Überlegungen zur Haushaltsvorlage 2003 von Claude WISELER, Abgeordneter, Vize-Präsident der CSV-Fraktion. Traditionsgemäß stellt die Regierung Anfang August dem zuständigen Parlamentsausschuss sowie der Presse die Eckwerte des im Juli geschnürten Haushaltspaketes vor. Dabei handelt es sich allerdings lediglich um die 3 tragenden Daten der Haushaltsvorlage, nämlich das Total der Einnahmen, das Globalvolumen der Ausgaben – jeweils unterteilt in ordentliche und außerordentliche Einnahmen und Ausgaben – sowie, schlussendlich, den Saldo von Einnahmen und Ausgaben, d.h. den Überschuss oder das Manko der veranschlagten Haushaltsmittel.
Oppositionskritik geht an budgetären Eckwerten vorbei
Budgetminister Luc Frieden nutzte die Gelegenheit der Vorstellung der budgetären Eckwerte, um wesentliche Schwerpunkte dieser Haushaltsvorlage hervorzustreichen und mit konkretem Zahlenmaterial zu belegen. Wie jedes Jahr unterstrich er hierbei, dass es sich bei den angesprochenen Zahlenwerten um eine subjektive Datenauswahl handele und dass der Haushaltvorlage, mit ihren mehr als 800 Seiten, die im September dem Parlament vorgelegt wird, ein ungemein breiteres Schwerpunktspektrum zugrunde liegt.
Von wesentlichem Interesse bei den Ausführungen des Ministers dürfte alsdann vor allem die Analyse des hier erstmals vorgestellten Zahlenmaterials sein, d.h. die Einschätzung der Ausgaben und Einnahmen in der wirtschaftlichen Ist-Situation, sowie die Prognosen für das Jahr 2003, die der Haushaltsvorlage als Vorgaben dienten.
Dass die sozialistische Opposition ihre Fragestellungen auf Probleme der Gesundheitspolitik und der Schulpolitik ausrichtet, die wohl mit Oppositionspolitik etwas zu tun haben, aber sicherlich nichts mit den Eckwerten der Haushaltsvorlage, erscheint simplistisch – um nicht zu sagen abwegig. Die finanziellen Details der von den Sozialisten angesprochenen Politikbereiche sind schließlich noch nicht einmal bekannt. Aber sei’s drum, es ist nun eben auch eine Frage des politischen Könnens, die richtigen Fragen zur richtigen Zeit zu stellen.
Die wirtschaftliche Lage
Um zu wissen, wie viel der Staat ausgeben darf, muss man einschätzen, wie hoch seine Einnahmen sein werden. Das jedoch dürfte bei der heutigen Wirtschaftslage kein einfaches Unterfangen sein.
Als der Haushaltsentwurf für das Jahr 2002 aufgestellt wurde, veranschlagte man ein wirtschaftliches Wachstum von 5,3%. Doch es sollte anders kommen! Die wirtschaftliche Großwetterlage, eingetrübt durch die verheerenden Ereignisse des 12. September verschlechterte sich deutlich. Heute rechnet man für das Jahr 2002 mit einem Wachstum von 3%, was immerhin, im internationalen Vergleich, noch sehr ansehnlich ist (1,5% in den Vereinigten Staaten und 1,4% im europäischen Durchschnitt). Dies hat jedoch als Direktfolge, dass die Steuereinnahmen, mit denen man im Jahre 2003 rechnen kann, und die auf den wirtschaftlichen Resultaten des Jahres 2001 und 2002 fußen (4% respektiv 3% Wachstum des PIB), nicht mehr in der gleichen Höhe zu veranschlagen sind, wie diejenigen die aus den Resultaten des Rekordjahres 2000 (Wachstum von 8,5%) errechnet wurden.
Wir sind also zu einer gewissen “Normalität” zurückgekehrt, obwohl in diesem Lande die “Normalität” sich noch, im internationalen Vergleich, auf sehr hohem Niveau ansiedelt.
Für das Jahr 2003 rechnen sowohl die einschlägigen europäischen Gremien als auch unser statistisches Amt (Statec) mit neuem Wirtschaftswachstum. Den westlichen Nationalwirtschaften wird ein neuer Aufwärtstrend für das 2. Semester 2002 prognostiziert, der alsdann zu Wachstumsrhythmen der Hochkonjunktur zurückfinden dürfte. Ein breit angelegtes Wirtschaftshoch könnte dann unsere Nationalwirtschaft im Jahre 2003 aus der Konjunkturflaute herauslösen. Diese Prognosen für 2003 sind natürlich mit der notwendigen Vorsicht zu genießen, da die Wirtschaftstendenzen in Luxemburg stark von den oft eigenständigen Entwicklungen des Finanzsektors abhängig sind. Das Statec sieht ein Wachstum von über 6%, Eurostat von 5% für das Jahr 2003 vor. Die Haushaltsvorlage ihrerseits visiert – Vorsicht ist notwendiges Gebot – für das kommende Jahr eine Wachstumsquote von 5% an.
