Premierminister Jean-Claude Juncker im ZDF Heute Journal zur verschobenen Abstimmung des Europaparlaments über die neue Kommissionsmannschaft
Premierminister Jean-Claude Juncker im ZDF Heute Journal zur verschobenen Abstimmung des Europaparlaments über die neue Kommissionsmannschaft.
ZDF: Das europäische Parlament lehnt erstmals eine Kommission ab, das gab es noch nie. Ist das für Europa schlecht oder ist das vielleicht sogar gut so?
Jean-Claude Juncker: Ach, das ist weder gut noch schlecht. Der Vorgang ist der, dass das Europäische Parlament ein Recht nutzt, das es laut Vertrag hat. Das Parlament muss dem Gesamttableau, das vom Kommissionspräsidenten vorgelegt wird, nicht zustimmen. Es hat erkennen lassen in den letzten Tagen, es würde nicht zustimmen. Deshalb hat der Kommissionspräsident seinen Vorschlag zurückgezogen. Wir müssen uns jetzt auf die Beine machen, so schnell wie möglich eine effizient handelnde Kommission auf die Beine zu stellen.
“Die Regierungschefs sind jetzt am Drücker”
ZDF: Nun sind die Kommissionskandidaten, die Barroso versucht hat zu verteidigen ja gar nicht seine eigene Wahl sondern die wurden ihm von den nationalen Regierungen regelrecht vorgesetzt. Liegt daran vielleicht das eigentliche Problem?
Jean-Claude Juncker: Eigentlich sagt der Vertrag, dass die Regierung im Einvernehmen mit dem Kommissionspräsidenten ihre Vorschläge, die Personalien der Kommission betreffend machen. Tatsache ist, dass mehrere Kommissare, nicht nur Herr Buttiglione, sondern mehrere Kommissare nicht auf die Zustimmung des Parlamentes zu stossen schienen. Das hat dann zur Folge, dass die Regierungschefs, die Kommissare nach Brüssel entsandt haben, von denen jeder weiss, dass sie nicht auf Zustimmung finden, sich mit dem Kommissionspräsidenten darüber zu unterhalten haben, ob sie neue Vorschläge unterbreiten. Hier steht ja nicht nur Herr Barroso in der Pflicht. Er kann ja nichts tun, wenn er jemanden ablösen soll, der von einer nationalen Regierung ernannt wird. Das kann er nur in Zusammenarbeit mit den nationalen Regierungen tun. Die Regierungschefs müssen wissen, dass sie jetzt am Drücker sind.
ZDF: Also waren aber eigentlich auch die Regierungschefs Schuld daran, dass es zu einer solchen Eskalation gekommen ist?
Jean-Claude Juncker: Einige.
Die politische Krise nicht weiter verschärfen
ZDF: Nun hoffen wir natürlich, dass es ein neues Personaltableau gibt, wie Sie sagten. Sie sagten “Einige”. Nun hat Silvio Berlusconi schon gesagt, er hält an seinem italienischen Kandidaten Buttiglione fest. Ist das hilfreich?
Jean-Claude Juncker: Also erstmal habe ich mich mit Herrn Berlusconi am Freitag selbst darüber unterhalten, um zu sehen was Sache ist. Tatsache ist, wenn alle an ihren Vorschlägen festhalten, dann wird das Parlament der Kommission seine Zustimmung verweigern. Niemand darf jetzt dazu beitragen, die politische Krise in der wir sind, das ist keine institutionelle sondern eine politische Krise, weiter zu verschärfen, zu verlängern oder zu vertiefen. Wir müssen uns bewegen, das Parlament, die Regierungschefs, die neue Kommissionsvorschläge unterbreiten müssen, diejenigen, die in der Pflicht stehen dies zu tun. Das ist ja nicht für alle der Fall. Augen zu und durch! Dies ist eine Parole die jetzt gegen die Wand führt, sonst nirgendwo hin.
ZDF: Sie sprechen von einer politischen Krise. Am Freitag werden die Staats- und Regierungschefs ja in Rom zusammen kommen. Eigentlich war das als eine ganz feierliche Veranstaltung geplant zur Unterzeichnung der Verfassung. Wird das jetzt ein Krisengipfel oder zumindest ein harter Arbeitsgipfel?
Jean-Claude Juncker: Also wir werden ja über die jetzt eingetretene Lage uns unterhalten müssen. Es wäre ja relativ kurios, wenn wir dies nicht täten. Das wird im übrigen, für mich jedenfalls, nicht zur Folge haben, dass ich mich nicht wie ein kleiner Bube freue über den Fortschritt, den wir dadurch erzielt haben in Europa, dass wir diesen Verfassungsvertrag auf den Weg bringen. Auch wenn wir in lausigen Zeiten sind, die Geschichte geht trotzdem weiter. Ich möchte am Freitag auch wissen, was von der Geschichte, die war, und von der Geschichte, die kommt, mitkriegen.
ZDF: Herr Juncker, vielen Dank für das Gespräch.
Jean-Claude Juncker: Bitte schön.
(Quelle: ZDF, Service Information et Presse)