Andere Verhaltensmuster entwickeln

Gedanken zur Zeit Marcel Oberweis, Mitglied im CSV-Nationalkomitee und in den CSV Arbeitsgruppe Umwelt und Energie, Entwicklungshilfe und Globalisierung: “Unsere Energie- und Umweltpolitik versteht sich als eine Langzeit-Ökonomie, und damit wird der Umweltschutz eine der tragenden Säulen der zukünftigen Weltwirtschaft. Zu glauben, ohne Umweltschutz am Markt zu bleiben, wird sich über kurz oder lang als ein Trugschluss herausstellen.”

Es zeichnet sich ab, dass die illegale Einwanderung in die europäischen Gefilden nicht durch restriktives Abschotten der Grenzen gestoppt wird, ebenso wenig vermag der Schengener Vertrag keine Wunder bewirken. Sind es nicht die Nachrichten von durstenden Schiffsbrüchigen an den Gestaden Europas und die im Meer treibenden Leichen von Flüchtlingen, die uns immer aufs Neue aufschrecken und uns das Elend dieser Menschen vorzeigen.

Und zugleich sind die europäischen Industrienationen der derzeitigen Konjunkturabschwächung auf qualifizierte Zuwanderer aus der Fremde angewiesen. Es darf aber nicht hingenommen werden, dass die reichen Länder die hochqualifizierten Kräfte aus den weniger entwickelten Staaten weglocken, dies wäre eine neue Form des Kolonialismus.

Antworten werden gesucht

Angesichts der Erweiterung der Europäischen Union hin zu den Ländern Mitteleuropas, sind wir gut beraten, die finanziellen Mittel zum Demokratisierungsprozess und zur Entwicklung der Wirtschaft bereit zu stellen, damit die Menschen ihre Kraft und ihr Können dort investieren. Normalerweise verlassen die Menschen ihre angestammte Heimat nicht aus einer Laune heraus oder aus purer Abenteuerlust. Vielmehr zwingt der blanke Hunger und die große Armut sie, sich in die Hände von Schlepperbanden zu begeben.

Machen wir uns nichts vor, die wachsende Weltbevölkerung wird, falls kein einschneidende Kursänderung vorgenommen wird, größere soziale Unruhen und Umweltprobleme ungeahnten Ausmaßes hervorrufen. Dem Ziel der UNO, die Armut weltweit bis 2015 zu halbieren, muss deshalb dringend eine größere Beachtung entgegen gebracht werden. Die Welt durchlebt eine globale ökologische Krise, die allen gemeinsam ist, und eine ökonomische Krise, die deutlich unterschiedlich verteilte Akzente aufweist. Eine sinnvolle Antwort als Lösung zu dieser aktuellen Krise kann nur diejenige sein, die einerseits mittelfristig den Gegenwartsproblemen und andererseits langfristig den Bedürfnissen künftiger Generationen Rechnung trägt.

Mittelfristig wird von uns um der Gerechtigkeitswillen verlangt, dass wir die Wende im Ressourcenverbrauch einläuten, vermehrt auf Wissen und Können von Individuen, der Wirtschaft, der Politik und der Gesellschaft setzen. Langfristig ist ein energie- und umweltpolitischer Strukturwandel erforderlich, wir werden Abschied von wirtschaftlichen Verhaltensmustern nehmen müssen, die die Belange von Mensch und Umwelt außer acht lassen. Erinnert sei an dieser Stelle, dass nahezu fünf Mrd. Menschen in der Dritten Welt und in wenigen Jahrzehnten einige Mrd. zusätzliche Erdenbürger, zurzeit kein größeres Ziel vor Augen haben, als unseren ökologisch katastrophalen Wirtschaftsstil zu kopieren, also das besitzen möchten, was wir doch selbst so schätzen und mit Klauen verteidigen.

Die derzeitige Lebensweise der Menschen in den Industrienationen stellt kein gutes Vorbild dar. Wird sie von den Entwicklungsländer ohne Abstriche übernommen, läuft die Menschheit insgesamt Gefahr, sich ihrer eigenen natürlichen Lebensgrundlagen zu berauben. Wenn China und Indien nur 20 % des Energieverbrauchs der industrialisierten Länder beanspruchen werden, werden wir schnell merken, dass die fossilen Energieträger sich schnell ihrem Ende zu neigen und wir auf die erneuerbaren Energien umsteigen müssen.

Das Teilen mit Anderen ist angesagt

Zu den Risiken der Globalisierung zählt, dass die weltweiten Güterströme mit einer verstärkten Nutzung der natürlichen Ressourcen einhergehen. Die Weltbevölkerung wächst, die Ressourcen der Erde und ihre Aufnahmefähigkeit sind begrenzt. Der mit der Globalisierung einhergehende Struktur- und Mentalitätswandel im Hinblick auf die nachhaltige Entwicklung ist auf Dauer nur tragfähig, wenn wir unsere natürlichen Lebensgrundlagen vor Beeinträchtigungen oder der Vernichtung schützen. Unsere Energie- und Umweltpolitik versteht sich als eine Langzeit-Ökonomie, und damit wird der Umweltschutz eine der tragenden Säulen der zukünftigen Weltwirtschaft. Zu glauben, ohne Umweltschutz am Markt zu bleiben, wird sich über kurz oder lang als ein Trugschluss herausstellen.

