Nach der Europa-Tournee von US-Außenministerin Condoleezza Rice scheinen sich die transatlantischen Beziehungen wesentlich verbessert zu haben. Im Hinblick auf das Gipfeltreffen mit Präsident George W. Bush am 22. Februar in Brüssel meint der Premierminister, dass beide Seiten die Notwendigkeit eines guten Zusammenarbeitens eingesehen hätten
Nach der Europa-Tournee von US-Außenministerin Condoleezza Rice scheinen sich die transatlantischen Beziehungen wesentlich verbessert zu haben. Im Hinblick auf das Gipfeltreffen mit Präsident George W. Bush am 22. Februar in Brüssel meint der Premierminister, dass beide Seiten die Notwendigkeit eines guten Zusammenarbeitens eingesehen hätten.
LW: Haben Sie nach Ihrer Unterredung mit Frau Rice den Eindruck, dass der von den USA geäußerte Wunsch nach besseren Beziehungen zur EU mehr als ein Lippenbekenntnis ist?
Jean-Claude Juncker: Weder den Europäern noch den Vereinigten Staaten kann daran gelegen sein, den Status quo, wie er sich infolge der Irak-Krise herausgeschält hat, fortzusetzen. Darin sind sich beide Parteien einig. Ich jedenfalls sehe dem anstehenden Gipfeltreffen mit US-Präsident George W. Bush am 22. Februar in Brüssel mit Zuversicht entgegen. Die Atmosphäre ist besser geworden. Die Wolken über dem Atlantik haben sich gelichtet. Beide Seiten sind sich einig, dass die Meinungsverschiedenheiten der Vergangenheit überwunden werden sollten, und sich der Blick resolut in die Zukunft richten soll. An gemeinsamen Aufgaben mangelt es jedenfalls nicht.
LW: Wie sehen die Aufgaben, denen sich die EU und die Vereinigten Staaten gemeinsam stellen müssen, im Einzelnen aus?
Jean-Claude Juncker: Auf außenpolitischer Ebene hat zuletzt der Regimewechsel in der Ukraine bewiesen, wie erfolgreich ein Zusammenwirken von EU und USA sein kann. Jedenfalls hat das gemeinsame Vorgehen dort seine Wirksamkeit nicht verfehlt. Der Schulterschluss zwischen Europäern und Amerikanern muss sich nun auch im Nahen Osten bewähren. Sollten sich in dieser Frage Meinungsverschiedenheiten zwischen der EU und den USA auftun, steigt die Gefahr, dass der Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern scheitert.
Auch in den Beziehungen zwischen der EU und den Vereinigten Staaten gibt es eine gemeinsame Schnittmenge, die beim Besuch des amerikanischen Präsidenten in Brüssel zur Sprache gebracht wird.
LW: Inwiefern können Konfliktherde, wie der Atomstreit mit dem Iran, das Waffenembargo gegen China oder die Beziehungen zu Russland die neue Harmonie wieder trüben?
Jean-Claude Juncker: Im Atomstreit mit dem Iran gibt es keine grundlegenden Meinungsverschiedenheiten. Die EU und die USA wollen beide verhindern, dass der Iran sich zur Atommacht entwickelt. Die EU ist davon überzeugt, dass dies durch diplomatische Mittel erreicht werden kann. Die Verhandlungen, die Großbritannien, Frankreich und Deutschland im Namen der EU führen, werden von den USA unterstützt. Wir müssen ihnen klar machen, dass die militärische Option keine Lösung darstellt.
In Bezug auf das 1989 gegen China verhängte Waffenembargo müssen wir die USA mit der gebotenen Freundlichkeit, aber auch mit Entschiedenheit darauf verweisen, dass das EU-Embargo strengeren Richtlinien folgt als die Beschränkungen, die sich die USA selbst auferlegt haben. Zudem möchte ich betonen, dass Länder wie Kanada, Australien oder Israel, die zu den erklärtesten Alliierten der Amerikaner zählen, über kein oder nur ein sehr begrenztes Embargo gegen China verfügen.
Was Russland angeht, habe ich gegenüber Condoleezza Rice hervorgehoben, dass eine geordnete Sicherheits- und Stabilitätsarchitektur innerhalb von Europa ohne die Einbeziehung Russlands unmöglich ist. Wir müssen Moskau als vollwertigen Partner an der Gestaltung dieser Struktur beteiligen. Damit sich die Europäer in diesen drei aufgezeigten Problemfeldern durchsetzen, müssen sie klar zu ihrer eigenen Haltung stehen.
Die Fragen stellte Joëlle Merges
Luxemburger Wort vom 11. Februar 2005