Fragen an Marie-Josée Meyers-Frank zur aktiven Sterbehilfe

Die aktive Euthanasie ist und bleibt für die CSV ausgeschlossen
Befürwörter der aktiven Sterbehilfe werten diese als Anspruch auf eine verantwortliche Selbstbestimmung am Lebensende, als Zeichen individueller Freiheit. Inwieweit können Patienten heute bereits auf ihre Therapie Einfluss nehmen?

Viele Menschen haben Angst vor dem Sterben, und vor allem vor einem qualvollen Tod. Liegt die Lösung aller Probleme in dem künstlich herbeigeführten Tod? Liegt die Freiheit des Menschen in einer tödlichen Spritze oder in ebenso tödlichen Pillen? Ich denke nicht, dass die Frage nach der Art, wie ein menschliches Leben an seinem Ende angelangt, sich auf solch einfache und eigentlich radikale Ansätze reduziert.

Das Krankenhausgesetz von 1998 befasst sich unter anderem mit den Rechten der Patienten. Gemäss Artikel 40 muss der Patient über seinen Zustand informiert werden. Es ist ihm dann überlassen, ob er medizinische Eingriffe, Diagnosen oder Therapien annimmt, oder diese ablehnt. Patienten haben also durchaus das Recht, rein lebensverlängernde Massnahmen abzulehnen. Viele Menschen fürchten sich davor, im letzten Lebensabschnitt an Maschinen angeschlossen zu sein und von ihnen künstlich am Leben gehalten zu werden. In Würde zu sterben bedeutet in erster Linie, frei von Maschinen eines natürlichen Todes zu sterben.

Patienten haben auch Anspruch auf eine angemessene Schmerzlinderung oder -therapie. Demnach ist der Arzt nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, die Schmerzen des Patienten durch eine wirksame Therapie zu lindern und ihm diese nach Möglichkeit ganz zu nehmen, auch wenn dies eine Verkürzung des Lebens mit sich bringt. Unsere Gesetzgebung erkennt also formell den Patienten eine gewisse Selbstbestimmung zu. Das einzige, was ein kranker Mensch nicht von einem Arzt verlangen kann, ist, dass dieser sein Leben durch einen präzisen Eingriff beenden soll.

Wie stehen die Ärzteverbände zum Thema Euthanasie?

In der Debatte um die Legalisierung der aktiven Sterbehilfe haben sich das Ärztekollegium (Collège médical) und die Ärztevereinigung AMMD-L geäussert. Beide lehnen eine gesetzliche Regelung der Euthanasie ab. Im Ausland stösst eine solche Regelung ebenfalls auf Ablehnung seitens der Ärzteverbände. Bei der Eröffnung des deutschen Ärztetages Ende Mai diesen Jahres hat der Präsident der deutschen Bundesärztekammer vor einer “ethischen Abwärtsspirale” gewarnt, und die Mediziner dazu aufgerufen, sich “der Entwicklung hin zur Sterbehilfe mit aller Kraft entgegen zu stemmen”. Man findet aber die selben Bedenken bezüglich eines Missbrauchs der Euthanasie. Besonders das Risiko, dass besonders auf ältere, schwer behinderte oder demente Menschen Druck ausgeübt wird, ist in einer materialisierten Gesellschaft, die sich mit Krankheit, Schmerzen und dem Tod schwertut, sollte hier zu denken geben.

Der nationale Ethikrat hat sich bereits 1998, im Vorfeld der parlamentarischen Debatte von 1999 über Euthanasie und Palliativmedizin, gegen eine Legalisierung der aktiven Sterbehilfe ausgesprochen.

Die Tatsache, dass die Hauptakteure, die Ärzte, sich gegen aktive Sterbehilfe äussern stärkt uns in unseren Überlegungen und unserer Haltung gegenüber der Euthanasie. Glauben Sie nicht, dass ein gesetzlicher Rahmen wenigstens für mehr rechtliche Klarheit sorgen würde?

Nein! Nehmen Sie das Beispiel der Niederlande. Seit Anfang der 80er Jahre toleriert man dort die aktive Sterbehilfe unter bestimmten Bedingungen. Seit Mitte der 90er wurde die Euthanasie teilweise entkriminalisiert, heute ist sie gesetzlich erlaubt. In den 80er und 90er-Jahren kam es aber dennoch zu Prozessen, und einige davon sind noch heute vor den verschiedenen gerichtlichen Instanzen anhängig. Man kann also wirklich nicht behaupten, dass ein gesetzlicher Rahmen für mehr Klarheit stehen sollte. Darüber hinaus wissen die Ärzte ganz genau, was sie tun können und was sie unterlassen müssen oder aus rein persönlichen Gründen unterlassen wollen – die therapeutische Entscheidungsfreiheit der Mediziner würde durch Euthanasiegesetzgebung letztlich unnötig eingeschränkt.

Wie steht es mit den schriftlichen Patientenverfügungen?

Als Anhaltspunkt und Orientierung für Ärzte, Pflegepersonal und Familienangehörige kann ich einem Sterbetestament nur zustimmen. Patientenverfügungen legen fest, wie sich ein Mensch das Ende seines Lebens therapeutisch vorstellt – also vor allem, welche Intensität der Behandlung er sich in dem Fall wünscht, dass keine Verbesserung seines Zustandes mehr herbeigeführt werden kann. Diese Verfügungen tragen somit zur konkreten Willensäusserung bei und verstärken das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen.

Sie haben vorher auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Pallativmedizin auszubauen. An welche konkreten Massnahmen denken Sie?

Schmerztherapie und Sterbebegleitung können nur ausgebaut werden, wenn Ärzte und Pflegepersonal auch auf dem Gebiet der Palliativmedizin optimal ausgebildet werden. Diese Ausbildung müssen wir fördern. Ich könnte mir gut vorstellen, dass unser Universitätszentrum (Centre Universitaire de Luxembourg) den praktizierenden Ärzten und dem Pflegepersonal eine solche Ausbildung anbieten könnte.

Darüber hinaus gilt: Palliativmedizin muss als umfassendes Konzept gefördert werden. Schmerztherapie und Sterbebegleitung müssen sowohl im Krankenhaus als auch zu Hause verfügbar sein. Ich begrüsse die Initiative der Regierung, ein Hospiz einzurichten. Nicht jeder hat die Möglichkeit, seinen letzten Lebensabschnitt zu Hause bei der Familie zu verbringen – daher ist ein Hospiz ein geeigneter Ort für rein palliative Betreuung. Palliativmedezin muss auf allen Gebieten unterstützt werden und dies geht nur über der Schaffung eines geeigneten Rahmens, dessen Fehlen den Ausbau der Palliativmedizin im allgemeinen und insbesondere im ambulanten Bereich heute noch sehr erschwert.