Der frühere Innenminister zum kommunalen Flächennutzungsgesetz und zur neuen Spezialkommission
Der CSV-Fraktionschef scheut keine politische Auseinandersetzung. In seinem letzten Jahr als Innenminister kämpfte er mit dem Integrativen Verkehrs- und Landesentwicklungskonzept für eine Abkehr von der Kirchturmpolitik. Letzte Woche übernahm er den Vorsitz eines neuen Sonderausschusses des Parlaments, der sich in erster Linie mit den Verwaltungsstrukturen des Landes beschäftigen soll.
LW: Sie waren fast zehn Jahre Minister. Nun stehen Sie der stärksten Mehrheitsfraktion im Parlament vor. Haben Sie ihre Mannschaft unter Kontrolle?
MW: Es ist eine sehr interessante Arbeit. Man lernt in dieser Funktion mehr Politikfelder kennen. Als Ressortminister beschränkt man sich doch eher auf die eigenen Bereiche. Man gewinnt an Kenntnissen und das führt zu einer angenehmen Erweiterung des politischen Horizonts. Ich glaube, ich habe mich ganz gut eingelebt. Bei den Kollegen in der Fraktion spüre ich jede Menge Engagement, die wollen wirklich etwas erreichen.
LW: Und wie steht es um das Klima in der neuen Koalition?
MW: Prächtig. Ich kann nur sagen, die Zusammenarbeit mit der sozialistischen Fraktion ist ausgezeichnet. Ich teile mit Ben Fayot die Eigenschaft, dass wir in erster Linie auf den Inhalten arbeiten. Zwischen uns beiden gibt es an sich wenig Meinungsunterschiede, die parteipolitisch ausgelegt werden könnten.
LW: Das Gesetz über die kommunale Flächennutzung entstammt noch Ihrer Feder als Innenminister und wurde zum Ende der letzten Legislaturperiode verabschiedet. Dieses Regelwerk wurde viel kritisiert und Ihr Nachfolger legte nun Nachbesserungen vor. Was lief schief?
MW: Nichts. Das Gesetz über die kommunale Flächennutzung ist ein gutes Gesetz, um das mal klarzustellen. Es ist auch in allen Punkten anwendbar. Diese neuen Bestimmungen sind revolutionär. Sie sind auf die Herausforderungen der Zukunft und nicht auf jene der Vergangenheit ausgerichtet. Die neuen gesetzlichen Bestimmungen geben den Gemeinden mehr Gestaltungsspielraum und spornen diese an, ihre Entwicklung ständig zu überprüfen. Flächennutzung und Stadtentwicklung sollen nicht mehr dem Zufall überlassen, sondern Teil eines politischen Konzepts sein, das von Fachleuten begleitet wird.
LW: Das ist wohl die viel beschworene ?neue Philosophie? des Gesetzes.
MW: Genau. Die Herausforderung bestand darin, die Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung zu schaffen. Die Landesplanung ist auf eine kohärente Gemeindeentwicklung angewiesen. Das Ziel besteht in einem besseren Flächenmanagement und weniger Bodenversiegelung. Um dieses Ziel zu erreichen, brauchen wir die Instrumente allgemeiner Bebauungsplan (PAG) und Teilbebauungsplan (PAP). Wir haben wissentlich festgelegt, dass private Bauträger Eigentümer der Grundstücke sein müssen, die sie bebauen wollen. Es sollte nicht mehr so sein, dass Promotoren über die Entwicklung der Ortschaften entscheiden können, sondern die politisch Verantwortlichen sollten die Gestaltung übernehmen. Es soll dort gebaut werden, wo es im allgemeinen Interesse ist und nicht an einer Stelle, wo eben durch Zufall ein Grundstück frei ist. Das Gesetz entspricht also schon ganz dem Geist der IVL-Studie und ist sozusagen ein erster Mosaikstein bei dessen Umsetzung gewesen. Dazu stehe ich weiterhin.
LW: Aber die neuen Bestimmungen haben trotzdem für Aufregung gesorgt. Es sei nicht durchdacht und durchgepeitscht worden. Die Hauptstadt traute sich nicht mehr, Baugenehmigungen zu erteilen. Manche warnten vor steigenden Baukosten …
MW: Da kann ich zum Teil auch nur staunen. Wenn ich mit ansehe, wie manche Politiker sich ereifern, die immerhin als Abgeordnete bei der Ausarbeitung des Gesetzes beteiligt gewesen sind, kann ich nur laut lachen. Und was heißt hier durchgepeitscht? Der Gesetzentwurf war ganze drei Jahre auf dem Instanzenweg. Das Problem besteht darin, dass das Gesetz in ein Umfeld fällt, das nicht auf diesen Paradigmenwechsel vorbereitet ist. Viele müssen sich an die neue Philosophie erst einmal gewöhnen. Allerdings erkenne ich auch, dass einige private Bauträger mit der neuen Grundausrichtung nicht einverstanden sind.
LW: Das Gesetz hat also keine Fehler?
MW: Es wäre wohl das erste perfekte Werk des Parlaments, wenn dem so wäre. Artikel 27 ist sicherlich eine Schwachstelle, da er etwas unglücklich formuliert wurde. Aber daran scheitert weder das Gesetz als Ganzes noch ist es ein Grund, keine Baugenehmigungen zu erteilen. Durch die neuen Bestimmungen wird ja vieles vereinfacht und Sicherheit für die Bauherren geschaffen, indem wir Fristen festgeschrieben haben, damit Projekte nicht auf ewig vertagt werden können.
LW: Bringen die Änderungsvorschläge denn nun Abhilfe?
MW: Wir haben dafür gesorgt, dass an der Philosophie des Gesetzes nichts geändert wurde. Der rote Faden musste erhalten bleiben. Mit den nun vorgeschlagenen Änderungen kann ich leben. Ob sie allerdings so durchkommen, bleibt abzuwarten. Es resümiert sich eigentlich darauf, dass in Zukunft nicht mehr wie es häufig die Praxis war, der PAP dazu missbraucht wurde, um den PAG außer Kraft zu setzen.
LW: Sie wurden zum Vorsitzenden der neuen Spezialkommission bestimmt, die sich Gedanken machen soll über die Verwaltungsstrukturen und eine territoriale Reorganisation des Landes. Was kann man sich von diesen Arbeiten erwarten?
MW: Es ist ein ambitiöses Unterfangen. Es stellt sich doch die Frage, ob die Verwaltungsstrukturen, die man uns vor 200 Jahren unter Napoleon aufgezwungen hat, noch den Anforderungen unserer Zeit und unseren eigenen Erwartungen entsprechen. Ich habe da so meine Zweifel. Dabei geht es nicht bloß um Gemeindefusionen. Wir wollen einem breiten Fragenkomplex nachgehen. Wie wollen wir unser Land organisieren? Wie soll das Subsidiaritätsprinzip angewendet werden? Wie sind die Kompetenzen zwischen Staat und Kommunen aufzuteilen? In den vergangenen fünf Jahren wurde gute Vorarbeit geleistet, auf die wir aufbauen können.
LW: Kommen Sie Ihrem Nachfolger nicht in die Quere?
MW: Die Kommission ist ja nicht meine Spielwiese. Der Innenminister ist in die Arbeiten eingebunden. Ich weiß sehr wohl aus eigener Erfahrung, dass man bei solchen Abenteuern politische Unterstützung braucht. Ein Minister kann das nicht im Alleingang schaffen.
Fragen von Laurent Zeimet