Mit dem Bericht des CSV-Abgeordneten Laurent Mosar fällt am Montagnachmittag im Parlament der Startschuss für die Haushaltsdebatte 2005. Im LW-Interview zieht Laurent Mosar Fazit seiner Arbeit
Mit dem Bericht des CSV-Abgeordneten Laurent Mosar fällt am Montagnachmittag im Parlament der Startschuss für die Haushaltsdebatte 2005. Fazit seiner Arbeit: Die Regierung muss sich in Zukunft Prioritäten setzen.
LW: Hat die neue Budgetprozedur Ihre Arbeit als Berichterstatter beeinflusst?
Laurent Mosar: Durch das gestraffte Verfahren steht man natürlich etwas unter Zeitdruck. Ich habe mir daher vorgenommen, meinen Bericht auf einzelne Punkte zu konzentrieren. Ich wollte dem Parlament eine Bestandsaufnahme über die finanzielle Situation des Staates abliefern. Dabei hatte ich immer im Hinterkopf, dass man die Staatskasse unter Berücksichtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung des Landes und seines Umfelds betrachten muss. Die neue Prozedur hat den Vorteil, dass man mit aktuellerem Zahlenmaterial arbeiten kann. Ich konnte auch nicht feststellen, dass die Qualität der verschiedenen Gutachten unter dem festen Zeitplan gelitten hätte.
“Finanzplatz ist einer harten Konkurrenz ausgesetzt”
LW: Sie Sehen Schwierigkeiten bei den Einnahmequellen. Die Entwicklung der Körperschaftssteuer macht Ihnen Sorgen?
Laurent Mosar: Allerdings. 80 Prozent der Körperschaftssteuer stammen von den Banken. Mittelstand und Industrie zahlen dagegen praktisch keine mehr. Ich halte dies für eine ungesunde Entwicklung. Auf dem Papier beträgt der globale Steuersatz für die Unternehmen rund 30 Prozent. Wegen der Bemessungsgrundlage zahlen die in der Regel aber eher 20 Prozent. Da frage ich mich, ob es nicht sinnvoller wäre, den Steuersatz auf Unternehmensgewinnen zu senken. Idealerweise auf unter 20 Prozent, bei gleichzeitiger Anpassung der Steuerbemessungsgrundlage. Kurz: einfache Steuern, mehr Einnahmen. Das wäre ein Wettbewerbungsvorteil für den Standort Luxemburg.
LW: Auch um die Konkurrenzfähigkeit des Finanzplatzes zu sichern?
Laurent Mosar: Genau. Auch die Banken versuchen, durch steuerliche Konstruktionen den Luxemburger Fiskus zu umgehen. Der Finanzplatz Luxemburg ist natürlich einer harten Konkurrenz ausgesetzt. Neben der Schweiz und Irland werden uns die neuen Eu- Mitgliedsländer stärker zusetzen. Wir müssen uns warm anziehen, wenn wir unseren Vorsprung behalten wollen.
LW: Was ist Ihrer Meinung nach noch zu tun?
Laurent Mosar: Wir müssen die “taxe d’abonnement” schrittweise reduzieren und eine Überreglementierung des Finanzplatzes vermeiden. Wir haben hier des Öfteren übers Ziel hinausgeschossen. Zum Beispiel bei der Geldwäsche-Gesetzgebung. Mittlerweile haben die Banker Angst bei jeder neuren Konteröffnung, bereits mit einem Fuß im Gefängnis zu stehen. Wir müssen nicht unbedingt katholischer sein als der Papst. Daneben müssen wir uns noch besser um die Vermarktung des Finanzplatzes kümmern und die “Luxemburg School of Finance” ausbauen. Das hierdurch zu gewinnende Know-how müssen wir für die Entwicklung neuer Produkte nutzen.
“Wir müssen Sozialleistungen in verschiedene Politikbereichen im Auge behalten”
LW: Sie machen in Ihrem Bericht auf “versteckte” Sozialpolitik aufmerksam. Als Beispiel nennen Sie den öffentlichen Transport…
Laurent Mosar: Das eigentliche Sozialbudget macht 44 Prozent der staatlichen Ausgaben aus. Das ist normal. Was mich stört, ist die Tatsache, dass wir auch in anderen Politikbereichen “Sozialpolitik” betreiben. Insgesamt sind im Haushalt 2005 546 Millionen Euro für das öffentliche Transportwesen vorgesehen. Gegen Investitionen in die Infrastrukturen ist nichts einzuwenden, immerhin gibt es einen großen Nachholbedarf.
