Juncker zum Stabilitätspakt und zur Frage der Türkei
Premierminister Jean-Claude Juncker plädierte vor dem CSV-Nationalrat für eine vorsichtige Reform des Europäischen Stabilitätspakts. Dabei sprach er sich eindeutig gegen eine Ausklammerung bestimmter Ausgabenposten aus der Berechnung der Neuverschuldung der Mitgliedsstaaten aus, wie für Bildung oder Arbeitsmarktreformen im Sinne des von der EU beschlossenen Lissabon-Prozesses. Für Juncker steht fest, dass ein solches Vorgehen, wie es von einigen Mitgliedsländern derzeit vorgeschlagen wird, dem Öffnen der Büchse der Pandora gleichkommt, weil – so die Argumente von Juncker, andere dann auf die Idee kommen könnten, auch ihre besonderen Verteidigungsausgaben oder die grenzüberschreitenden Investitionen, und wieder andere ihre Nettozahlungen an die EU geltend zu machen. Notwendig ist vielmehr eine Koordinierung und gemeinsame Beschlussfassungen in der Finanz- und Wirtschaftspolitik.
In der Frage des Türkei-Beitritts erteilte Juncker all jenen Versuchen eine Absage, die jetzt noch eine Grundsatzdiskussion darüber führen wollen, wie ein Beitritt noch vermieden werden kann. Diese Diskussion hätte geführt werden müssen, bevor das Land 1997 als mögliches Beitrittsland anerkannt wurde und 1999 den offiziellen Kandidatenstatus erhielt. Er selbst habe sich damals als Einziger gegen diese Beschlüsse ausgesprochen, doch niemand habe die Diskussion ernsthaft führen wollen. Dieser Zug sei nunmehr abgefahren, kommentierte er.
Mit einem baldigen Beitritt der Türkei rechnet Juncker jedoch nicht. Die Beitrittsverhandlungen werden sehr viel länger sein als dies bei andern Ländern der Fall gewesen war. In diesem Zusammenhang bedauerte er, dass besonders in Europa ein falsches Bild über die Türkei bestehe. So sei viel zu wenig bekannt über ein Land, das sich auf dem richtigen Weg befindet, was die Erfüllung der Kopenhagener Kriterien anbelangt. Hier bleibt sicherlich noch einiges zu leisten, doch sollen die Kopenhagener Kriterien, vor allem die Menschenrechtsfrage nicht als Petitesse auf europäischen Kontinent abqualifiziert werden. Der Beitritt der Türkei werde zudem ja auch nicht im Schnellzugtempo diskutierte. Hier bedarf es ohne Zweifel tief greifender Ermittlungen.