Bilanz der scheidenden Präsidentin

Als scheidende Nationalpräsidentin zog Erna Hennicot-Schoepges mit einem eher philosophischen Unterton eine Bilanz ihrer achtjährigen Amtszeit. Die Politik sei ein schwieriger Weg, der viel Toleranz, Selbstkritik und Mannschaftsgeist verlange und mit viel Großzügigkeit in der internen Auseinandersetzung beginne. Sie habe jedenfalls ihr Bestes getan und dies mit vollem Einsatz. Freude und Enttäuschung seien dabei miteinander einhergegangen, doch zähle letztlich im Grunde genommen nur das Resultat.

Auf die CSV, die sich selber treu blieb, sei weiterhin Verlass, betonte Erna Hennicot-Schoepges. Sie wies in diesem Zusammenhang auf die Beibehaltung des C im Parteinamen hin, was eine neue und bleibende Verpflichtung gegenüber christlichen Prinzipien bedeute. Toleranz, Respekt und Solidarität bleiben jene Grundwerte, für die sie weiter einstehen und kämpfen wolle.

Kapitelweise ging Erna Hennicot-Schoepges alsdann die verschiedenen Bereiche durch, in denen es zu Akzentsetzungen seitens der CSV kam: Frauenpolitik (“CSV ist einzige Partei mit Quotenregelung für Frauen”), Finanz- und Steuerpolitik (“Mit Jean-Claude Juncker und Luc Frieden ist diese Politik in guten Händen und besteht Gewissheit für Weitsicht, Sorgfalt und Vorsicht”), Rentenpolitik (“Auf diesem Gebiet setzte die CSV in ihrer ganzen Geschichte Meilensteine” – “Mit den Konvergenzkriterien zwischen öffentlichem und privatem Sektor tat die Politik insgesamt, aber auch meine Partei sich schwer” – “Die CSV darf nie damit einverstanden sein, dass die Politik sich ihrer Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen entzieht”), Bildungspolitik (“Wir brauchen uns auf diesem Gebiet keine Lektionen erteilen zu lassen, denn viele CSV-Minister waren ihrer Zeit voraus mit Reformen und Neuerungen” – “Zusammen mit der LSAP setzten wir die Beibehaltung der Religionskurse in den öffentlichen Schulen durch”), Familienpolitik (“Seit jeher ein Grundanliegen der CSV, die hier nicht auf die Bremse tritt” – “Der Vielfalt der neuen Formen des Zusammenlebens muss mit der Festlegung von Rechten und Pflichten Rechnung getragen werden”), Bioethik (“Gewaltige ethische Herausforderungen stehen an, bei denen die CSV mit ihren Grundwerten wieder in die Offensive gehen muss”) und Landesplanung (“In diesem Bereich entwickelt die CSV Zukunftsvisionen und auch eine konkrete Antwort auf das Gespenst des 700 000-Einwohnerstaates”).

Schlussfolgernd meinte Erna Hennicot-Schoepges, eigentlich müsste die gesamte Partei sich in einer Aufbruchstimmung befinden, dies umso mehr, als es die Zeit der C-Parteien sei, wie es die Wahlergebnisse in Deutschland, Österreich und den Niederlanden zeigen.

Mit einer stehenden Ovation bedankten sich die Kongressdelegierten bei der scheidenden Parteipräsidentin für die geleistete Arbeit. Generalsekretär Jean-Louis Schiltz bescheinigte ihr, in einer “Mission accomplie” die gesteckten Ziele erreicht zu haben, nicht dem Zeitgeist verfallen zu sein und stets ein offenes Ohr gehabt zu haben.

Premierminister Jean-Claude Juncker schloss sich diesen anerkennenden Worten an die Adresse von Erna Hennicot-Schoepges an, der zum Abschied Blumen und ein großes Gemälde überreicht wurden.

(aus Luxemburger Wort 20.01.03)