Nur: Lediglich 12 Prozent der Kosten tragen die Benutzer der öffentlichen Verkehrsmittel. Die meisten fahren gratis. Ich wage zu bezweifeln, dass es sich nur um harte Sozialfälle handelt. So was können wir uns aber nicht ewig leisten. Zumindest nicht, ohne im anderen Sparten Einsparungen vornehmen zu müssen.
Auch müssen wir die Entwicklung jener Sozialleistungen im Auge behalten, die an Empfänger im Ausland ausbezahlt werden. Diese haben sich m Vergleich zu 1990 verzehnfacht. Die Nutznießer kurbeln mit diesem Geld die Binnennachfrage aber nicht mehr an.
“Weniger belastende Energiemaßnahmen”
LW: Der Staat subventioniert Photovoltaikanlagen. Sie fordern hier eine Kehrtwende?
Laurent Mosar: Ich stelle mitnichten die Förderung der erneuerbaren Energie in Frage. Aber diese besondere Fördermaßnahme hat sich zu einem Fass ohne Boden entwickelt. Für kommendes Jahr sind insgesamt 39 Millionen Euro für die Photovoltaikanlagen eingeplant. Zum Vergleich: für die Universität Luxemburg stehen 34 Millionen Euro bereit. Ist dies noch verhältnismäßig?
Es ist an der Zeit, Kosten und Nutzen dieser Förderung abzuwägen. Andere Energiesparmaßnahmen belasten den Haushalt weniger. Ich denke dabei an thermische Isolation und die Altbausanierung.
LW: Auch das öffentliche Bauwesen und der Fonds pour l’emploi haben Ihre Aufmerksamkeit erregt.
Laurent Mosar: Der zuständige Minister Claude Wiseler hat die Probleme bei den staatlichen Bauvorhaben bereits erkannt. Wir bauen zu teuer und es dauert zu lange. Es kann nicht sein, dass der Bau einer Schule zehn Jahre in Anspruch nimmt. Unsere teilweise komplizierten Verfahren gehören auf den Prüfstand.
Beim Fonds pour l’emploi halte ich ein Audit für opportun. Das ist alles wenig transparent und man sieht keine konkreten Resultate. Ich habe auch den Eindruck, dass nicht genügend Menschen über diesen Weg wieder auf den Arbeitsmarkt zurückfinden. Unqualifizierte sind schwer in unsere Arbeitswelt zu integrieren. Wir müssen daher in den nächsten Jahren eher bei der schulischen Aus- und Weiterbildung ansetzen.
LW: Als Finanzschöffe der Stadt Luxemburg interessieren Sie sich auch für die Gemeindefinanzen. Zu welchen Erkenntnissen sind Sie gekommen?
Laurent Mosar: Ich möchte drei grundsätzliche Überlegungen anbringen.
Erstens: Wir müssen die Gewerbesteuer senken. Die Abhängigkeit der Gemeinden von der Gewerbesteuer muss gelöst werden. Es gibt eine Reihe alternativer Finanzierungsmodelle.
Zweitens die Grundsteuer an die heutige Zeit anpassen.
Drittens: klare Kriterien für die Beteiligung des Staates an kommunalen Bauvorhaben erstellen. Die Gemeinden müssen wissen, was sie an staatlicher Beteiligung an den Bau- und Unterhaltskosten zu erwarten haben. Ansonsten ist jede seriöse Planung unmöglich.
Gesunde Finanzsituation trotz Schwachpunkte
LW: Ihre Schlussfolgerung steht unter dem Titel: Das Ende der Welt, wie wir sie kennen. Müssen wir den Gürtel enger schnallen?
Laurent Mosar: Mir ging es nicht darum, die Regierung mit Weihwasser zu überschütten: Wir haben eine gute, gesunde Finanzsituation. Aber es gibt Schwachpunkte. Das Budget 2005 zeigt die Grenzen der Finanzierungskapazität des Staates auf. Der Überfluss der “goldenen neunziger” ist zweifellos passé. Wenn wir unser Land im Sinne des IVL umorganisieren und modernisieren wollen, müssen wir uns auch finanziell mittelfristig anstrengen. Die Rolle des Staates muss überdacht werden. Wir können nicht mehr in allen Bereichen das Maximum leisten. Die Politik muss lernen, Prioritäten zu setzen.
Das Interview führte Laurent Zeimet
Quelle: Luxeburger Wort vom 30.11.2004