CSV-Profil im Gespräch mit Ministerin Erna Hennicot-Schoepges
Profil : “Frau Ministerin Erna Hennicot-Schoepges, Sie tragen in der Regierung Verantwortung für das Bautenministerium sowie das Kultur-, Hochschul- und Forschungsministerium. Die Legislaturperiode nähert sich ihrem Ende. Sind Sie mit der Erreichten zufrieden?”
Erna Hennicot-Schoepges: “Wenn zufrieden heißen würde, es bleibe nichts mehr zu tun, dann gewiss nicht. Einiges ist mir geglückt und darüber bin ich natürlich zufrieden.”
Profil: “Das Nationale Sport- und Kulturzentrum auf Kirchberg ist seit zwei Jahren funktionsfähig. Neumünster wird in wenigen Wochen eröffnet. Wie ist der Stand der Arbeiten an den anderen großen Kulturinfrastrukturen, die sich augenblicklich im Bau bzw. in Planung befinden?”
Erna Hennicot-Schoepges: “Bei größeren Bauten kann man nichts Endgültiges ankündigen, es sei denn erlaubt, etwaige Schwierigkeiten bei den Ausschreibungsverfahren auszuklammern. Der Reihe nach wird wohl das Festungsmuseum Anfang 2005 fertig werden. In der Philharmonie findet das Eröffnungskonzert im Juni 2005 statt, ebenso in der Rockhalle, wo die Fête de la Musique 2005 eingeleitet wird.
Beim MUDAM dem Musée d’art moderne Grand-Duc Jean – wird mit Frühjahr 2006 gerechnet.
Das Centre national de l’Audiovisuel wird auch um diese Zeit bezugsfertig sein. Die erste Rotonde dürfte Ende 2004 fertig sein.
Zu den übrigen Bauten wie Nationalarchiv und Nationalbibliothek sind Daten zur Zeit verfrüht.”
Kultur schafft Arbeitsplätze
Profil: “Vor dem Hintergrund der wirtschaftlich schwierigeren Lage sind Stimmen laut geworden, die das Ausgabenniveau für Kultur, insbesondere im infrastrukturellen Bereich, zurückschrauben wollen. Schafft Kultur keinen Mehrwert?
Erna Hennicot-Schoepges: “Es ist etwas kurzsichtig, die Kultur und die dazu notwendigen Infrastrukturen in die Kategorie der überflüssigen einzustufen. Kultur schafft auch Arbeitsplätze. Ein Arbeitsplatz im direkten Kulturbereich zieht ein bis zwei Arbeitsplätze in Nebenbereichen mit sich; unsere Infrastrukturen werden Besucher anziehen und stellen so ein Entwicklungspotenial für die Gesamtwirtschaft dar.”
Profil: “Als Bautenministerin können Sie den Vergleich ziehen. Welchen Anteil haben die Kulturbauten an den Gesamtausgaben im Bereich der öffentlichen Investitionen?”
Erna Hennicot-Schoepges: “Über das Bautenministerium wurden von 2000 bis 2004 2,9 Milliarden Euro (117 Mia Luf) Ausgaben getätigt, das sind 71,6 % der Gesamtinvestitionsausgaben des Staates. Davon sind 2,6 % der über die Investitionsfonds getätigten Ausgaben für Kulturbauten. Rechnet man auch die anderen Ausgaben für regionale Kulturinfrastrukturen hinzu, so beträgt das Gesamtvolumen der Ausgaben für Kulturbauten 3,3 % des Budgets.
Im Vergleich: 28% für den Bereich Gesundheit und Familie, 23% für die großen Straßenbauprojekte, 10% für die Schulen.”
Profil: “Ein großes internationales Rendezvous wirft seinen Schatten voraus: Luxemburg, europäische Kulturhauptstadt 2007. Dabei wurde auf die Einbindung der Großregion geachtet. Wie ist der Stand der Planungen? Liegen bereits konkrete Ideen und Konzepte vor?”
