Erna Hennicot-Schoepges: „Die Universität verbessert unsere Standortvorteile“

Kultur-, Hochschul- und Bautenministerin Erna Hennicot-Schoepges im Gespräch mit dem CGFP-Organ “Fonction Publique”
Braucht unser Land eine eigene Universität? Machen eigene luxemburgische Forschungsaktivitäten einen Sinn? Gibt der Luxemburger Staat zu viel Geld für Kultur aus? Kultur- und Hochschulministerin Erna Hennicot-Schoepges bezieht Stellung.

Fonction Publique: Frau Ministerin, unser Land hat seit vergangenem Herbst seine eigene Universität, über deren Sinn und Zweck im Vorfeld ausgiebig diskutiert wurde. Sie zählen zu den eifrigsten Verfechtern einer solchen Einrichtung. Deshalb die Frage: Braucht Luxemburg wirklich eine eigene Uni und wieso eigentlich?

Erna Hennicot-Schoepges: Bereits 1996 hatte die Regierung ein Gesetz verabschiedet, das aus den verschiedenen Hochschulstrukturen unseres Landes öffentliche Einrichtungen machte. Die Vorbedingungen waren also bereits geschaffen, als 1999 der so genannte “Bologna-Prozess” über die Schaffung eines europäischen Hochschulraums in Gang kam. Es wäre schwierig gewesen, das damals in Luxemburg bestehende Hochschulangebot in diesen Prozess einzubinden. Deshalb also die Überlegung, eine eigene Universität zu schaffen und damit die Standortvorteile Luxemburgs zu verbessern, sowohl was die Forschung als auch die Diversifizierung unserer Wirtschaft angeht.

Uni Lëtzebuerg setzt spezifische Akzente

Fonction Publique: Welches Profil soll die Universität Luxemburg erhalten, sowohl im eigenen Land als auch international?

Erna Hennicot-Schoepges: Es soll eine kleine Universität werden, die sich hauptsächlich auf die Forschung konzentriert, und deren Ausbau beim dritten Studienzyklus ansetzt, also gewissermaßen von oben nach unten erfolgt. Dabei sollen in der Regel drei Diplome angeboten werden: Bachelor, Master und Doktorat. Wir haben auch eine gemeinsame Struktur für den akademischen und den Berufsausbildungs-Bereich geschaffen, was eine Neuheit im europäischen Studienraum darstellt. So bietet die Universität Luxemburg den Studiengang eines “bachelor professionnel” an, der den direkten Einstieg ins Berufsleben ermöglicht, unter bestimmten Bedingungen aber auch für ein weiterführendes Studium anerkannt wird. Vorgesehen ist ebenfalls, von den Studierenden des “Bachelor”-Zyklus zu verlangen, dass ein Teil des Grundstudiums an einer ausländischen Universität erfolgt. Diese Neuerungen machen aus der Universität Luxemburg eine Hochschule, wie es sie in Europa noch nicht gibt – was uns auch von Experten bescheinigt wurde.

Ausbau der Universität soll stufenweise erfolgen

Fonction Publique: Die Universität Luxemburg baut auf bestehenden Hochschuleinrichtungen auf, die vorwiegend am ersten und am dritten Studienzyklus ausgerichtet sind. Dazwischen gibt es aber doch wohl einige Lücken, die gefüllt werden müssen?

Erna Hennicot-Schoepges: In dem Gesetz von 1996 war vorgesehen, dass das “Centre Universitaire” einen ersten und einen dritten Studienzyklus anbieten sollte, nicht aber einen zweiten. Das “Institut supérieur de technologie” bot dagegen bereits ein durchgehendes Studium an. Wenn wir in Zukunft die drei erwähnten Diplome – Bachelor, Master und Dokotor – anbieten wollen, bedeutet das natürlich auch, dass wir eine Bestandsanalyse machen und gegebenenfalls das Angebot ausbauen oder umstrukturieren müssen. Zu diesem Zweck werden die Führungsorgane der Universität Luxemburg einen Vier-Jahres-Plan erstellen, der von der Regierung gutgeheißen werden muss. Was natürlich auch bedingt, dass die Regierung der Universität die nötigen Mittel zur Verfügung stellt, um den Plan in die Praxis umzusetzen. Allerdings verpflichtet diese Vorgehensweise die Universität Luxemburg dazu, ihren Ausbau stufenweise zu betreiben, so dass die Kostenentwicklung leichter in den Griff zu bekommen ist. Die Ängste, das Projekt könnte finanziell zu einem Fass ohne Boden werden, sind demnach nicht berechtigt. (…)

Fonction Publique: Die Universität Luxemburg ist nicht auf einem großen Campus etabliert, sondern auf mehrere Standorte verteilt. Ideallösung oder Kompromiss?

