Im Interesse der Pressefreiheit

LW-Interview mit Laurent Mosar, dem parlamentarischen Berichterstatter zum neuen Pressegesetz, das am kommenden Donnerstag votiert werden soll
Am kommenden 13. Mai um 9 Uhr wird Zentrumsabgeordneter Laurent Mosar den Bericht des von ihm präsidierten Parlamentsausschusses für Medien und Kommunikationen zum Gesetzesprojekt 4910 über die Ausdrucksfreiheit in den Medien im Plenum der Abgeordnetenkammer vorgetragen. Nach der anschließenden Debatte wird es zum Votum über die Vorlage kommen.
Über das neue gesetzliche Regelwerk für die Vierte Macht im Staat unterhielten wir uns mit Präsident-Berichterstatter Laurent Mosar.

“Äußerst zufrieden mit vorliegendem Resultat”

Luxemburger Wort: Wohl selten wurde ein Gesetzesprojekt so ausgiebig diskutiert wie der vorliegende Entwurf über die Ausdrucksfreiheit in den Medien. Wie beurteilen Sie global den nunmehr in der Abgeordnetenkammer zur Abstimmung kommenden Text, der im Vergleich zu der am 5. Februar 2002 von der Regierung eingebrachten Vorlage sowohl seitens des Staatsrates als auch durch die parlamentarische Medienkommission im Laufe der Gesetzgebungsprozedur eine Reihe nicht unwesentlicher Änderungen erfuhr?

Laurent Mosar: Es handelt sich um einen äußerst ausgeglichenen Text, der auf der einen Seite der Pressefreiheit und der freien Meinungsäußerung Rechnung trägt, auf der anderen Seite aber auch die Grundrechte aller Bürger respektiert, wie beispielsweise den Schutz der Privatsphäre und die Unschuldsvermutung.

Für mich selbst stellt der nunmehr zur Abstimmung gelangende Text im Vergleich zum ursprünglichen Projekt eine Verbesserung dar, die aber nicht nur durch die Kammerkommission zustandekam, sondern durch eine ganze Reihe von Gutachten. Es ist schon einzigartig, dass das vorliegende Projekt das Ergebnis von ganz viel Arbeit ist, die wohl von den Autoren des Gesetzes geleistet wurde, aber auch vom Presserat, den Journalistenverbänden, den Berufskammern und schließlich auch vom Staatsrat. Dieser machte in seinem ersten Gutachten eine Reihe fundamentaler Überlegungen, die sich später im definitiven Text wiederfanden.

Beim vorliegenden Gesetzesprojekt handelt es sich um eine gute Symbiose aller Gutachten, und ich bin als Berichterstatter mit dem Resultat äußerst zufrieden.

Breite Konsultation

LW: Wie erklären Sie sich den Umstand, dass es derart lange gedauert hat, ehe es zur Reform des repressiven Pressegesetzes vom 20. Juli 1869 kam?

L. Mosar: Nach meiner Meinung ist die Dauer des alten Gesetzes schon ein guter Teil der Antwort.

Wir ersetzen nunmehr das fast 135 Jahre alte repressive Gesetz durch ein liberales Gesetz mit vollkommen anderer Zielrichtung. Wenn man derart fundamentale Änderungen vornimmt, dann ist es nur normal, eine breite Konsultation vorzunehmen.

Dies führte dazu, dass zuerst umfangreiche Vorarbeiten geleistet wurden. Diese mündeten in ein Vorprojekt ein, das von den betroffenen Berufskreisen ausgiebig diskutiert wurde. Auf der Grundlage von deren Gutachten kam es zum definitiven Gesetzesprojekt, das den klassischen Instanzenweg durchlief.

Daher bin ich der Meinung, dass wenn eine Kritik am Gesetzesprojekt nicht angebracht ist, es dann diejenige ist, man habe sich nicht genug Gedanken über das Gesetz gemacht und es nicht bis ins letzte Detail durchdiskutiert.

Drei große Herausforderungen

LW: Seit Jahren schon und quasi jeden Tag noch mehr leben wir in einer mediatisierten Welt, die im wahrsten Sinne des Wortes den Globus zu einem globalisierten Informationsdorf werden lässt. Worin lagen angesichts dieses Sachverhaltes für den Gesetzgeber die großen Herausforderungen, und konnten diese zufrieden stellend gelöst werden?

L. Mosar: Der Gesetzgeber war mit drei großen Herausforderungen konfrontiert.
Zuerst ging es darum, eine längst überfällige Gesetzgebung an die neuen Zeiten anzupassen, denn bei der Verabschiedung des Gesetzes von 1869 gab es nur eine geschriebene Presse.

