„Mir waren, sinn a bleiwen houfreg op Iech“

Gedenkfeier zu Ehren von Großherzogin Joséphine-Charlotte: Premier Jean-Claude Juncker würdigte Großherzogin Joséphine-Charlotte als Grande Dame und gute Landesfürstin. Die Abgeordnetenkammer gedachte der verstorbenen Groß-herzogin.

Am Freitag Nachmittag versammelte sich die Abgeordnetenkammer, um der verstorbenen Großherzogin Joséphine-Charlotte zu gedenken. Zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens nahmen an der Sitzung teil.

Hofmarschall Jean-Jacques Kasel und Kammerherr Lieutenant-colonel honoraire Léandre Mignon vertraten den großherzoglichen Hof bei der Gedenkzeremonie. Im Namen des Parlaments würdigte Präsident Lucien Weiler die frühere Landesfürstin. “Mut, Würde und Diskretion haben das Leben von Großherzogin Joséphine-Charlotte geprägt“, so Weiler. Er erinnerte an die Worte von Premier Jean-Claude Juncker, der beim Thronwechsel am 7. Oktober an die Adresse des belgischen Königs gesagt hatte: “Je voudrais dire à travers vous au peuple belge que nous lui sommes reconnaissants de nous avoir fait cadeau de la meilleure de ses filles.” Ein starkes Pflichtgefühl habe das Handeln der jungen Prinzessin in ihrer belgischen Heimat und später als Großherzogin von Luxemburg bestimmt.

Lucien Weiler erinnerte an die schwere Jugendzeit von Joséphine-Charlotte, die ihre Mutter in frühen Jahren auf tragische Art und Weise verlor, und an die bittere Kriegs- und Nachkriegszeit, die für die belgische Königsfamilie ganz dramatisch gewesen sei. Der Präsident würdigte das soziale Engagement der Großherzogin, die sich als ausgebildete Krankenschwester besonders für die Schwachen in der Gesellschaft eingesetzt habe. Durch ihre vorbildliche Arbeit in humanitären Organisationen habe sie gezeigt, dass man immer wieder nach mehr Menschlichkeit und Solidarität in der Heimat und in der Welt streben muss.

Echtes Mitgefühl

Unzählige Organisationen haben das Engagement der Landesfürstin erlebt“, so der Kammerpräsident. Das Rote Kreuz, die Lëtzebuerger Guiden a Scouten, Tausende von Blutspendern sowie viele Mitbürger in Alters-und Pflegeheimen hätten gespürt, dass das Mitgefühl der Großherzogin echt war. Darum habe man sie respektiert und geliebt.

Joséphine-Charlotte habe über einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn verfügt. Grenzen von Ländern und Kulturkreisen habe sie nicht gekannt.

Sie habe ein umfassendes Wissen und ein tiefes Verständnis für die Kunst in all ihren Formen gehabt. Das Schöne, Kreative und Menschliche in Kunst und Kultur habe Joséphine-Charlotte ein Leben lang begeistert. Die Luxemburger Kunstszene habe in ihr die beste Botschafterin gehabt.

Die Großherzogin sei eine Frau mit Charakterstärke und großer Konsequenz gewesen. Sie habe sich nicht vom Zeitgeist leiten lassen und habe eine genaue Vorstellung von der Monarchie als Staatsform und ihrer Rolle als Ehefrau des Staatschefs gehabt. Als der Zeitgeist vor einigen Jahren die Türen vieler Paläste in Europa gesprengt habe, habe sie sich nicht beirren lassen und an der Seite von Großherzog Jean mit ihrer Diskretion und nobler Manier der Monarchie ihren Stempel aufgedrückt. Sie sei die erste Beraterin des Großherzogs gewesen, der sich stets auf seine Gattin habe verlassen können. Das ganze Land trage Trauer und denke an Großherzog Jean. “Madame, mir waren, sinn a bleiwen houfreg op Iech. Lëtzebuerg seet Iech e grousse Merci a wäert Iech ni vergiessen“, so Lucien Weiler abschließend.

Mut und Diskretion

Nach dem Präsidenten der Abgeordnetenkammer ergriff Premierminister Jean-Claude Juncker das Wort. Großherzogin Joséphine-Charlotte habe ihre Krankheit nie thematisiert und viel physischen und moralischen Mut besessen. Sie habe den Tod lange nicht an sich herangelassen. Diskretion ziehe sich wie ein Faden durch ihr Leben. Eine Mischung aus Noblesse und Würde hätten aus einer jungen Prinzessin eine Grande Dame und aus einer belgischen Königstochter eine gute Großherzogin gemacht. Ihre Diskretion habe manchmal Abstand, aber nie Distanz geschaffen. Zwischen ihr und den Luxemburgern hätten keine langen Strecken, sondern nur kurze Wege gelegen. Tragödien der Geschichte seien zum Teil des eigenen Lebens der Großherzogin geworden.

Jean-Claude Juncker erinnerte an das herzliche und schöne Lachen der Großherzogin, die über eine feine Ironie und eine spitze Intelligenz verfügt habe. Mit ihrem komplizierten Wissen habe sie Staatsgäste aus nah und fern beeindruckt. Durch ihre Arbeit und ihr Engagement habe sie immer einen Einblick in die Realität des Landes gehabt. Juncker verwies auf die Begeisterung für Kunst und umschrieb die Sammlung der Großherzogin als “Spaziergang durch das Leben” . Der Tod von Joséphine-Charlotte sei wie ein Verlust in der eigenen Familie, der sehr schmerze.

Als der Regierungschef auf die Beziehung zwischen der Großherzogin und ihrem Ehemann Großherzog Jean eingehen wollte, konnte er die Tränen nicht mehr zurückhalten. “Großherzog Jean verliert die Prinzessin seines Lebens“, so die rührende Umschreibung einer liebevollen Verbindung, die sich als Glück für das ganze Land erwiesen habe.

Jean-Claude Juncker versicherte der großherzoglichen Familie die besondere Sympathie des Volkes. An Großherzogin Joséphine-Charlotte gerichtet, sagte er: “Respekt Madame. Respekt virun deem, wat Der waart. Respekt virun deem, wéi Der waart. Merci fir dat, wat Der fir eis waart. Dat wat Der fir eis waart, dat bleift. Iech wäerte mer vermëssen.”

Auf der Tribüne wohnten die früheren Vorsitzenden des Parlaments, Léon Bollendorf, Erna Hennicot-Schoepges und Jean Spautz, Ehrenstaatsminister Jacques Santer, der Präsident des Obersten Gerichtshofs und des Verfassungsgerichts, Marc Thill, der Präsident des Staatsrats, Pierre Mores, Ombudsman Marc Fischbach, die Europaabgeordneten Lydie Polfer, Astrid Lulling und Claude Turmes sowie mehrere höhere Beamte und Vertreter des diplomatischen Korps der Gedenkfeier bei. Zum Abschluss erklang die “Hémecht“.

Laurent Zeimet, Luxemburger Wort vom 15. Januar 2005