Landesplanerisches Lifting für Luxemburg

LW-Gespräch mit Innenminister Michel Wolter und dem parlamentarischen Berichterstatter Marco Schank
Die 118 Gemeinden des Landes haben ein neues Regelwerk, das ihnen als legaler Leitfaden bei ihren Besiedlungsbestrebungen dienen soll. Zum Ende der Legislaturperiode passierte der entsprechende Entwurf, mit dem die Gesetzgebung vom 12. Juni 1937 “concernant l´aménagement des villes et autres agglomérations” angepasst wurde, die parlamentarische Abstimmungshürde.

Gegenüber dem “Luxemburger Wort” erläuterten Innenminister Michel Wolter und Berichterstatter Marco Schank die wesentlichen Merkmale des modifizierten Textes.
Mit den durchgeführten Anpassungen an der 37er Gesetzgebung erhalte das Großherzogtum europaweit eines der modernsten Gesetze im Bereich der Besiedlungspolitik, stellt Minister Wolter fest. “Auf die Arbeit, die hier in den vergangenen Jahren geleistet wurde, bin ich wirklich stolz.”

Ausgangspunkt der Arbeit sei die Vorgabe gewesen, Luxemburg ein zeitgemäßes Urbanisierungs-Gesetz zu geben, das durch eine landesplanerische Hierarchie zwischen nationaler, regionaler und kommunaler Ebene gekennzeichnet sei und wo die Gemeinden in stärkerem Maße eingebunden würden, resümiert der Ressortminister den Grundgedanken.

Marco Schank, der als Präsident des Innenausschusses der Abgeordnetenkammer gleichzeitig Berichterstatter war, weist auf die fünf Pfeiler hin, auf denen die Anpassungen an der 67 Jahre alten Gesetzgebung aufbauen: Berücksichtigung der nachhaltigen Entwicklung, Harmonisierung diverser Planungsdokumente, Hierarchisierung der Planungsinstrumente, Definition der Mittel zur Umsetzung eines so genannten plan d´aménagement particulier (PAP), Vereinfachung verschiedener Prozeduren.

Was die Einbindung des Prinzips der Nachhaltigkeit bedeutet, erklärt Michel Wolter: “Auf die Landesplanung bezogen heißt Nachhaltigkeit, die Entscheidungen von heute im Licht ihrer Konsequenzen von morgen zu treffen“. Das setze beispielsweise für jede Gemeinde voraus, dass sie lerne, vernetzt zu denken und zu handeln und über den kommunalen Tellerrand zu blicken. “Zusammenarbeit muss das Zauberwort der Zukunft lauten“, plädiert der Minister für mehr kommunale Kooperation.

Die nachhaltige Entwicklung spiegele sich in der Harmonisierung der Dokumente wider, dient Marco Schank mit einem konkreten Beispiel: Wenn künftig gefordert wird, die Ausarbeitung des Bebauungsplanes (plan d´aménagement général, PAG) an eine vorangehende Studie (étude préalable) zu knüpfen, so sei dies nachhaltig; denn so könne sicher gestellt werden, dass Vorleistungen wie Kanal- oder Wasseranschluss erbracht würden.

Zum Bebauungsplan selbst fügt der CSV-Deputierte hinzu, dass dieser nunmehr alle sechs Jahre überholt werden müsse, “um ihn gegebenenfalls an neue Begebenheiten anzupassen“. Und derzeit in Überarbeitung befindliche Pläne? “Sie fallen noch unter das bestehende Regime vorausgesetzt die Empfangsbestätigung durch die staatliche Landesplanungskommission erfolgt vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes.”

Ein neues Gesetz, das sich auch durch vereinfachte Prozeduren auszeichnet. Ein PAP braucht in Zukunft nur noch einmal vom Gemeinderat verabschiedet zu werden, wenn es zu keinen Beanstandungen kommt. Und er wird direkt an den Innenminister und nicht wie bislang an den Landesplanungsauschuss weitergeleitet. Des Weiteren werden “vernünftige Fristen für die Behandlung eines PAG eingeführt“, so Schank. Was das Ineinandergreifen von plan d´aménagement général und plan d´aménagement particulier angeht, betont Innenminister Wolter, dass der PAP dazu diene, den PAG umzusetzen und damit eine präzise Bestimmung habe. Der heute weit verbreiteten Praxis, dass der PAG via PAP quasi umgangen und außer Kraft gesetzt werde, soll damit ein Riegel vorgeschoben werden. Und Druck von den Gemeindeverantwortlichen genommen werden, die sich Bauherren und ihren Plänen gegenüber sahen, die unvereinbar mit den allgemeinen Bebauungsbestimmungen ihrer Gemeinde seien.

Wichtig seien in dem Zusammenhang auch die Kurse, die ab Herbst organisiert würden und die die betroffenen Akteure Gemeindepersonal, Architekten, Urbanisten mit der modifizierten Materie vertraut machen würden, wies Wolter auf die praktischen Aspekte hin.

Eine praktische Umsetzung, bei der das Innenministerium über die Wahrung der allgemeinen, der nationalen Interessen der Landesplanung wache. Dies soll u. a. durch die Definition so genannter Mindeststandards und einer einheitlichen Nomenklatura möglich werden, “so dass der Minister nötigenfalls Druck auf Abweichler ausüben kann“, betont Michel Wolter. Gleichsam räumt er aber ein, dass der Ball bei den Gemeinden liege. Ihnen komme die Aufgabe zu, selbst dafür zu sorgen, dass das angestrebte landesplanerische Lifting des Landes möglichst glatt und ohne Narben durchgeführt werde.

Damit dieses Unterfangen gelingen könne, müsse nach Ansicht von Marco Schank zum einen die nötige Portion politischer Mut aufgebracht und zum ein Mentalitätswandel vollzogen werden. Nur dann könnten die heute schon auf dem Papier existierenden Pläne, Programme und Projekte mit Leben erfüllt werden, steht für den député-maire fest.

Dabei erinnerte der Innenminister an die landesplanerischen Mosaiksteine, die unter seiner Regie in jüngster Vergangenheit angebracht wurden: 99er Gesetzgebung, programme directeur, IVL, plans sectoriels (Sekundarschulen, GSM-Antennen), die nun erfolgte Anpassung am 37er Gesetz, diverse regionale und lokale Initiativen. In absehbarer Zukunft soll das Puzzle um die sektoriellen Pläne Bauschuttdeponien, Gewerbegebiete, Transport und Wohnungsbau erweitert werden.

Die Umsetzung all dieser Initiativen könne nach Dafürhalten von Wolter nur durch ein professionelles Vorgehen erfolgen. Wie dies geschehen soll? “Durch noch mehr Know-how auf den einzelnen Ebenen, vom nationalen Niveau bis zur kommunalen Stufe, und in letzter Instanz durch weniger Gemeinden“, spricht sich Wolter für die Bündelung der Kräfte aus. Nur so könne die nötige masse critique für den zeitgemäßen Betrieb des Landes geschaffen werden.

Aus : Luxemburger Wort vom 1.6.2004