wenn mindestens 20 Länder den Vertrag ratifiziert haben.
Frankreich und Europa brauchen einander
Doch angesichts der Bedeutung der “Grande Nation” für Europa gilt dieses Szenario besonders unter Spezialisten und Europakennern als kaum realistisch. “Genau wie Europa ohne Frankreich nichts ist, ist auch Frankreich ohne Europa nichts”, kommentierte diesbezüglich Premier Jean Claude Juncker den Stellenwert des französischen Referendums. “Durch ein Nein Frankreichs würde Europa um 20 Jahre zurückgeworfen” warnt mit Nachdruck der aktuelle Ratsvorsitzendes der EU.
Zur Klarstellung: Es gibt keinen Plan B
“Einen Plan B, also ein mögliches Szenario für den Fall, dass der Verfassungsvertrag nicht wie geplant am 1. November 2006 in Kraft treten kann, gibt es in Brüssel nicht”, so der CSV Europaexperte Paul-Henri Meyers. Man solle in diesem Zusammenhang auch keine weiteren Spekulationen anführen.
Europa-Verantwortung im zweiten Anlauf?
Ratspräsident Juncker hat vorsorglich bereits eine Wiederholung des Referendums in Frankreich angedeutet: “Dann müssen wir uns überlegen, ob wir die Franzosen ein zweites Mal abstimmen lassen.” Vielleicht auch in der Hoffnung, dass die Wähler – wie Meinungsumfragen vermuten lassen – beim ersten Mal der französischen Innenpolitik einen Denkzettel verpassen und im zweiten Anlauf dann aus der europäischen Verantwortung heraus doch noch ja sagen zum Verfassungsvertrag!!
Mal abwarten. Was am Sonntag und danach passiert!