„Luxemburg hat Sicherheitsinteresse am Zustandekommen der EU-Erweiterung“

Das “Luxemburger Wort” stellte der luxemburgischen Kommissarin Viviane Reding Fragen über die bevorstehende Vergrößerung der EU, dies mit dem Blick auf die Interessen Luxemburgs. Laut Vorschlag der Europäischen Kommission soll die Erweiterung der 1958 gegründeten Gemeinschaft um zehn Länder womöglich ab 2004 Realität werden.

Luxemburger Wort: “Welche Auswirkungen kann die bevorstehende Erweiterung für Luxemburg haben?”

Viviane Reding: “Luxemburg hat ein Interesse am Zustandekommen dieser Erweiterung, weil Luxemburg an aller erster Stelle der Europäischen Gemeinschaft beitrat, um Sicherheit zu haben. Es war klar, dass Luxemburg nach dem Fall der Berliner Mauer auch seine Verantwortung unternehmen würde, um für die Umsetzung dieser Sicherheit in die Praxis zu sorgen.

Dieser Tage unternahm das großherzogliche Paar einen Staatsbesuch in die Tschechische Republik. Wer Prag gesehen hat, weiß darum, dass diese Stadt von Luxemburgern auf deutsch-römischem Thron aufgebaut wurde. Da wächst wieder zusammen, was zusammen gehört. Es ist einfach hin ein Kontinent, der sich wieder mit sich selbst verwöhnt.”

L.W.: “Sind für Luxemburg keine zusätzlichen Belastungen durch die EU-Erweiterung zu befürchten?”

Viviane Reding: “Ich glaube nicht, denn beispielsweise sind die Beitrittsländer hauptsächlich auf den Anbau von Weizen ausgerichtet, während wir vor allem Milch und Fleisch produzieren. Zu einer Überschwemmung des Marktes dürfte es dort also nicht kommen.

Auch sind unsere Experten der Ansicht, dass die große Befürchtung unter der Bevölkerung, es kamen jetzt Tausende von Arbeitskräften, um uns hier die Arbeit wegzunehmen, nicht Wirklichkeit werden wird. In den Grenzgebieten zu den neuen Mitgliedstaaten dürfte der Verkehr mit Arbeitskräften wohl zunehmen. Ebenso dürfte es bei den Klein- und Mittelbetrieben zu viel Wechselbewegungen kommen.

Luxemburg liegt allerdings weit vom Schuss und wird von dieser Entwicklung nicht betroffen sein.”

L.W.: “Ist der vorgesehene Zeitplan realistisch und ist diese größte Erweiterung in der Geschichte der Union überhaupt zu verkraften?”

V. Reding: “Sie ist zu verkraften, wenn die Bedingungen erfüllt werden. Und diese Bedingungen bestehen darin, dass zuerst versucht werden muss, die Hauptprobleme zu lösen. Würden wir nämlich einfach sagen, alle sollten eben kommen, dann wäre das eine Gefahr.

Daher weist die Kommission auch ausdrücklich darauf hin, dass wir auf jene Länder, die es schaffen können, Druck ausüben müssen. Ebenfalls in diesem Sinne macht die Kommission darauf aufmerksam, dass zwei Länder es bis 2004 nicht schaffen können, und dass es ein Land gibt, das überhaupt noch nicht vorbereitet ist. Diese Warnungen sollten im Interesse Luxemburgs und auch der anderen EU-Mitgliederländer ernst genommen werden.

Was den Zeitplan betrifft, so möchte ich unterstreichen, dass er theoretischer Art ist. Nehmen wir beispielsweise an, ein oder zwei Länder würden den Zeitplan nicht ratifizieren, so wie dies mit dem Referendum in Irland der Fall war, dann wäre er in Gefahr. Wir hängen also in diesem Zeitplan davon ab, dass erstens alle Länder Anstrengungen unternehmen, um die anhängigen Probleme zu lösen, und zweitens danach die Ratifizierungsprozeduren über die Bühne gehen, damit alles so wie vorgesehen klappt.”

(aus Luxemburger Wort 10.10.02 / j-lo)