Es leuchtet angesichts der Erkenntnisse ein, dass wir uns, ob wir es nun wollen oder nicht, in ein Jahrhundert der Umwelt begeben. In diesem wird jeder, der sich Realist nennt, gezwungen, seine Handlungsweise als Beitrag zum Erhalt der Umwelt zu rechtfertigen. Wenn die derzeitige Plünderung unseres Planeten noch zwei oder drei Jahrzehnte wie bisher anhält, werden wir die Lebensgrundlagen so verändert haben, dass ein Zurückrudern keinen Sinn mehr ergibt. Was wir deshalb brauchen, ist die Vision eines ausgewogenen und verantwortungsvollen Fortschritts aber mit ökologischem verantwortbarem Antlitz.

Der zukunftsfähige Mensch muss das Teilen wieder lernen, jeder einzelne Mitmensch muss über ein “minimum requirement” an Energie, Nahrung, Trinkwasser, Infrastruktur, Ausbildung, Arbeit und Altersversicherung verfügen. Wir können es uns auf Dauer nicht erlauben, dass 30 % der reichsten Länder 86 % des “allumfassenden Verbrauchs” für sich beanspruchen, derweil 20 % der ärmsten Länder mit 1,3 % abgespeist werden. Müssten wir nicht endlich zur Einsicht gelangen, dass es Zeit wird, diese “brennenden” Probleme resolut anzugehen, besonders angesichts der traurigen Tatsache, dass zurzeit 1,3 Milliarden Menschen nur über ein Einkommen von einem US-Dollar pro Tag verfügen. Werden wir hier nicht umdenken, dann werden die Völkerströme aus den Entwicklungsländer nicht abnehmen, sondern noch verstärkt anschwellen.

Die Rahmenbedingungen müssen sich ändern

Die Bekämpfung der Armut und die nachhaltige Entwicklung sollen letztendlich dazu führen, dass der Graben zwischen dem reichen Norden und dem armen Süden kleiner wird. Die Verwirklichung einer sozial- und umweltgerechten Lebens- und Wirtschaftsweise in den Entwicklungsländern, so lange und schwierig auch dieser Prozess sein mag, eröffnet ungeahnte Gestaltungsspielräume, die wir im Sinne einer gemeinsamen Welt durchführen müssen.

Im Mittelpunkt allen Bemühens steht der Wunsch bis zum Jahr 2015 die extreme Armut ( weniger als 1$ zum täglichen Überleben ) auf der Erde zu halbieren. Der Hunger ist nicht nur das Ergebnis, sondern auch die Ursache von Konflikten und Unruhen ist. Die Tatsache, dass Menschen anderswo hungern, verschafft denen die satt sind, schlaflose Nächte, sie werden sich bewusst, dass die Hungernden teilen möchten.

Die Globalisierung der Märkte muss mit einer Globalisierung der sozialen Gerechtigkeit einhergehen. Nur so wird Frieden auf der Welt dauerhaft zu erreichen sein. Eine wichtige Voraussetzung hierzu besteht ausschließlich darin, alle Länder und alle Menschen am weltweiten Handel (global village) teilnehmen zu lassen sowie alle am technischen Fortschritt und an der Verfügbarkeit von Informationen und Ressourcen zu beteiligen.

Die Politik ist gefordert

Das an sich größte Problem bei der Umsetzung des nachhaltigen Konzeptes liegt allerdings in der mangelnden Bereitschaft der Industrieländer, ihre Produktions- und Konsummuster so zu verändern, dass der weltweite Raubbau an der Natur verringert werden kann. Wenn die Reichen die bisher eingeschlagene Marschrichtung nicht radikal durch neue Verhaltensmuster ändern, werden sie unweigerlich einen friedensbedrohenden Zustand mit unbekanntem Ausgang heraufbeschwören.

Die Politik ist gefordert, mit den Menschen in unseren Breitengraden muss über die global vernetzten Zusammenhänge nachgedacht werden. Es macht keinen Sinnen, Barrieren aufzustellen, Menschenmassen hält damit nicht auf; vielmehr müssen wir alle Kraft in das Wagnis einbringen, eine gerechtere Welt aufzubauen. Nur wenn alle im Gleichklang einstimmen, werden wir die harmonischen Töne anklingen lassen und könne die Wege zur Besserung aufgezeigt werden. Wirtschaftliche Defizite mögen wohl die heutigen Schlagzeilen darstellen, ökologische Defizite und Ungerechtigkeit jedoch unser Leben und das der kommenden Generationen schwer belasten.

Marcel Oberweis