Einschreiben in eine mittelfristige Perspektive
Als “vorsichtig” bezeichneten dann auch Finanz- und Budgetminister berechtigterweise diese Vorgaben zur Aufstellung des Haushaltes. In welchem Masse Vorsicht geboten ist, das hat uns die wirtschaftliche Entwicklung der Jahre 2001 und 2002 eindrucksvoll vor Augen geführt. Bei der Aufstellung des Haushaltes für das Jahr 2002 ging man von einem Wachstum von 5,3% aus, um dann auf wahrscheinlich 3% abzurutschen. Vorsichtig, d.h. weder ängstlich noch waghalsig, setzt die Regierung die Politik um, die sie in ihr Koalitionsprogramm eingeschrieben hat. “Le Gouvernement s’engage à poursuivre une discipline budgétaire qui veillera notamment à ce que la progression des dépenses de l’Etat ne dépasse pas, à moyen terme, les limites de la croissance économique”.
Das Einschreiben in eine mittelfristige Perspektive, in einem Wachstumsdurchschnitt, der sich über 4 oder 5 Jahre hinzieht, hat den großen Vorteil, die Finanzpolitik nicht kurzfristigen Konjunkturschwankungen auszusetzen, sondern durch das kontinuierliche, vorsichtige Steigern der Ausgaben, die finanzielle Entwicklung des Staates zu festigen. Konjunktureinbrüche können bei einem derartigen Angehen der Probleme ohne größeren Schaden aufgefangen und mittelfristig ausgeglichen werden. Ein umsichtiges Taktieren in der Haushaltspolitik drängt sich ebenfalls durch die starke Anhängigkeit der Luxemburger Wirtschaft von den internationalen Finanzmärkten und durch die Schwankungsrisiken, welche unsere monolithische Wirtschaftsstruktur in sich birgt, auf. Eine Inflationsprognose von 2% für die Jahre 2002 und 2003 einerseits – relativ niedrig also – und eine Wachstumsrate des Arbeitsmarktes die für 2002 und 2003 auf 3% eingeschätzt wird – also eine wesentliche Verlangsamung gegenüber den 6% des Vorjahres – zeugen von dem vorsichtigen Optimismus der Regierung und deren realistischem Angehen der Finanzprobleme.
Haushalt im Gleichgewicht trotz Steuerreformen
Der Haushalt 2003 charakterisiert sich auch dadurch, dass er im “Gleichgewicht” ist und dass keine zusätzliche Staatsverschuldung eingegangen wird. Auch dieses verantwortungsvolle Haushalten ist bereits seit Jahren in Luxemburg Tradition und demnach fester Bestandteil des nationalen “code de bonne conduite”.
Untersucht man hingegen das Haushaltsgeschehen in unseren Nachbarländern, so stellt man durchwegs fest, dass die Normalität hier eher in zusätzlicher Verschuldung liegt und dass Budgetdefizite zum Alljährlichen gehören. Die Entscheidung von Budgetsinister Luc Frieden, diesen Weg nicht zu gehen, auch wenn man alsdann nicht allen Ministerwünschen – und die sollen recht vielfältig sein – entgegen kommen kann, ist jedoch absolut zu befürworten, da sie die Verschuldungs- und somit die Finanzkapazität des Luxemburger Staates intakt erhält. Diese volle Verschuldungskapazität belässt unserem Land intakte Zukunftspotenzialitäten und trägt zur Finanzierbarkeit größerer Investitionsprojekte, auch bei schlechterer Konjunktur, bei.
Unterstreichen muss man zudem, dass das Wachstum der Einnahmen, das auf 8,22% geschätzt wird, durchaus beachtlich ist, wenn man bedenkt, dass es den Steuerreformen von 2001 und 2002 Rechnung trägt. Erinnern wir daran, dass beide Reformen immerhin mit Steuererleichterungen von rund 750 Millionen Euro zu Buche schlagen (dies bei Totaleinnahmen des Staates von 6,458 Milliarden Euro). Diese Steuererleichterungen haben zweifellos die Aufstellung des 2003-Haushaltes wesentlich erschwert. Dass es trotz allem nicht zu einer Schieflage des Haushaltsprojektes kam, bezeugt, dass sowohl Zeitpunkt als auch Volumen der Steuererleichterungen sich als richtig erwiesen haben, da sie in der kritischen Einpendelungsphase – die Zeit in welcher der Ausfall der Steuereinnahmen sich im Haushalt bemerkbar macht, ohne dass jedoch die zu erwartenden positiven Aspekte zu Buche schlagen – nicht zu erheblichen finanziellen Schwierigkeiten führten. Ab 2004 dürften dann die Steuererleichterungen sich wirtschaftlich positiv auswirken und auch die kommenden Haushaltsarbeiten erleichtern.