Erna Hennicot-Schoepges: Wir gingen vom Ist-Zustand aus, an den wir aus pragmatischen Gründen anknüpften. Im Moment sind die bestehenden Gebäude brauchbar und gut eingerichtet. In dieser Hinsicht ist das letzte Wort aber noch nicht gesprochen. Der Standort Belval wird genügend Platz für einen eventuellen späteren Ausbau bieten, je nachdem, welche Entscheidung einmal getroffen werden sollte. Allerdings könnte ich mir auch vorstellen, dass die Präsenz einer Universität einen Mehrwert für die Stadt Luxemburg darstellt. Man sollte der Entwicklung nicht vorgreifen, da spätere Standortentscheidungen auch universitätsintern mitgetragen werden müssen. Es gibt viele Universitäten, die auf verschiedene Standorte verteilt sind. Im Zeitalter der globalen Vernetzung dürften die Kommunikationsschwierigkeiten nicht allzu sehr ins Gewicht fallen.

Forschung hat direkten Nutzen für die Wirtschaft

Fonction Publique: Sie sprachen bereits die Forschung an, die als Pendant zur Lehre eng mit dem Hochschulwesen verbunden ist. Sie wird aber auch unabhängig vom Universitätsprojekt seit einigen Jahren stark gefördert. Braucht Luxemburg wirklich eigene Forschungsaktivitäten?

Erna Hennicot-Schoepges: Die luxemburgische Forschungspolitik reiht sich in einen 1985 begonnenen europäischen Prozess ein, bei dem es darum geht, neue technologische Entwicklungen umzusetzen – also eher das, was man als “Research & Development” bezeichnet. 1987 wurden die drei heute bestehenden “Centres de recherche publics” – CRP – geschaffen, öffentlich-rechtliche Einrichtungen, die die Umsetzung dieser Ziele zur Aufgabe hatten. Zusammen beschäftigen sie rund 300 Leute, was der Größe eines mittleren Betriebs entspricht. Sie bieten Dienstleistungen im Interesse der Unternehmen an, können sich aber auch an Forschungsprojekten anderer Institutionen beteiligen. Sie verschaffen sowohl luxemburgischen als auch ausländischen Wissenschaftlern die Chance, ihre Forschungen in einem angemessenen Rahmen zu betreiben. Unsere drei CRP’s haben sich bereits an vielen europäischen Projekten beteiligt, und das mit großem Erfolg.

Zu diesem guten Ergebnis trägt auch der 1999 geschaffene “Fonds national de la recherche” bei, der besonders für national prioritäre Projekte Geldmittel zur Verfügung stellt. Dazu gehören zum Beispiel die Materialanalyse und -forschung sowie Projekte zu solch unterschiedlichen Themen wie der Lebensmittelsicherheit oder der Zukunft Luxemburgs. (…)

Kultur ist Standortvorteil und Beitrag zum Frieden

Fonction Publique: Sie sind Ministerin des Hochschulwesens und der Kultur, aber auch Bauministerin. Als solche sind sie unter anderem für viele Kultur-Baustellen verantwortlich. Manche sagen, es gäbe deren zu viele, das Geld wäre besser in Schulen und Tagesstätten investiert. Was antworten Sie auf solche Vorwürfe?

Erna Hennicot-Schoepges: Sie rufen eine heftige Protestreaktion bei mir hervor, weil dem natürlich nicht so ist. Wenn in die Kultur investiert wird, heißt das ja nicht, dass kein Geld für die Schaffung von Tagesstätten oder Schulen ausgegeben wird, und keine Krankenhäuser gebaut werden. Wir bauen beides, wie es auch die Gewichtung der Investitionen für öffentliche Bauten deutlich macht. Mittlerweile kommen 30 Prozent der Investitionen, die über das Bauministerium laufen, der Errichtung von Tagesstätten, Krankenhäusern, Alten- und Pflegeheimen zugute. Weitere neun Prozent fließen in Schulneubauten. Die Kultur hinkt mit einem Anteil von drei Prozent weit hinterher. Wir haben also nicht zuviel für die Kultur gemacht, sondern nur das, was notwendig erscheint, wenn man Luxemburg mit anderen Städten in der Großregion vergleicht. Es bestand ein großer Nachholbedarf in puncto Kulturinfrastruktur, und wenn die laufenden Arbeiten abgeschlossen sind, können wir uns zwar noch nicht mit den Hauptstädten unserer Nachbarländer, zumindest aber mit Städten wie Metz, Trier oder Saarbrücken vergleichen.

Kultur ist ein Standortvorteil, den unser Land nutzen sollte. Sie ist aber noch viel mehr, da sie dazu dienen kann, das Zusammengehörigkeitsgefühl unserer pluralistischen Gesellschaft zu stärken. Kultur ist eben immer auch ein Beitrag zum Frieden. (…)

Förderung der einheimischen Künstler

Fonction publique: Kulturbauten sind eine Sache, sie mit Leben zu erfüllen, eine andere. Wird es in ein paar Jahren ein kulturelles Überangebot in Luxemburg geben und das Publikum übersättigt sein?

