Der Staatsminister grenzt seine Partei von allen politischen Gegnern ab und will nicht den Eindruck aufkommen lassen, die CSV habe die Wahl bereits gewonnen
Der Staatsminister grenzt seine Partei von allen politischen Gegnern ab und will nicht den Eindruck aufkommen lassen, die CSV habe die Wahl bereits gewonnen
Revue : Beobachter gehen davon aus, dass die CSV die Wahlen am 13. Juni gewinnt, und zwar dank Ihnen. Wie fühlt man sich als Jean-Claude Superstar?
J-C. Juncker: Ich bin kein Superstar, das entspricht nicht meinem Selbstverständnis. Politische Beobachter, die einen Wahlsieg der CSV voraussagen, haben keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit.
Revue: Auf welche Leistung der Legislaturperiode sind Sie am meisten stolz?
J.C. Juncker: Neben dem klaren Blick auf das, was nicht richtig gelaufen ist, bin ich stolz darauf, dass wir seit 1999 trotz wirtschaftlich ungünstiger Bedingungen alle Staatsbudgets mit einem Überschuss abschließen konnten. Stolz bin ich auch darauf, dass wir auf EU-Ebene eine Zinsbesteuerung durchsetzen konnten, die unseren Finanzplatz schont. Und auf gesellschaftliche Reformen wie das Gesetz über das Zusammenleben von nicht verheirateten hetero- oder homosexuellen Paaren, auf die Einführung des Ombudsmann, die Reform des Pressegesetzes und die des Geheimdienstes. Ich bin auch stolz auf die rege Investitionspolitik und auf die Uni Luxemburg.
Revue: Koalitionsaussagen vor dem Wahltag sind in Luxemburg verpönt. Können Sie wenigstens die Frage beantworten, unter welchen Voraussetzen Sie die heutigen Koalition fortsetzen würden?
J.-C. Juncker: Vielleicht ist meine Antwort nicht besonders brillant, aber das hängt vom Kräfteverhältnis zwischen den Parteien ab. Das ist eine alte luxemburgische Tradition. Ich wünsche mir bloß, dass keine Partei in die Regierung will, bloß um eine andere auszubooten. Und keiner soll probieren seinen Koalitionspartner zu dominieren.
Revue: Die Grünen sind in letzter Zeit sehr nett zu Ihnen. Können Sie sich eine schwarz-grüne Koalition vorstellen, wenn es rechnerisch möglich ist?
J.-C. Juncker: Ich erinnere mich an Aussagen von Camille Gira, der in Ihrer Zeitschrift bekundete, er sei glücklich wenn die CSV in die Opposition müsste.
Revue: Und Sie bleiben dabei, dass das ADR nicht koalitionsfähig ist?
J.-C. Juncker: Wenn das ADR bei den Wahlen massiv zulegt, muss das ADR in die Regierung kommen. Wenn die Wähler Experiment auf den Rändern suchen, müssen sie wissen, dass solche Leute dann auch Luxemburg im Ausland vertreten werden. An einer solchen Regierung nehme ich allerdings nicht teil. Meine Überzeugungen stehen in tiefem Widerspruch zu Programmatik, Stil und Umfangsformen des ADR.
Revue: Im Wohnungsbau weiß die Regierung nicht, was sie gegen die Teuerung tun soll.
J.-C. Juncker: Die Regierung hat mit Steuer- und Gebührensenkungen viel für die Ankurbelung des Wohnungsbaus getan, Hilfen gibt es auch für die Gemeinden. Doch die Bevölkerung steigt, jedes Jahr kommen in unserem Land 2.900 Haushalte hinzu, jedoch nur 2.000 Wohnungen. Ich mach mir nicht allzu viel Illusionen über die Wirksamkeit politischer Maßnahmen in diesem Bereich, gebe aber den Willen nicht auf, diese Problematik zu thematisieren.
Revue: Sie waren ein glühender Verfechter des BTB-Projektes der vorigen Regierung. Bedauern Sie, dass die Trambahn durch die Stadt abgeschossen wurde?
J.-C. Juncker: Ja
Revue: Es ist doch nicht zu spät, oder?
J.-C. Juncker: Am Beispiel BTB sieht man, dass es nicht irrelevant ist, wer in der Regierung sitzt. 1999 kam eine Partei in die Regierung, die im Wahlkampf massiv gegen das Projekt aufgetreten war. Was ich im Namen der CSV/LSAP-Regierung gesagt hatte, konnte ich nicht mehr im Namen der CSV/DP-Mannschaft sagen, besonders da auch der hauptstädtische Schöffenrat nicht mit der Trasse durch die Stadt einverstanden war. Die Sozialisten dürfen in der heutigen Diskussion nicht vergessen, dass die frühere Regierung das Projekt ebenfalls nicht gegen den Willen der politischen Führung der Stadt Luxemburg durchsetzen konnte und wollte.
Revue: Kommen in der Wahlkampagne europäische Themen nicht zu kurz, weil in Luxemburg die Europa- und die Landeswahlen am gleichen Tag stattfinden?
J.-C. Juncker: Ja, man könnte darüber nachdenken, die Legislaturperiode um zwei Monate zu kürzen. Der Nachteil wäre, dass der teure Wahlaufwand innerhalb kurzer Zeit wiederholt werden müsste.
Revue: Welche sind, in Stichworten, Ihre ersten Prioritäten für die kommende Legislaturperiode?
J.-C. Juncker: Deren gibt es mehrere. Erstens: Das IVL wird als Vorlage für eine harmonische Entwicklung unseres Landes dienen müssen.
Zweitens: Bei einer Konjunkturerholung dürfen wir nicht wieder in einen staatlichen Ausgabenrausch verfallen, auch in Zukunft müssen wir vorsichtig bleiben.
Drittens: Luxemburgs Platz im Europa der 25 muss gefestigt werden. Ein Land, das am politischen Rand der Entscheidungen steht kann auch kein starker Wirtschaftsstandort sein.
Das Interview führte Romain Meyer
Lesen Sie das vollständige Interview in der Revue vom 3.6.2004