Anforderungen an eine moderne Ingenieurausbildung

Eine Reflexion von Marcel Oberweis, Professor Ingenieur an der Universität Luxemburg und CSV Kandidat im Bezirk Zentrum für die Landeswahlen am 13. Juni.

Technik ist Teil unseres Alltags. Wir alle nutzen heute ganz selbstverständlich High-Tech-Geräte, die in den Zukunftswerkstätten der Forscher in Zusammenarbeit mit den Universitäten entwickelt wurden. Dabei sollte nicht vergessen werden, in welchem Masse technische Entwicklungen unser Leben beeinflussen und verändern. Wer die Zukunft mitbestimmen will, sollte sich deshalb der herausragenden Fähigkeiten der Ingenieure und Wissenschaftler bedienen.

Globalisierung betriff viele Lebensbereiche

Unsere Welt ist durch die Globalisierung in vielen Lebensbereichen bestimmt, Industrien und Märkte bilden die Schwerpunkte der Globalisierung, die aufgrund der Leistungen von Technik und Wissenschaft möglich wurde. Die zunehmende Vernetzung der Computerarbeitsplätze und die Verfügbarkeit schneller Informationssysteme bilden eine wesentliche Voraussetzung für die Globalisierung der Märkte. Diese Vernetzung ist mit dem Aufbau der Verkehrsnetze früherer wirtschaftlicher Umbrüche zu vergleichen.
Die Gewinner auf dem globalen Arbeitsmarkt sind die neuen hochmotivierten, hochmobilen, kosmopolitisch orientierten Leistungsträger. Dies sind Menschen, die dafür bezahlt werden, dass sie Probleme identifizieren, Strategien zur Lösung entwickeln und die Probleme lösen. Beschäftigte für Routinearbeiten oder Routinedienstleistungen sind auf dem globalen Arbeitsmarkt überall leicht zu haben. Für diese große Gruppe sieht die Zukunft eher ungünstig aus. Ungelernte und unqualifizierte Arbeiter haben keine großen Chancen mehr.

Schieflage in der Ingenieurausbildung

Der gegenwärtige Mangel an technisch ausgebildeten Universitätsstudenten mit Studienschwerpunkt Energietechnik stellt für die sich in Aufbruchstimmung befindliche Europäische Union, eine bedrohliche Entwicklung dar. Nicht nur werden wir die in Pension gehenden Abgänger der Boomjahre ersetzen können, weitaus schlimmer, es fehlen uns auch die Auszubildenden. Es ist eine alte Weisheit, die besagt, dass nur ein Land, das über eine ausreichende Anzahl Wissenschaftler und Ingenieure verfügt, auf Dauer seine Spitzenstellung im Wachstumsprozess behalten kann resp. ausbauen kann. Gerade das extrem energieabhängige Europa braucht Experten in allen Teilbereichen der Energieversorgung.

Kann sich der Bereich: Telekommunikation und neue Medien noch eines Überhanges erfreuen, so sieht das Bild in den Bereichen: Erzeugung elektrischer Energie, Transport und Verteilung nicht rosig aus. Diese Bereiche werden von den Abiturienten als abgetakelte Wissenschaften nicht bei der Studienwahl zurückbehalten. Jedoch sei die Frage erlaubt, wer soll denn die elektrische Energie für das Betreiben der modernen Kommunikationstechnologien bereitstellen, immerhin weist der Verbrauch an elektrischer Energie mittlerweile Zuwächse von 5 – 6 % pro Jahr in der EU aus. Diese Schieflage ist jedoch in der gesamten EU zu verspüren und allenthalben sind die in Verantwortung stehenden bestrebt, innovative Wege zu beschreiten um Neuzugänge zu gewinnen. Industrievertreter, Ingenieurverbände, Hochschulkonferenzen und Politiker befassen sich mit der Thematik notwendiger Veränderungen in der Ingenieurausbildung.