Erna Hennicot-Schoepges: Das Publikum zu finden, ist eine Frage der richtigen Vermarktung. Einer Umfrage zufolge, die das Kulturministerium vor ein paar Jahren durchführen ließ, besuchen 38 Prozent der Luxemburger einmal im Jahr ein Konzert. Es geht also, darum die restlichen 62 Prozent anzupeilen. Zudem können wir unsere Marketingpolitik in Zukunft verstärkt an der Großregion ausrichten, was bisher nicht möglich war, da im Bereich der klassischen Musik neben dem Abonnementverkauf meist nur wenige Plätze für den freien Verkauf übrig blieben.

fonction Publique:
Manche Beobachter unserer Kulturszene bemängeln, dass zuviel Geld in Prestigebauten und große Events gesteckt werde, die einheimischen Kulturschaffenden dagegen zu wenig gefördert würden. Haben sie Unrecht?

Erna Hennicot-Schoepges: Diese Förderung kommt nicht zu kurz. Bereits in der vorigen Legislaturperiode hatten wir das Gesetz über das Künstlerstatut geschaffen, das jetzt eine Anpassung erfährt – die entsprechende Gesetzesvorlage wurde am 1. April 2004 von der zuständigen Parlamentskommission geprüft und für gut befunden. Es ist ein Gesetz, das der sozialen Absicherung der Kulturschaffenden dient, und das somit einen wichtigen Beitrag zur Pflege unseres Kulturlebens darstellt. Ich erinnere auch an das Gesetz über die Musikschulen, das rund 500 Lehrkräften, die früher in einem regelrechten Tagelöhnerverhältnis standen, einen festen Arbeitsplatz verschafft hat. Außerdem haben wir die Verpflichtung eingeführt, 1,5 Prozent des Gestehungspreises neuer öffentlicher Bauten in Kunstwerke zu investieren. Das sind gewaltige Summen, die einheimischen Malern und Bildhauern über neue Aufträge zufließen werden. Diese sollten meiner Meinung nach über den Weg öffentlicher Wettbewerbe vergeben werden, damit eine größtmögliche Transparenz gewährleistet ist.

Lebendiges Luxemburgisch

Fonction Publique: Vor ein paar Wochen wurde der 20. Jahrestag der Schaffung des Sprachengesetzes begangen. Welchen Stellenwert messen Sie der luxemburgischen Sprache in unserer Kultur und Gesellschaft bei?

Erna Hennicot-Schoepges: Die luxemburgische Sprache hat ein solch starkes und intensives Eigenleben entfaltet, dass man eigentlich nicht mehr die Angst hegen muss, es käme zu einem Entwicklungsstillstand, und das Luxemburgische sei bald nur noch eine tote Sprache. Im Gegenteil: Sie wird fast täglich um neue Ausdrücke bereichert. Auch die Nachfrage nach Luxemburgisch-Kursen wächst von Tag zu Tag, und wir müssen sehen, wie sie befriedigt werden kann. Unter anderem denken wir darüber nach, der Universität ein Institut für die luxemburgische Sprache anzugliedern, das Sprachlehrer ausbilden könnte, selbstverständlich aber auch die wissenschaftliche Erforschung und Begleitung unserer Sprache betreiben müsste. (…)

Fonction Publique: Künstler sind ja nicht immer dankbar, und auch als die für kulturelle und andere Neubauten verantwortliche Ministerin haben sie manch harte Kritik einstecken müssen. Ist Ihr Amt nicht doch mitunter recht frustrierend?

Erna Hennicot-Schoepges: Frustriert bin ich nicht, sonst hätte ich schon lange aufgehört. Probleme habe ich nur manchmal mit meiner Auffassung, die Kulturpolitik solle nicht in Kulturinhalte eingreifen, und wenn der Ruf nach dem Minister noch so laut wird. Das wird manchmal zur Gratwanderung, denn nicht alles, was geschaffen wird, gefällt mir persönlich. Ich habe mich aber bewusst zu dieser Haltung entschieden, da ich der Meinung bin, Kunst soll auch zur Diskussion anregen. Und jeder hat ja das Recht zu sagen, was ihm gefällt und was nicht. Die Zeit allein wird zeigen, was große Kunst ist und was nicht.

Fonction Publique: Frau Ministerin, vielen Dank für dieses Gespräch.

Das Gespräch führte Jean-Louis Scheffen, Pressesprecher der CGFP. Das vollständige Interview ist in der Ausgabe von “fonction publique” vom 9. April 2004 erschienen.