Das Luxemburger Wort und Radio DNR haben am Mittwochabend – im Vorfeld der Wahlen – die Vertreter der großen drei Regierungsparteien zu Wort kommen lassen
Kurz vor 18:00 Uhr am Mittwochabend im Messezentrum Luxexpo in Luxemburg-Kirchberg . Tontechniker überprüfen nochmals Leitungen und die Lautsprecheranlage. Handwerker tragen Leitern umher und legen nochmals kurz Hand an. In gut 15 Minuten soll eines der Hauptereignisse im diesjährigen Wahlkampf über die Bühne gehen.
Premierminister Jean-Claude Juncker (CSV), Jean Asselborn (LSAP) und Henri Grethen (DP) als Vertreter der drei großen Luxemburger Regierungsparteien werden sich vor Publikum den Fragen dreier Journalisten stellen.
Der Countdown läuft
Kameras laufen bereits, die Fotografen lassen ein erstes Blitzlichtgewitter über den mit 500 Personen gut gefüllten Rängen aufleuchten. Dann erscheinen nach und nach die Hauptakteure des Abends in der Politarena. Jean Asselborn trifft als erster ein, nimmt einmal probehalber Platz an seinem Mikrofon und feixt mit den Fotografen. Inzwischen ist Henri Grethen als der zweite im Bunde vor dem Podium eingetroffen. Wenig später kommt auch der eigentliche Star des Abends: Premierminister Jean -Claude Juncker schreitet von Fotografen umlagert durch die Ränge nach vorn. Der Countdown läuft. Die politische Elefantenrunde von Luxemburger Wort und Radio DNR kann beginnen. Wie im politischen Spektrum von links nach rechts sitzen Asselborn, Juncker und Grethen, jeweils getrennt durch die Journalisten Marc Glesener (LW), Joseph Lorent (LW) und Jean-Marc Sturm (DNR) auf dem Podium.
Präzise Antworten statt lange Vorträge
Zwei bis drei Minuten wolle man den Rednern jeweils zugestehen, Vorträge seien nicht erwünscht, erklärt Moderator Joseph Lorent das Prozedere. Die Fragen der Journalisten sollten dann jedoch möglichst nicht länger sein, gibt Premier Jean-Claude Juncker den Ball postwendend zurück. Über den 700000-Einwohner-Staat und die wirtschaftliche Situation beginnt die Diskussion zunächst etwas schleppend als Frage- und Antwortspiel.
Aufschlag Asselborn: Die Regierung habe in der Bevölkerung Ängste geschürt, was den Bevölkerungszuwachs anbelange. Wirtschaftlich sei es an der Zeit, die Ärmel hochzukrempeln und eine Diversifizierungspolitik einzuleiten. “Sozialistische Märchen” seien das, die nicht wahrer würden, dadurch, dass man sie andauernd wiederhole, so der harte Return Wirtschaftsminister Henri Grethens. Erstmals kommt etwas Leben in das bisherige Grundlinienspiel: Luxemburg gehe es trotz der konjunkturellen Situation immer noch besser als den Nachbarn – das seien schließlich belegbare Fakten, so Grethen. Premier Juncker verteidigt die Steuerreform, durch die der Konsum im Großherzogtum nicht derart eingebrochen sei – wie dagegen in anderen Ländern.
“Der einzige Elefant hier, das bin ich!”
Beim Thema Sozialstaat und Strukturwandel geraten Asselborn und Grethen etwas härter aneinander. “Hier ist keine Krokodilsrunde, sondern eine Elefantenrunde”, beklagt sich der LSAP-Präsident. “Der einzige Elefant hier, das bin ich”, gibt Henri Grethen zurück. Die Zuschauer lachen laut auf, das Eis scheint gebrochen, die Diskussion gewinnt an Fahrt. “Ich bin neben Krokodilen und Elefanten auch noch hier”, gibt der Premier zu bedenken. Jean Asselborn bringt das Thema Zuzahlung von Patienten bei Gesundheitsleistungen zur Sprache: Statt künftig auch stärker beim kleinen Mann zuzulangen, solle man eher beim Solidarsystem bleiben. Das sei so doch gar nicht beabsichtigt, kontert Juncker. Falls notwendig, müsse man jedoch darüber sprechen dürfen, ob Leute mit hohem Einkommen, wie übrigens auch er als Premier eines zurecht beziehe, nicht selbst für ihren Hustensaft zahlen sollten.