Erna Hennicot-Schoepges: “2007 würde ich nicht als « Schatten » sehen, sondern als Aufbruch für die Großregion. Diese Woche hat die Brüsseler Jury uns zu unserem verfeinerten Programmvorschlag beglückwünscht. Wir werden am 27. April die nationale und die überregionale Presse über den Stand der Arbeiten informieren, die planmäßig und vorzüglich vorangehen.”
Uni Lëtzebuerg: “Ein echtes Zukunftsprojekt”
Profil: “Die Uni Lëtzebuerg hat im vergangenen Sommer ihren gesetzlichen Rahmen erhalten. Sie haben sich mit großem persönlichem Engagement für ihre Schaffung eingesetzt. Weshalb dieser Einsatz für eine Universität in Luxemburg?”
Erna Hennicot-Schoepges: “Es schien mir wichtig, ein echtes Zukunftsprojekt in die Wege zu leiten. Die Universität wird uns als Standort für das “Zeitalter des Wissens” auf die Landkarte bringen. Eine Universität soll die bereits begonnenen Ansätze in der Forschung stärken. Sie soll für so manchen Wirtschaftszweig wie z.B. den Bankplatz, warum nicht auch die Stahlindustrie, neue Dynamik durch die Entwicklung neuer Produkte bringen. Luxemburg hat mit dem europäischen Gerichtshof die einmalige Chance, im Rechtswesen an der Universität attraktive Studienzyklen anzubieten.
Seit 1999 in Bologna beschlossen wurde, das europäische Hochschulwesen umzukrempeln, war mir klar, dass wir nicht weiterhin außen vor stehen könnten.”
Forschung: Schwung nicht abbremsen
Profil: “Neben Ihrem Einsatz zur Schaffung der Uni Lëtzebuerg war ein weiterer Schwerpunkt Ihrer politischen Aktion im Hochschulbereich der Ausbau der Forschung …”
Erna Hennicot-Schoepges: “Wir sind zurzeit bei 0,3% für die staatlich geförderte Forschung. Das in Lissabon gesteckte europäische Ziel ist 1% des BIP für öffentliche Forschung und 2% seitens der Privatwirtschaft. Wir haben das in dieser Legislaturperiode gesteckte Ziel erreicht, die Kredite sind von 28 Mio Euro auf 71 Mio Euro angestiegen. Wir dürfen jetzt den Schwung nicht abbremsen. Dazu gibt es aber eine Bedingung, und die ist höchstmöglichste Qualität. Wir können uns nur durchsetzen, wenn wir Hervorragendes leisten.”
Profil: “Sie haben mehrmals bedauert, dass zahlreiche luxemburgische Forscher im Ausland tätig sind. Glauben Sie, dass die Uni Lëtzebuerg auch luxemburgische Forscher anziehen wird, die augenblicklich im Ausland tätig sind?”
Erna Hennicot-Schoepges: “Die Universität wird gewiss bessere Rahmenbedingungen für unsere Forscher schaffen. Das soll aber nicht heißen, dass unser bewährtes System mit vielen Studenten und Forschern an ausländischen Universitäten zurückgeschraubt werden soll. Die Reform der Studienbeihilfen im Jahre 2000 hat auch die Doktoranden mit einbezogen, was bis dahin nicht der Fall war.”
Profil: “Frau Ministerin Hennicot, Sie haben den Bau wichtiger und dringend benötigter Gebäude in die Wege geleitet: Cité Judiciaire, Rehazenter, Staatslaboratorium … All diese Infrastrukturen haben etwas gemeinsam: eine lange Vorgeschichte, die sich z.T. auf 20 Jahre beläuft. Kann die Zeitspanne zwischen den ersten Planungen und dem Baubeginn nicht beschleunigt werden?”
Erna Hennicot-Schoepges: “Bei den meisten Großbauten nimmt die Standortfindung die meiste Zeit ein. Die eigentliche Bauzeit vom Beginn der Baustelle bis zur Fertigstellung beträgt in der Regel keine übertriebene Zeitspanne.