Vermittlung reinen Fachwissens genügt nicht

Es ist gewusst, dass die Vermittlung reinen Fachwissens innerhalb der universitären Ingenieurausbildung heute weder der globalisierten Arbeitswelt noch den modernen Arbeitsabläufen in der Industrie genügt. Ein zeitnahes Studium muss neben Fachwissen den “Hard Skills” verstärkt Kompetenzen aus dem Bereich der “Soft Skills” vermitteln. Unter den ersteren verstehe ich das system- und problemorientierte Denken, das Verständnis für den gesamten Wertschöpfungsprozess, das betriebswirtschaftliche Denken, gute Marketing-fähigkeiten und Fremdsprachenkenntnisse. Unter den zweiten führe ich folgende Elemente an: Kommunikations- und Teamfähigkeit , Führungstechniken und – verhalten, Fähigkeit, sich schnell neue technische und nichttechnische Sachverhalte anzueignen und insbesondere die Bereitschaft zum “life-long learning”.

Die Fähigkeiten des Ingenieurs weitsichtig zu planen, richtig zu entscheiden, Projekte zügig und rationell durchzuführen, Produkte zu realisieren und Ergebnisse genau zu kontrollieren, werden als Kompetenz definiert. Die wachsende Globalisierung und die sich entwickelnde Wissensgesellschaft erfordern Ingenieure, die demzufolge das technische Know how und vor allem vernetztes Wissen aus mehreren Teilbereichen der Gesellschaft mitbringen.

Hohe Fachkompetenz in einer globalen Gesellschaft

Die Ingenieurausbildung ist eine Investition in die Zukunft, von der der Wohlstand der Gesellschaft direkt abhängt, unsere gemeinsame Aufgabe muss es also sein, die Attraktivität des Ingenieurbildes zu erhöhen und auf die Chancen auf dem Arbeitsmarkt hinzuweisen. Während früher das Faktenwissen im Vordergrund stand, kommt es jetzt stärker auf die Methoden- und Lösungskompetenz an. Die Fakten holt man sich aus den Datenbanken, auf die weltweit zugegriffen werden kann.

Die gesellschaftlichen, sozialen, ökologischen und ökonomischen Bezugspunkte der Technik und des technischen Handelns müssen in die Ingenieurausbildung integriert werden. Die Ingenieurausbildung muss die Befähigung zum Handeln fördern, dies setzt aktivierende und problemorientierte Lern- und Lehrformen voraus, zudem eine Orientierung an der erwarteten realen Ingenieurtätigkeit. Die Beteiligung von Frauen im Ingenieurstudium muss durch eine ganzheitliche, auf die Bedürfnisse der Studierenden abgestimmte Studiengestaltung erhöht werden. Das Studium bedarf des Freiraumes, um sich dem aufdrängenden Wettbewerb im neuen Europa zu stellen.

Eine Menge Kompetenz, die auf Grundlagenwissen und Vertiefungsbereichen beruht

Die Hochschulen wissen das und messen diesen Aspekten eine hohe Bedeutung zu. Die Ingenieurabsolventen, die heute das Audimax und die Laboratorien verlassen und auf den Arbeitsmarkt drängen, haben eine Menge Kompetenz, welche auf einem breiten Grundlagenwissen und Vertiefungsbereichen beruht. An sich bemängeln wir das zu geringe Interesse der Jugendlichen für den Beruf, den Leonardo da Vinci so vorzüglich verkörperte.

Allzu enge Strukturvorhaben in der Hochschule behindern des Öfteren die notwendige Entfaltung, Autonomie und Wettbewerb brauchen wohl Freiheit, bedeuten jedoch auch Verantwortung. Unter der Autonomie verstehe ich die Festlegung von Einzelheiten der Ingenieurausbildung z.B. Ziele und Profile der Studiengänge, angestrebte Qualifikationen, Hochschulzugang, hochschul- und fachspezifische Maßnahmen zur Qualitätssicherung. Der Wettbewerb hingegen verlangt nach Informationen über die jeweils spezifischen Details, um dem Studenten und dem Abnehmer des “Produktes” Transparenz zu bieten. Die Internationalität kann durch viele Bausteine realisiert werden. Dazu gehören sicherlich Auslandaufenthalte, das ECTS-Punktesystem, Stipendien und auch die Anpassung der Struktur der Studiengänge an den Bologna-Prozess.

Das Ziel ist also angepeilt, das hochentwickelte globale System von Technik, Wissenschaft und Wirtschaft muss letztlich dem Wohl der Menschen dienen. Die Realisierung gemeinsamer Werte, der geteilte Wohlstand für alle und die soziale Gerechtigkeit stellen Elemente der künftigen Ingenieurausbildung dar, die Universität Luxemburg wird sich in diesem Prozess voll einbringen.

Marcel Oberweis
Professor Ingenieur an der Universität Luxemburg