3 Fragen an Kooperationsminister Jean-Louis Schiltz
Tageblatt: Herr Minister, bei ihrer Erklärung zur Entwicklungshilfe im Parlament gewann man den Eindruck Sie würden der im Koalitionsabkommen festgehaltenen Neu-Festlegung der Kriterien zur Auswahl der Zielländer der Luxemburger Entwicklungshilfe eher skeptisch gegenüberstehen. Stimmt der Eindruck?
Jean-Louis Schiltz: “Ich glaube man sollte nie etwas als definitiv gegeben sehen. Sich hier und da in Frage zu stellen ist sicher richtig. Gleichzeitig weiß ich, dass keines der Länder, in denen wir aktiv sind, sich in globo so stark entwickelt hat, dass wir unsere Hilfe einstellen könnten. In all diesen Ländern ist immer noch große Armut zu verzeichnen. Namibia z.B. entwickelt sich gut, gleichzeitig jedoch sinkt die Lebenserwartung durch Aids enorm, und im Norden gibt es viel Armut. Vietnam, das ich diese Woche besuchen werde, verzeichnet eine enorme Armut im Norden des Landes.
Aus dem Mali, Niger oder Burkina Faso können wir uns sicher nicht zurückziehen. Im El Salvador geht es mal besser, mal schlechter.”
Tageblatt: Das klingt nicht so, als ob Sie eine Änderung der Kriterien wünschen, oder?
Jean-Louis Schiltz: “Ich bin offen für eine solche Diskussion, wenn wir dabei evolutiv herangehen. Generell schließe ich dabei einen eventuellen Rückzug aus einem der Zielländer nicht aus. Genauso wenig schließe ich jedoch aus dass wir nach reiflichen Überlegungen zur Schlussfolgerung gelangen können, in allen Ländern präsent zu bleiben.
Das verhindert nicht, dass wir unsere Politik reorientieren und konzentrierter auf sektorieller Ebene z.B. vorgehen werden.
Klar scheint mir, dass wir unser Engagement in einigen Nicht-Zielländer wie Chile, Marokko, Tunesien, Südafrika oder Brasilien auslaufen werden lassen. Punktuelle Ausnahmen sind hier aber möglich. Wir müssen uns verstärkt auf bestimmte Bereiche konzentrieren. Dabei muss die Armutsbekämpfung unser Hauptziel bleiben. Die Diskussion über eine Reorientierung kann jedoch nur eine sanfte Übung mit mittel- und langfristigen Zielsetzungen sein.”
Tageblatt: Was hat es mit der angekündigten Reorganisation ihrer Dienststelle auf sich?
Jean-Louis Schiltz: “Diese wird erst nach der Luxemburger EU-Präsidentschaft erfolgen können. Es wird auch hier darum gehen, noch mehr Effizienz zu erreichen.
Für die Zusammenarbeit mit den ONGs z.B. glaube ich, stehen nicht genügend Mitarbeiter zur Verfügung. Weiter wollen wir prüfen, ob die multi- und bilateralen Bereiche anders zusammenarbeiten können z.B. Oder ob wir an der nach Ländern ausgerichteten Arbeitsstruktur festhalten wollen, oder diese eventuell durch eine nach Sachbereichen gegliederte Struktur ersetzen wollen.
Ein organisationelles und prozedurales Audit kann uns hierbei helfen. Generell jedoch wird es wohl nicht zu einer Riesenrevolution kommen.”
Quelle: Tageblatt vom 22. November 2004