Substantielles Investitionsprogramm muss finanziert werden
Was die kurzfristigen Zukunftsperspektiven betrifft, so gehen Budgetminister und Regierung, in bezug auf die Einnahmen des 2003-Haushaltes, von einer 8,22%igen Steigerungsrate gegenüber dem Haushalt des Vorjahres aus. In Anbetracht der wirtschaftlichen Rückläufigkeit der zwei letzten Jahre, und den gleichzeitig zugestandenen Steuererleichterungen, muss diese Einschätzung doch als “vorsichtig optimistisch” gewertet werden. Die Entwicklung wird wahrscheinlich dahin tendieren, dass die jährlichen Mehreinnahmen – die sogenannten “Plus-Values” – die in den letzten Jahren als willkommener finanzieller Puffer den Investitionsfonds zugeführt wurden, dann, wenn überhaupt noch, sicherlich nicht in gleicher Höhe zur Verfügung stehen werden.
Bereits für das Jahr 2002 hat Budgetminister Frieden einen spürbaren Rückgang der “Plus-values” angekündigt. Dies wird gewiss für manchen Oppositionspolitiker eine erfreuliche Nachricht sein, predigen sie doch seit Jahren eine größere Wahrheitsnähe der budgetären Einschätzungen. Es muss allerdings auch gesagt werden, dass eine sehr vorsichtige Einschätzung der budgetären Einnahmen auch vorteilhaft sein kann, erlaubt sie doch, bei Überschüssen, die Investierungsfonds zusätzlich zu dotieren, und somit zweckgebundene Reserven für die kommenden Jahre anzulegen, sowie im Falle einer wirtschaftlichen Flaute oder unvorhergesehenen Ereignissen – wie wir sie letztes Jahr kannten – sich genügend Manöverfreiheit im Haushalt zu erhalten.
In einem “enger” berechneten Etat gilt es alsdann, sich bewusst zu bleiben, dass finanzielle Reserven und Dotierungen der Investitionsfonds kaum noch aus Mehreinnahmen, sondern einzig und allein – und das ist generell ja auch richtig so – direkt aus dem Haushalt gespeist werden.
Man muss nämlich wissen, dass die jeweiligen Investitionsfonds größere Reserven aufweisen, dass diese Reserven aber einem Investitionsprogramm zugeteilt sind, das ebenso substantiell wie unabdingbar ist. Die gegenwärtig vorhandenen Reserven – sollten sie nicht in den nächsten Jahren zusätzlich aufgestockt werden können – würden die notwendigen Investitionen in Schulen Altersheime, Krankenhäuser, administrative Gebäude, Kläranlagen, Strassen- und Schienennetz usw. nicht mehr ausreichend finanziell abdecken.
Erfolgt die Dotierung der Investitionsfonds zukünftig ausschließlich über Haushaltsmittel, so muss mehr denn je dafür Sorge getragen werden, dass die jährlichen Zuwendungen in angemessener Höhe erfolgen. Dass dies zu politischem Mischmasch führen kann dürfte anzunehmen sein, denn es ist gewiss bisweilen einfacher die vorhandenen Finanzmittel für eine direkt greifbare Zuwendung zu nutzen, als sie für zukünftige Investitionen vorzubehalten – und diese dann eben über Staatsverschuldungen zu finanzieren. In einem Land wie Luxemburg, das durch die Einseitigkeit seiner Wirtschaftsstruktur und das Fehlen eines wirtschaftlichen Hinterlandes konjunkturellen Schwankungen stark ausgesetzt ist, bleibt jedoch die Politik des Reservenausbaus die angebrachte Leitlinie.
Hohe Investitionsquote ist notwendig
Somit ist es sicherlich auch erfreulich, dass der 2003-Haushalt Investitionsausgaben auf einem sehr hohen Niveau vorsieht. Ihre Steigerung um 26,6 Prozent auf 873 Millionen Euro ist kein Luxus, sondern realistische Zukunftspolitik. Eine Investitionsquote von 12,8% – und damit europäische Spitze – darf keineswegs als übertrieben angesehen werden. Sie ist als finanzpolitische Maßnahme zu werten, die der wirtschaftlichen Situation unseres Landes angepasst ist.
Wie aus den vorhergehenden Darlegungen ersichtlich, hat die Regierung ihr Arbeitspensum absolviert, sie hat das finanzielle Gleichgewicht gewahrt und das notwendige Maß an Zukunftsabsicherung mit eingebaut.
Parteien die, wie die LSAP, diese Haushaltsvorlage jetzt schon als “blass” bezeichnen, bekunden damit ein verständliches Unbehagen, da die Finanzpolitik der Regierung wenig Angriffsfläche bietet.
Presseorgane die, wie das Tageblatt, die gesunde Finanzsituation unseres Landes einzig und allein dem guten wirtschaftlichen Umfeld zuschreiben, vergessen dass dieses durch politische Entscheidungen zustande gekommen ist, die nicht von jedem mitgetragen wurden, und übersehen willentlich, weil das nicht zu ihrem Politverständnis gehört, dass die vorliegende Haushaltsvorlage nicht nur Politik für das kommende Jahr 2003 sondern ebenfalls Zukunftsplanung für die darauffolgenden Jahre darstellt.
Zur Detailanalyse möchten wir erst nach dem 12. September kommen, dann nämlich, wenn die Haushaltsvorlage zur Verfügung steht. Jene, die sich jetzt schon in Detailkritik üben, zeigen hauptsächlich, dass sie problemlos davon absehen können, sämtliche Fakten zu kennen, um Schlussfolgerungen zu ziehen.