An zweiter Stelle galt es zu berücksichtigen, dass Luxemburg mittlerweile über den Weg der Europäischen Menschenrechtskonvention und die Allgemeine Menschenrechtserklärung eine Reihe internationaler Verpflichtungen übernommen hat. Besonders in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention sind verschiedene Verpflichtungen über die Pressefreiheit und die freie Meinungsäußerung festgeschrieben. Dass die luxemburgische Gesetzgebung damit nicht mehr im Einklang stand, spiegelte sich in verschiedenen Urteilen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes wider, wovon diejenigen von Marc Thoma und Rob Roemen die bekanntesten sind.

Drittens ging es darum, auch die audiovisuellen Medien in die Gesetzgebung miteinzubeziehen. Außerdem wurde versucht, die elektronischen Medien, allen voran das Internet, in den Text einzubauen.

Diese drei Herausforderungen wurden auf eine beispielhafte Art umgesetzt, was uns übrigens durch die Europäische Journalistenföderation und Gutachten großer internationaler Medienspezialisten bestätigt wurde. So gelangten beispielsweise anerkannte Experten wie Professor Patrick Wachsmann von der Universität Straßburg und Professor Emmanuel Derieux von der Universität Paris 2 in ihren Gutachten zur Schlussfolgerung, das Luxemburger Pressegesetz werde Modellcharakter für ganz Europa haben.

“Kein ideologisches Projekt”

LW: Zeigten sich bei den Diskussionen in der Parlamentskommission eventuell ideologische Gegensätze, die es zu überwinden galt?

L. Mosar: Absolut nicht. Vielmehr würde ich sagen, dass dies eines jener Projekte ist, wo sich praktisch keine parteipolitischen Gegensätze zeigten. In den äußerst seltenen Fällen, wo es Meinungsverschiedenheiten gab, verliefen diese oft quer durch alle Fraktionen. Es kann also von keinem ideologischen Projekt in die eine oder die andere Richtung die Rede sein.

Vier große Neuerungen

LW: Innovativ ist das neue Pressegesetz, wie ein jeder Interessent feststellen kann, in vielerlei Hinsicht. Welches sind für Sie die wesentlichen Neuerungen?

L. Mosar: Es gibt deren viele. Hervorheben möchte ich an erster Stelle, dass die Rechte und Pflichten der Journalisten festgeschrieben werden. Ganz klar wird auf zwei Rechte hingewiesen, die von fundamentaler Bedeutung für den Journalisten sind . Bei dem einen geht es darum, dass der Beitrag eines Journalisten nicht ohne dessen Zustimmung wesentlich abgeändert werden darf.

Das zweite Recht läuft darauf hinaus , dass ein Journalist, der nicht mehr mit der Ausrichtung (Ligne éditoriale) seines Mediums einverstanden ist, dann die Gewissensklausel anführen kann, um sofort aus dem Verlagshaus ausscheiden zu können und automatisch Anrecht auf Arbeitslosengeld zu haben. Diese Kündigung wird also jener gleichgestellt, wo der Arbeitgeber normalerweise die Verantwortung übernimmt. Aus meiner Sicht handelt es sich hierbei um zwei wesentliche Bedingungen, die es den Journalisten erlauben, die Pressefreiheit auszuüben, und die zugleich die freie Meinungsäußerung garantieren.

Ein ebenso wesentlicher Punkt besteht in der erstmaligen Verankerung des Quellenschutzes in der Gesetzgebung. Demzufolge braucht der Journalist in Zukunft nicht mehr die Identität seines Informanten preiszugeben. Allerdings ist dieser Quellenschutz insofern nicht absolut, als er nicht gilt, wenn der Journalist selbst Urheber oder Komplize einer Straftat ist oder wenn es um schwer wiegende Verbrechen wie Drogenhandel, Geldwäsche oder Terrorismus geht.

Neu und wesentlich ist sodann, dass dem Presserat eine Reihe von Rechten zugesprochen werden. Er wird nicht nur für die Aufstellung eines Deontologiekodexes verantwortlich gemacht, sondern er wird zudem via Beschwerdekommission mit der Überwachung der Einhaltung der Rechte und Pflichten der Journalisten beauftragt. Dadurch erfährt die Rolle des Presserates eine wesentliche Aufwertung.

Von der vierten großen Neuerung wird mehr der Bürger als Leser, Zuhörer oder Zuschauer betroffen, indem das Antwortrecht klar im Gesetzestext reglementiert wird. Es werden Regeln aufgestellt, wie das Antwortrecht ausgeübt werden kann, und zugleich wird dieses erstmals auch für die audiovisuellen Medien verankert.

Informationszugang und Datenschutz

LW: Weist das neue Pressegesetz eventuell auch Schwachpunkte auf oder, andersrum gefragt, was hätte besser gemacht werden können?

