Nachhaltigkeit schafft neuen Wohlstand

Gedanken zur Zeit Marcel Oberweis, Professor für Energiewirtschaft an der Universität Luxemburg und Kandidat auf der CSV Liste im Wahlkreis Zentrum: “Die gegenwärtige Entwicklung zeigt mit aller Deutlichkeit, dass wir uns in eine erschreckende Energieabhängigkeit begeben. Wir müssen deshalb alle Schritte in die Wege leiten, einen Umbruch in unserem Denken und Handeln einzuleiten!”

Es fällt umso schwerer, wissenschaftliche Erkenntnisse in politisches Handeln umzusetzen, je unsicherer diese Erkenntnisse und je schmerzlicher die Konsequenzen des sich daraus ergebenden Handelns für die Verursacher sind. Die jüngst an die Öffentlichkeit gelangte Studie des US-Verteidigungsministeriums über die Auswirkungen des Klimawandels schlug wie eine Bombe ein.

Klimawandel, stärkere Bedrohung als der weltweite Terrorismus?

Die Kernaussage der Studie auf einen einfachen Nenner gebracht: Der Klimawandel stellt für die USA eine stärkere Bedrohung dar als der weltweite Terrorismus. Die Studie wurde von Andrew Marshall, seines Zeichen einer der erfahrensten und scharfsinnigsten Denker im Pentagon. Die US-Regierung soll den Klimawechsel nicht nur als wissenschaftliche Debatte betrachten, sondern als ernste Bedrohung für die Sicherheit des Landes und damit der ganzen Erde. Wenn man bedenkt, dass die USA für 25 % des treibhausfördernden CO2 verantwortlich sind, dann kann sich die Brisanz ausmalen. Weltweit wurden 25 Milliarden t CO2 im Jahr 2003 emittiert, die Folgen des Klimawandels sind bekannt und das Internationale Panel für den Klimawandel IPCC wird nicht müde, dies eindringlich in das Gedächtnis der Verantwortlichen zu rufen.

Aufbau einer tragfähigen, auf Nachhaltigkeit ausgelegte Wirtschaft

Die gegenwärtige Entwicklung zeigt mit aller Deutlichkeit, dass wir uns in eine erschreckende Energieabhängigkeit begeben. Wir müssen deshalb alle Schritte in die Wege leiten, einen Umbruch in unserem Denken und Handeln einzuleiten: Der Aufbau der tragfähigen, auf Nachhaltigkeit ausgelegten Wirtschaft, muss unsere gemeinsame Vision für eine überlebensfähige Gesellschaft sein, allein schon aus Verantwortung vor der heranwachsenden Jugend.

Die entscheidende Rolle in dem immer realistischer werdenden Klimawandel spielt der Golfstrom, der für das gemäßigte Klima in unseren Breitengraden und im nördlichen Europa sorgt. Diese gigantische Fernwärmeheizung leitet riesige Mengen von warmen Tropenwasser in den Norden, durch die Erderwärmung jedoch schmelzen nicht die Gletscher sowie das arktische Eis. Der Salzgehalt des vom Golfstrom bis nach Island und Spitzbergen transportierten warmen Wassers verringert sich, die Dichte nimmt ab es kann nicht mehr absinken. Der Golfstrom könnte dementsprechend seine Wirkung verlieren und die Folgen wären für Europa verheerend, der Klimawandel würde sich nicht über Jahrhunderte hinwegziehen, sondern innerhalb kürzester Zeit. Aber nicht nur die Weltmeere verspüren den Klimawandel, nein auch die riesigen Gebiete im Norden Sibiriens und Kanadas setzen derzeit ihre im Permafrost enthaltenen kohlstoffreichen Stoffe sowie Methan frei.

CO2-Allokationsplan zwingt zum Umdenken

Kürzlich hat die Versicherungsgesellschaft “Münchener Rück” in ihrem Statement “Naturkatastrophen 2003 ” mitgeteilt, dass der Hitzesommer im Mitteleuropa 2003 ein wichtiges Indiz für die Zunahme von Wetterextremen ist. Die Hitzerekorde entsprachen klimatologisch gesehen einem 450-Jahres-Ereignis. Bei einer ungebremst fortschreitenden Erwärmung der Atmosphäre könnte eine solche Hitzewelle bereits im Jahr 2020 zu einem nur mehr 20-Jahre-Ereignis werden. Der gesamte Ausstoß an Kohlendioxid in den 15 EU-Staaten beträgt jährlich rund 3,3 Gigatonnen; etwas weniger als ein Drittel (900 Millionen Tonnen) entfällt auf die Strom- und Wärmeerzeugung. Die weltweite Energieversorgung stützt sich zu über 85 % auf die fossilen Energieträger, in nur einem Jahr verbrennt die Menschheit eine Energiemenge, zu deren Aufbau in der Geschichte unseres Planeten 500.000 Jahre erforderlich waren, Tendenz: zunehmend! Weltweit steigt jährlich der Primärenergieverbrauch um 2 %, er wird sich den Prognosen zufolge bis 2035 verdoppeln.

Haben wir etwa den Mund zu voll genommen?

Zur Erinnerung, die Belastung der Atmosphäre mit CO2 wird sich in den nächsten 50 Jahren von derzeit 350 ppm auf 700 ppm erhöhen und im Gefolge wird die Temperatur regional zwischen 1,5°C bis 3°C, möglicherweise um 4,5 °C ansteigen. Im Prozess der Klimaverbesserung und Ressourcenschonung anlässlich der Konferenzen von Kyoto und Johannesburg hat sich Luxemburg als Musterschüler ausgezeichnet. Wir haben unsere Verantwortung übernommen, waren wir doch bereit, die CO2-Emissionen um 28 % zu reduzieren und dies bis 2012 gegenüber 1990. Ebenso haben wir erklärt, den Beitrag der erneuerbaren Energie am Bruttostromverbrauch auf 5,7 % anzuheben und dies bis 2010. Und nun stellt sich das dumpfe Gefühl, wir schaffen es nicht, haben wir etwa den Mund zu voll genommen.

