Lesen Sie an dieser Stelle einen Artikel aus der Tageszeitung “Luxemburger Wort” von Journalist Marc Schlammes. Jean-Claude Juncker: “Wir haben gestern gespart, um heute und morgen investieren zu können.” – “Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben , dass 2004, 2005 und 2006 leichte Jahre werden. Wenn wir jedoch die Bereitschaft dazu aufbringen, werden wir die Herausforderungen meistern.”
mas – Der Endspurt im Wahlkampf 2004 mit den dazu gehörenden Veranstaltungen ist eingeläutet. Auch bei der CSV. Juncker on tour lautet die Formel, die die Parteistrategen für ihren Spitzenkandidaten ausgedacht haben. Elf Mal wird der Regierungschef ans Rednerpult treten und den interessierten Wählern “De séchere Wee” erklären. Auftakt war am Mittwoch im Wahlbezirk Zentrum.
Niederanven am Mittwochabend. Vor dem Centre de loisirs haben Generalsekretär Jean-Louis Schiltz, Bezirkspräsident Claude Wiseler und Geschäftsführer Paul Weimerskirch Aufstellung genommen. Ihre Mienen strahlen ob des regen Andrangs Erleichterung aus.
Drinnen sind derweil fleißige Helfer der lokalen CSV-Sektion und das Gemeindepersonal dabei, zusätzliche Stühle aufzustellen: Anstatt der erwarteten 200 Zuhörer werden rund 350 Interessierte anwesend sein. Der sozialistische Spitzenkandidat aus Steinfort sprach zwei Wochen vorher an gleicher Stätte vor 29 Leuten.
Drinnen im Foyer wartet auch der Hausherr auf die Gäste. Raymond Weydert, Bürgermeister von Niederanven und CSV-Kandidat, schüttelt eifrig Hände, passend zur Parteifarbe trägt er – wie so manche an diesem Abend – eine orange Krawatte.
Der Hauptdarsteller des Abends kommt mit einiger Verspätung. Die Gelegenheit für Bezirksspitzenkandidat Luc Frieden zu erläutern, weshalb es wichtig ist, dass die CSV als Sieger aus den Wahlen vom 13. Juni hervorgeht: “Damit in Luxemburg das bestehende angenehme und sichere Umfeld erhalten bleibt, braucht das Land die politische Kontinuität unter der Leitung von Jean-Claude Juncker.” Die Gelegenheit aber auch, um seine 20 Mitstreiter im Zentrum vorzustellen , begleitet vom artigen Applaus der Anwesenden – besonders für Lokalmatador Raymond Weydert.
Um 20.30 Uhr ist es so weit. Eine kurze aber herzliche Umarmung für Luc Frieden , ein freundschaftlicher Kuss für Erna Hennicot-Schoepges, dann stimmt Jean-Claude Juncker die Besucher ein: “De Walkampf ass amgaang, an et ass gutt datt en ufänkt.”
Es folgen besinnliche Gedanken: Der CSV-Spitzenkandidat erinnert an schicksalsträchtige Tage, die sich in den nächsten zwölf Monaten zum 60. Mal jähren werden : Die Befreiung Luxemburgs vom Nazi-Regime am 10. September 1944, der Beginn der Ardennen -Offensive am 16. Dezember 1944, die Kapitulation des Dritten Reiches am 8. Mai 1945. “Verglichen mit dem, was die damalige Generation durchzustehen hatte, haben wir es heute unendlich einfacher”, kommt er auf den Ist-Zustand zu sprechen.
“Gute Jahre für Luxemburg”
Dabei stellt Jean-Claude Juncker zufrieden fest, dass die zurückliegenden Jahre “gute Jahre für Luxemburg” gewesen seien. “Weil die CSV in dieser Zeit in der Regierungsverantwortung gestanden hat”, liefert er die Erklärung gleich nach. “Die CSV, das sind Leute wie du und ich. Wir sind Menschen aus Fleisch und Blut, mit ihren Schwächen und Stärken”, bringt er dem Publikum seine Partei näher.
