In der Politik geht nichts von selbst

Ein Gespräch mit der Ministerin für Chancengleichheit Marie-Josée Jacobs

Seit zehn Jahren steht Marie-Josée Jacobs an der Spitze des Frauenministeriums, das man heute Ministerium für Chancengleichheit nennt. Vor zehn Jahren fand in Peking die Weltfrauenkonferenz statt. Trotz Fortschritten bei der Förderung von Frauen, bleibt noch viel zu tun. Am internationalen Tag der Frauen, eine Bilanz mit der CSV-Ministerin.

LW: Seit zehn Jahren bemühen Sie sich um die Förderung von Frauen. Die Schaffung dieses Ressorts stieß damals nicht nur auf Begeisterung. Sind sie mit dem Erreichten zufrieden?

Marie-Josée Jacobs: Ja, das war schon eine Überraschung. Besonders in den Reihen meiner eigenen Partei, war Überzeugungsarbeit zu leisten. Nicht alle haben die Bemühungen verstanden und ich habe bei Wahlen etwas gelitten. Aber es hat sich gelohnt. Wir haben viel erreicht.

Nehmen Sie nur die Betreuungseinrichtungen für Kinder in den Gemeinden. Wir haben das Angebot stark erweitert, neue Infrastrukturen geschaffen. Das ermöglicht natürlich jungen Eltern, sich zu organisieren, Beruf und Familie besser unter einen Hut zu bekommen, ohne sich dauernd Sorgen machen zu müssen.

LW: Worin sehen Sie denn ihren größten Erfolg?

Marie-Josée Jacobs: Das ist immer schwer zu sagen. Im Wegweisungsgesetz sehe ich aber eine bahnbrechende Neuerung. Die hat auch was mit der Anerkennung von Menschenrechten zu tun. Gewalt in der Familie muss von der Gesellschaft geächtet werden. Nicht zuletzt im Interesse der Kinder. Im Jahr 2004 wurden 154 Personen aus ihrer Wohnung weggewiesen, zwei davon waren Frauen.

Wir stellen nach zehn Jahren natürlich auch eine Änderung in der Arbeitswelt fest. Am Anfang ernteten wir mit unseren Ideen in diesem Bereich ja bloß ein müdes Lächeln. Heute sind die zehn größten Unternehmen bereit mit uns zusammenzuarbeiten. Wir machen ihnen Vorschläge, was zum Beispiel getan werden muss, um die Lohnunterschiede zu beseitigen. Die Unternehmensführer wissen ja oft selbst nicht was sie machen könnten oder was vergleichbare Arbeit ist. Ich freue mich besonders, dass Arbeitgeber und Gewerkschaften so gut kooperieren.

LW: Wo liegen denn die Probleme?

Marie-Josée Jacobs: Wir haben immer noch eine klassische Rollenverteilung. In den Köpfen besteht weiter die Vorstellung vom typischen Männer- und typischen Frauenberufen. Wir haben immer weniger Männer, die sich für Erziehungsberufe entscheiden. Nun ist es aber nicht sinnvoll die Ausbildung und Erziehung der Kinder ausschließlich Frauen anzuvertrauen.

LW: Ist es denn überhaupt sinnvoll, die Eltern immer stärker aus der Erziehung ihrer Kinder auszuklinken?

Marie-Josée Jacobs: Um Gottes Willen. Nein. Natürlich nicht. Wir wollen doch das Gegenteil erreichen. Die Väter sollen sich mehr in die Erziehung einbringen können. Der Erziehungsurlaub verfolgt ja genau diesen Zweck. Fünf Prozent der Väter haben von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Und die kamen nicht alleine aus dem öffentlichen Sektor.

Wir brauchen selbstverständlich flexiblere Arbeitszeiten und mehr Teilzeitarbeit damit Eltern sich um ihre Kinder kümmern können.

Tagesstätten können Eltern nicht ersetzen. Was zählt ist die Qualität der gemeinsam verbrachten Zeit. Nach einem anstrengenden Arbeits- und Schultag ist die Erledigung von Hausaufgaben nicht unbedingt der günstigste Zeitvertreib.

Bei Kindern mit Problemen gibt es Angebote, um ihren Eltern zu helfen. Die Elternschule beispielsweise. Bei der Früherkennung von Problemen von Kindern bleibt noch viel zu tun.

LW: Ist das Splitting von Rentenansprüchen noch ein Thema?

Marie-Josée Jacobs: Die soziale Absicherung von Frauen bleibt ein Thema. Wir haben viel unternommen, um die Rentenansprüche der Frauen zu verbessern: Babyjahre, Erziehungsjahre, Rückkauf. Durch die Erziehungspauschale haben wir die Leistung von Müttern anerkannt, die nicht in den Genuss der anderen Sozialleistungen kommen konnten.

Das Splitting ist eine komplizierte Sache mit vielen Facetten. Für ältere Frauen, ohne eigene Rentenansprüche kann es im Scheidungsfall natürlich zur Katastrophe kommen. Wir müssen uns grundlegende Gedanken machen, was sinnvoller Weise noch getan werden kann und muss.

LW: Sie waren letzte Woche noch in New York bei einer UN-Konferenz, um zehn Jahre nach der Weltfrauenkonferenz in Peking Bilanz zu ziehen. Was war Ihr Eindruck? Wurden Fortschritte erzielt?

Marie-Josée Jacobs: Die Vorbereitung dieser Konferenz war harte Arbeit. Wir haben als Présidence die Europäische Union vertreten.

Die Vorstellungen der einzelnen Länder liegen teilweise sehr stark auseinander. Die Vereinigten Staaten haben den Versuch gestartet in manchen Punkten, insbesondere was die Sexualrechte von Frauen anbelangt, eine konservativere Politik durchzusetzen. Ich war aber über die Solidarität zwischen den Nationen beeindruckt, einen Rückschritt zu verhindern. Was uns schließlich, nach langen Verhandlungen gelungen ist.

Natürlich hat sich international manches für Frauen verbessert seit Peking. Die Bilanz ist jedoch gemischt. Ein wichtiger Punkt ist, dass die Kooperationshilfe stärker an Frauenförderung gekoppelt wird.

LW: Ihre Bemühungen werden als schwarzer Feminismus betitelt. Manchen sind Sie nicht energisch genug.

Marie-Josée Jacobs: Es geht nichts von selbst. Mir geht es auch nicht immer schnell genug. Das Frauenministerium ist auf Partnerschaften angewiesen. Mit den Arbeitgebern, den Gewerkschaften. Aber ich brauche vor allem Verbündete in der Regierung.

Wir versuchen unser Anliegen in Gesetzentwürfe anderer Ressorts einfließen zu lassen. Das kommt leider nicht immer so zur Geltung.

Ein Mentalitätswechsel macht sich nicht von heute auf morgen. Wir wollen ein allgemeines Gendermainstreaming einführen und die Auswirkung der Gesetze auf Frauen und Männer überprüfen.^

Fragen von Laurent Zeimet

Luxemburger Wort, 8. März 2005