Bis zum 31. März 2004 muss Luxemburg seinen C02-Allokationsplan erstellen, es müssen die Emissionswerte für die industriellen Unternehmen festgelegt werden. Angst macht sich breit, die Betriebe würden ihre Konkurrenzfähigkeit verlieren. Ein zu hoher Ausstoß an CO2 führt zum Mangel an Emissionsrechten, dies wiederum verteuert die Produktion, weil die Unternehmen zusätzliche Emissionsrechte hinzukaufen müssen.
Der Handel mit diesen Emissionsrechten startet in der Europäischen Union am 1. Januar 2005. Es heißt also, den luxemburgischen Industrieunternehmen werden bestimmte CO2-Emissionen in einem festgelegten Zeitraum zugewiesen. Emittiert nun das Unternehmen weniger CO2 aus, kann es die nicht verbrauchten Emissionsrechte verkaufen. Ist die Emission höher, müssen Zertifikate gekauft oder es muss mehr für die CO2-Reduktion getan werden.

Die Volkswirtschaft muss handeln

Um dennoch die angegebene Reduktionsmenge zu erreichen, soll nun der Einkauf an Emissionsrechten aus Ländern, welche ihre Hausaufgabe schon bestens erfüllt haben, durchgeführt werden resp. Projekte zur Reduktion von Emissionen in einem Drittland finanziert werden. Der Allokationsplan beinhaltet die Verpflichtung hinsichtlich der Umweltverschmutzung, konkret mit CO2, die Umwelt muss zu einem knappen Gut erklärt werden, die Volkswirtschaft muss handeln.

In diesem Zusammenhang muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass einige luxemburgische Industriepartner ihre Emissionen in den letzten Jahren stark gedrosselt haben. Die Politik sollte deshalb weitere Umweltschutzmassnahmen finanziell flankieren, denn wer heute in den Umweltschutz investiert, ist sonder Zweifel der Gewinner in der auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Welt. Im selben Atemzug muss hier der Tanktourismus zitiert werden, welcher seit 2001 die rasant steigenden CO2-Emissionen verursacht, die jetzt drohen, das Kyoto-Ziel zu verfehlen. Mittelfristig werden wir aufgrund der EU-Harmonisierungsbestrebungen Abschied von dieser Steuereinnahmequelle nehmen, denn was heute an finanziellen Mitteln eingenommen wird, werden unsere Kinder wieder für die Nichteinhaltung der Kyoto-Werte bezahlen.

Der Klimawandel ist die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts,
vor der die Menschheit steht.

Die gemeinsame Aufgabe heißt, Remedur auf breiter Front schaffen, jeder einzelne Mitbürger soll seine persönliche Verantwortung übernehmen, “seinen” Verbrauch an Ressourcen verringern. Hohe Energiepreise stellen das Ausgangssignal dar, hat nicht die OPEC darauf hingewiesen, dass sie nicht gewillt ist, die Förderquoten zu erhöhen. Es heißt nun die Weichen stellen, wir dürfen nicht noch einmal in die Erdölpreisfalle tappen. Wenn Visionen aufgezeigt werden, wenn eindeutige Ziele angepeilt werden, gehen die Menschen mit, es geht letztendlich um ihre Zukunft. In den industrialisierten Ländern wird das Bewusstsein wachsen, dass die Zeit der Verschwendung sich dem Ende zuneigen muss.

Abschied von alten wirtschaftlichen Verhaltensweisen?

Umweltverträgliches Wachstum verlangt den Abschied von wirtschaftlichen Verhaltensweisen, die die Belange von Mensch und Umwelt außer acht lassen. Das wirtschaftliche Handeln soll die natürlichen Grundlagen, denen wir unser Überleben verdanken, so beanspruchen, dass die langfristigen Umweltinteressen Vorrang vor den kurzfristigen Wirtschaftsinteressen haben.

Und eben hier werden hohe Anforderungen an Dialogfähigkeit und Kompromissbereitschaft an die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft gestellt werden. Gerade in langfristigen Dimensionen muss gedacht werden, wir müssen beweisen, dass wir in der Lage sind, beharrlich Schritt für Schritt voran zu gehen. Die nächste Generation, die jetzt die Schulbänke drückt, wird sich mit einer anderen Form von Wohlstand, dem nachhaltigen und vernetzt strukturierten abfinden müssen, ihr Lebensstil wird stärker geprägt sein, das Gleichgewicht mit der natürlichen Umwelt zu gewährleisten.

Die Leute, die von Umweltmaßnahmen am meisten profitieren, sind die ärmsten der Gesellschaft, und die leben in der Regel in Gebieten, die am stärksten von Problemen wie schlechter Luftqualität oder zerstörten Landschaften betroffen sind. Dies ist ein Appell an ein globalisiertes Denken und nicht nur das Wahren des hiesigen Wohlstandes, ganz gleich, wo Emissionen herkommen, sie betreffen den ganzen Planeten. Und hat nicht Dalai Lama gesagt: “Wir dürfen unseren Planeten nicht zerstören, wohin sollen wir dann gehen, wir haben keinen Ersatz”.

Marcel Oberweis,
Professor für Energiewirtschaft an der Universität Luxemburg
und Kandidat auf der CSV Liste im Wahlkreis Zentrum