Asselborn beharrt auf seiner Aussage, die er von einem Regierungsmitglied so bestätigt bekommen haben will. “Lassen Sie meine Kandidaten in Ruhe, sonst lasse ich ihre auch nicht in Ruhe, Herr Asselborn”, kommt die prompte Antwort. Henri Grethen springt dem Koalitionspartner bei und erklärt, der Bereich sei eine permanente Baustelle . Man müsse flexibel reagieren, es gebe nicht eine richtige Lösung. “Sehen Sie, meine Frau hat, wie andere auch, einen schwarzen Hund. Wenn ich sehe, was der so kostet, würde ich am liebsten auch eine Kasse für Hunde gründen”, plaudert der Wirtschaftsminister aus dem Nähkästchen.
Zwei gegen einen – unfair?
Während die Parteivertreter anfangs noch eher für sich gesprochen haben, gerät Jean Asselborn auch auf den Podium zusehends in die Opposition gegen das Duo Juncker-Grethen, das sich gegenseitig die Bälle zuschießt. “Ich gebe mich geschlagen, ihr seid auch hier in der Mehrheit”, so der Sozialist.
Was denn die LSAP wirtschaftspolitisch anders machen würde, möchten die Journalisten wissen. Prioritäten setzen, sagt Jean Asselborn. Luxemburg würde sich künftig eben nicht mehr die teuersten Steine (Péi-Museum / Anm.d.Red.) leisten können. Vom 14. Juni an müsse eine seriösere Wirtschaftspolitik betrieben werden. “Asselborn sitzt auf seiner rosa Wolke, oder ist sie rot?”, ätzt Henri Grethen. “Wenn Sie glauben als Transportminister mit ihrem Mobilitätskonzept das Land auch nur ein Jota weitergebracht zu haben liegen sie falsch. An ihren Taten werden Sie gemessen, egal wie Sie´s nennen: mobilitéit.lu oder Grethen s.a.”, schießt der LSAP-Präsident zurück. “Sozialisten schneiden Riemen aus dem Leder anderer Leute, das ist Euer Problem”, sagt Grethen. Dann mischt sich der Premier wieder ein, der sich bislang etwas zurückgehalten hat: “Ich dachte, ich lasse die beiden mal machen und halte mich raus.”
Permanente Baustellen
Eine weitere “permanente Baustelle” macht Henri Grethen im Bereich seiner Parteikollegin Anne Brasseur aus. Die Journalisten haben gefragt, ob das Luxemburger Bildungssystem noch fit sei und was die so genannte Bildungsoffensive gebracht habe. Den Weg der Bildungsministerin müsse man weiter gehen, die jungen Leute müssten zur Leistungsbereitschaft erzogen werden. Hier schaltet sich Jean Asselborn ein. Er finde die Herangehensweise der DP nicht O.K. Asselborn kritisiert, dass viele junge Luxemburger es mit ihren Alterskollegen aus der Großregion nicht aufnehmen könnten.
“Ich bin von der Bildungsoffensive nicht enttäuscht, ich habe nämlich nie daran geglaubt”, meldet sich der Premierminister vieldeutig zu Wort und erklärt, Anne Brasseur habe positive Akzente gesetzt, bei den Programmen und Methoden sei es nun notwendig schrittweise vorzugehen.
Die Elefantenrunde neigt sich nach knapp zwei Stunden dem Ende zu. Eine LSAP-Regierung würde auf Vollbeschäftigung hinarbeiten, meint Jean Asselborn. Auch sei es notwendig, die Arbeitslosen und Arbeitssuchenden persönlicher und individueller zu betreuen. “Das wird bereits alles getan”, sagt Premierminister Juncker. “Wir haben sogar 33 neue Beamte fürs Arbeitsamt eingestellt.”
Herausforderungen der Zukunft
Als Schlusswort sollen die Politiker noch sagen, worin sie die künftigen großen Herausforderungen für das Großherzogtum sehen. “Eine schlechte Frage”, befindet Juncker: “Nachher wird dann wieder kritisiert, dass man dieses oder jenes nicht genannt hat.” Wichtig sei in jedem Fall das IVL und die Solidarität innerhalb Luxemburgs und gegenüber anderen Ländern, denen es weniger gut gehe. Henri Grethen möchte dem hinzufügen, dass Luxemburg die EU-Präsidentschaft perfekt meistern müsse. Jean Asselborn sagt, der weltweite Terror dürfe nicht durch Gewalt bekämpft werden, Nicht-Luxemburger müssten hierzulande besser integriert werden und Europa müsse sich zu einer gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik durchringen.
Porto schlägt Monaco
Draußen vor dem Konferenzsaal der Luxexpo wartet auf das Publikum nach der teils hitzigen politischen Diskussion das Endspiel der Championsleague, die die Veranstalter Luxemburger Wort und Radio DNR auf Großleinwänden übertragen lassen: Der FC Porto gewinnt 3:0 gegen AS Monaco.
Aus: www.wort.lu