L.Mosar: Sicherlich ist man nie hundertprozentig mit jedem Gesetzesprojekt glücklich . Verschiedene Punkte haben wir nicht durch Gesetz geregelt. Dies geschah nicht, weil wir der Meinung wären, dies sei nicht wichtig, sondern vielmehr weil wir zur Erkenntnis gelangten, diese Punkte gehörten nicht ins Pressegesetz.

Zwei Punkte seien diesbezüglich hervorgehoben. Der eine handelt um das Recht des Journalisten auf Zugang zur Information , das für mich auch eine fundamentale Voraussetzung zur Wahrnehmung der Pressefreiheit ist. In einer Motion, die nächste Woche im Zusammenhang mit dem Pressegesetz gestimmt werden dürfte, wird die nächste Regierung aufgefordert, in einem eigenen Gesetz dieses Informationszugangsrecht schnellstmöglich zu regeln.

Ähnliches gilt für den Datenschutz , wo bei der bevorstehenden Reform der einschlägigen Gesetzgebung ebenfalls etliche Sonderbestimmungen für die Journalisten vorgesehen werden müssen, weil der Journalistenberuf anders als andere Berufe ist.

Etwa Überreglementierung?

LW: Mit insgesamt 86 Artikeln stellt das neue Pressegesetz unverkennbar ein sehr ausführliches Regelwerk dar. Wie stehen Sie zu der von verschiedenen Seiten vorgebrachten Kritik, es komme zu einer Überreglementierung der Presse?

L. Mosar: Es wäre durchaus vorstellbar gewesen, bei der Aufzählung und bei der Definition der Rechte und Pflichten der Journalisten nicht unbedingt so weit zu gehen , wie wir es letztlich getan haben.

Daher wird der Regierung in der vorerwähnten Motion angeraten, dass im Falle wo der Presserat seinen Deontologiekodex aufgestellt hat und darin die verschiedenen Rechte und Pflichten der Journalisten definiert hat, diese aus dem Gesetzestext herausgenommen werden können. Prinzipiell bin ich der Meinung, dass man Gesetze nicht überladen , sondern sie bündig halten sollte. Dies war beim Pressegesetz anfänglich nicht der Fall, weil es Bestrebungen von verschiedenen Seiten des Presserates und von Journalistenverbänden gegeben hat, die klar in eine andere Richtung zeigten.

Exemplarischer Dialog, aber …

LW: Als sich der gründlich vorbereitete Gesetzesentwurf auf der Zielgeraden befand, kam es aus gewissen Kreisen zu Störmanövern, um sozusagen in letzter Minute die Verabschiedung der Vorlage durch das Parlament zu verhindern. Wie empfanden Sie die verschiedenen Aktionen, die dem Luxemburger Pressemilieu nicht unbedingt zur Ehre gereichten, und welche Schlussfolgerungen ziehen Sie aus dieser Entwicklung ?

L. Mosar: Klar und deutlich will ich hier sagen, dass man weder der Politik noch allen anderen in die Prozedur implizierten Gremien, wie dem Staatsrat und den Berufskammern , auch nur den geringsten Vorwurf machen kann, weil von allen Seiten exemplarische Arbeit geleistet wurde.

Ich habe volles Verständnis dafür, dass es über ein derart fundamentales Gesetz voneinander abweichende Meinungen geben kann, und dass es nicht immer einfach ist , diese in einem Verband oder im Presserat unter einen Hut zu bringen.

Wir versuchten, in einem exemplarischen Dialog mit allen Vereinigungen und Organismen , die darum baten, mehrmals zu empfangen, um uns eine Meinung zu bilden. Letztendlich übernahmen wir dann aber unsere Verantwortung, weil die Endentscheidung bei der Politik liegt.

Beschreiben möchte ich die Situation damit, dass wenn ein Examen festgelegt ist , auf das sich die einen gut vorbereitet haben, andere jedoch weniger, dann das Examen nicht wegen der letztgenanten Kategorie verlegt werden kann. Wir übernehmen daher am kommenden 13. Mai unsere Verantwortung mit dem Votum des Gesetzes in der Abgeordnetenkammer .

Nicht zuletzt aber will ich die Gelegenheit wahrnehmen, um den vielen Leuten unter den Verlegern und Journalisten, die sich wirklich für die Verbesserung des Gesetzes einsetzten, für ihre modellhafte Mitarbeit zu danken. In diesen Dank seien aber auch all jene eingeschlossen, die vielleicht nicht immer derselben Meinung waren wie die Urheber des Gesetzesprojektes. Wir versuchten jedenfalls ständig, das Projekt in einem möglichst breiten Konsens durchzubringen.

Luxemburger Wort vom 8.5.2004