Zeitaufwändig ist ebenfalls die Erstellung des Bauprogramms. Bei den Schulen haben wir in Zusammenarbeit mit dem Erziehungsministerium standardisiert, d.h. ein für allemal ist festgesetzt, wie groß die Klassensäle, die Ateliers und die Sportinfrastrukturen sein sollen. Mit dem « plan sectoriel lycées » dürfte auch die Standortfrage leichter zu klären sein. Bleibt dann noch die Frage des Grundstückerwerbs und die kann schwierig sein und manchmal sehr viel Zeit kosten.”
559 Millionen Euro für Schulneubauten
Profil: “Eine Priorität in der Regierungserklärung von 1999 war der Neu- und Ausbau der Schulinfrastrukturen. Wie ist der Stand der Dinge?”
Erna Hennicot-Schoepges: “In dieser Legislaturperiode wurden für 559 Mio Euro Schulneubauten gestimmt, das sind mehr als in der Zeit zwischen 1984-1999, wo über 3 Legislaturperioden für 547 Mio Euro Projekte verabschiedet wurden.”
Profil: “Luxemburg übt im ersten Halbjahr 2005 die europäische Ratspräsidentschaft aus. Ist Luxemburg, das eine Reihe von EU-Institutionen und Verwaltungen beherbergt, auf diese Herausforderung sowie auf die EU-Erweiterung vorbereitet?”
Erna Hennicot-Schoepges: “Die Infrastrukturen für die europäischen Institutionen konnten in dieser Legislaturperiode definitiv verabschiedet werden. Das war eine große Herausforderung, zumal die Wünsche des Öfteren dazu führten, dass bestehende Pläne, wie z.B. beim Konferenzzentrum, wieder abgeändert werden mussten. Wenn es zu Zwischenlösungen kam, dann weil keine fertigen, mit den Institutionen endgültig abgesprochenen Pläne vorlagen. Das haben wir nun geschafft! Der neue Europäische Gerichtshof ist im Bau und es wurde ein Gesetz verabschiedet für den Neubau des Parlaments. Die neue Europaschule ist ebenfalls in Planung, mit dem Standort Mamer. Vorerst wären damit gute Perspektiven in Sicht.”
Landesplanung im politischen Konsens
Profil: “Bevölkerungszunahme, Konzentration der wirtschaftlichen und anderer Tätigkeiten auf Luxemburg-Stadt, Grenzgänger, Transit …, Luxemburg ist mit einem Mobilitätsproblem konfrontiert. Vor diesem Hintergrund hat das Bautenministerium aktiv an der Ausarbeitung des Integrativen Verkehrs- und Landesplannungskonzeptes (IVL) mitgearbeitet.”
Erna Hennicot-Schoepges: “Nachdem Sie das Mobilitätsproblem angesprochen haben, möchte ich zuerst erwähnen, dass wir mit dem Ausbau des Informationszentrums CITA auf den Autobahnauffahrten bis 2007 immerhin eine verbesserte Information haben werden. Unser Mobilitätsproblem kommt letztlich auch daher, dass alle zur gleichen Zeit an denselben Ort wollen. Außerhalb der Spitzenstunden ist das Mobilitätsproblem, vom Straßennetz her betrachtet, nicht unüberwindbar.
Es gilt nun, mit der Planung, so wie sie im IVL in Übereinstimmung mit dem Transport-, dem Innen- und dem Umweltministerium vorgesehen ist, weiterzumachen.
Immerhin hat das Expertenteam die « tangente ouest » bei gleichzeitigem Rückbau der Mamertalstrecke und den Ausbau der A6 auf 3 Spuren festgehalten. Vorschläge, die ich bereits im Sommer 2000 dem Regierungsrat unterbreitet habe.
Wenn es gelingen würde, im politischen Konsens die Landesplanung so zu gestalten, wie in diesem erstmaligen gemeinsamen Entwurf von 5 Ministerien vorgeschlagen wird, dann hätte das Bautenministerium mehr Planungssicherheit und es gäbe manche unnötigen Streitereien über die Notwendigkeit von Strassen nicht. Das würde Zeit und Geld sparen und ein Resultat bringen.”