Dann lässt Juncker die Legislaturperiode Revue passieren. “Es waren fünf andere Jahre”, bilanziert der Premierminister. “Wir sind in die Normalität zurückgekehrt.” Das hätten u. a. schmerzvolle Erfahrungen wie die Geiselnahme von Wasserbillig oder der Luxair-Absturz von Niederanven gezeigt. Vor allem aber die wirtschaftliche Verlangsamung.
Wobei sich herausgestellt habe, dass die von der politischen Konkurrenz oftmals als falsch hingestellte Finanzpolitik letztlich richtig gewesen sei. “Wir haben gestern gespart, um heute und morgen investieren zu können”, habe sich die Budget- und Finanzpolitik des Tandems Frieden-Juncker bestätigt.
Hohes Investitionsvolumen – im Gegensatz zu den drei Nachbarn, die in Rezession verfallen seien -, Erschließung neuer Märkte – u. a. mit China, wo nebenbei auch über Menschenrechte geredet werde -, Schaffung der Uni Lëtzebuerg – eine gewaltige Sache, die Erna Hennicot-Schoepges realisiert habe -, eine geschickte Finanzdiplomatie – die gut für Luxemburg und die Europäische Union sei -, eine vernünftige Budgetpolitik – “2003 konnte trotz schwieriger Voraussetzungen mit einem Plus von 76 Millionen Euro abschließen” -, Förderung der Kulturpolitik – “Investitionen in Kulturstätten sind so wichtig wie Supermärkte und Tankstellen an den Grenzen”: Kapitel für Kapitel behandelt der Premierminister die Arbeit der Regierung unter der Regie der CSV.
“Um jeden Arbeitsplatz kämpfen”
Länger hält sich der Redner mit zwei Themen auf: die Situation am Arbeitsmarkt , wo er mit Nachdruck betont, dass “wir um jeden Arbeitsplatz kämpfen” , dass “jeder, der eine Arbeit sucht, auch eine Arbeit annehmen muss”, dass “Beruf und Familie in Einklang gebracht werden müssen” und dass “neue Modelle von Arbeitszeitorganisation nötig sind.”
Und das Thema Flüchtlinge: Verfolgte Menschen würden in Luxemburg immer Aufnahme finden, unterstreicht Juncker. “Abgewiesene Antragsteller müssen jedoch in ihre Heimat zurückkehren”, räumt er im gleichen Atemzug ein. Auch wenn die Lebensbedingungen hier um vieles besser seien, könnte Luxemburg nicht die gesamte Last der Armut auf sich nehmen. Allein 2003 sei die Zahl der Asylbewerber um 123 Prozent gestiegen, weist Juncker auf das dramatische Ausmaß der Problematik hin.
Nach 60 Minuten der Schlusssatz: “Wir dürfen uns nicht der Illusion hingeben , dass 2004, 2005 und 2006 leichte Jahre werden. Wenn wir jedoch die Bereitschaft dazu aufbringen, werden wir die Herausforderungen meistern.” Die sichtlich zufriedene Zuhörerschaft quittiert die Rede des Regierungschefs mit einer stehenden Ovation.
Es bleibt die Zeit für ein paar Fragen. Fragen, die der Premierminister als willkommene Vorlagen aufnimmt, um Klartext zu reden. Er gibt ein klares Bekenntnis zum Doppelpass ab, mit dem “wir nichts verlieren”, bezeichnet die heutigen Baulandpreise als “skandalös” und kündigt für 2005 eine Spekulationssteuer an, beruhigt vor dem Hintergrund der Gefahr des Terrorismus: “Wir greifen ein, ehe etwas passiert.”
Schließlich die Frage, mit wem er nach dem 13. Juni “De séchere Wee” gehen wolle. “Wir sind gewillt, diese Wahlen zu gewinnen und Erster zu werden”, stellt der Premierminister unmissverständlich klar. Dann werde es wohl eine Partnerschaft mit den Liberalen oder den Sozialisten geben. Ebenso unmissverständlich bekräftigt er seine Haltung gegenüber dem ADR: Für eine Koalition mit dem Aktionskomitee sei er nicht zu haben.