CSV: Ursprung, Gründung und Entwicklung

Lesen Sie an dieser Stelle eine kleine Einführung in die Geschichte und Entwicklung der CSV.
Wenngleich in Luxemburg mit seinem Mehrparteiensystem und seinen Koalitionsregierungen keine Partei den Anspruch erheben kann, ausschließlich die Politik des Landes geprägt zu haben, so wird doch niemand bestreiten, dass die CSV stets eine maßgebliche Rolle spielte.

In der 80jährigen Geschichte wurde der CSV während nunmehr fast siebzig Jahren die Leitung der Staatsgeschäfte anvertraut. In den letzten achtzig Jahren, die wesentlich durch zwei furchtbare Weltkriege geprägt wurden, entwickelte sich die eigene Identität Luxemburgs. Den Werten dieser Identität fühlte sich die CSV verpflichtet: Kulturelle und politische Offenheit, Traditionsbewusstsein, Beschaulichkeit, christliches Erbe, Treue zur Dynastie, Teilhabe am Aufbau der Europäischen Gemeinschaft,…

In ihrer achtzigjährigen politischen Wirkung zum Wohl Luxemburgs hat die CSV stets und gerade in schwierigen Zeiten die richtigen, zukunftsorientierten Entscheidungen, gemäss den Prinzipien einer christlichen und sozialen Ausrichtung, für die Luxemburger Bevölkerung getroffen. Erneuerung durch Kontinuität lautet das Prinzip sowohl in programmatischer wie auch in personeller Hinsicht.

Unter dem Impuls der Staatsminister Joseph Bech, Pierre Dupong, Pierre Frieden, Pierre Werner, Jacques Santer und nunmehr Jean-Claude Juncker wurde Luxemburg zu einem hochmodernen Industrie- und Dienstleistungsstaat mit einem Sozialnetz, das international höchste Anerkennung findet.

Ursprung und Profil einer echten Volkspartei

Die Christlich Soziale Volkspartei, hat ihren historischen Ursprung in der früheren Partei der Rechten, die am 16. Januar 1914 gegründet wurde.

Die Rechtspartei entstand als Sammelgruppe politisch aktiver Katholiken, die durch die Gründung einer Partei gegen die damaligen liberalen und sozialistischen Machtballungen reagierten, und versuchten auf diesem Wege Einfluss auf Staat und Gesellschaft zu gewinnen. Wohl ging es bei der Parteigründung darum, einen humanen Weg zwischen Marxismus und Kapitalismus zu finden, doch hat die erklärte Absicht und die eigentliche Aufgabe der Parteigründer vor allem darin bestanden, eine Front gegen den damals ausgeprägten Antiklerikalismus zu bilden.

Einerseits hat der Einsatz der Rechtspartei als Vorgängerorganisation der CSV der Herbeiführung von sozialen Rechten gegolten, doch waren deren Anstrengungen aber eindeutig auf die Erhaltung der Dynastie und damit der Unabhängigkeit des Landes ausgerichtet. Allen Widerständen zum Trotz entwickelte sich die besonders von sozialistischen und liberalen Antiklerikalen bekämpfte neue Partei, durch die in Luxemburg der politische Katholizismus seine parlamentarische Ausdrucksform finden sollte, zu einer großen und starken politischen Kraft.

Sie setzte sich ein, für die Behebung der großen Not nach dem Ersten Weltkrieg, stand an vorderster Front, als es 1919 um die Beibehaltung der Dynastie und der nationalen Unabhängigkeit ging, bewies Gradlinigkeit in schwierigen Situationen und verwirklichte große Reformen: Eine wahrhaft demokratische, volksfreundliche Verfassungsreform mit Stimmrecht für alle großjährigen Männer und Frauen; Listen- und Verhältniswahlsystem; Gesetz über Rechte und Pflichten der Gemeindebeamten, Revision der Beamtengehälter; Acht-Stunden-Tag in der Industrie; große Reform des Steuergesetzes; Teuerungszulagen für alle Arbeitnehmer; Maßnahmen gegen die Wohnungsnot; Gründung einer großen Zentral-Baugenossenschaft; Maßnahmen zugunsten der Arbeitslosen, Invaliden- und Kriegsgeschädigten; Gesetz über die Rechte der Privatbeamten, usw.

D’Lëtzebuerger Chrëschtlech Vollekspartei

Nach dem Zweiten Weltkrieg begannen die katholischen Kräfte Luxemburgs dann mit der Neugründung und der Weiterentwicklung der 1940 durch Verordnung des Leiters der deutschen Zivilverwaltung verbotenen Partei der Rechten: Am 15. und 20. Dezember 1944 stellte sich die “Lëtzebuerger Chreschtlech-Sozial Vollekspartei” (LCV) in der katholischen Tageszeitung Luxemburger Wort als patriotische, christlich-soziale und “an das ganze Volk denkende Partei” vor, als deren Hauptziel eine ausgeprägte Sozial- und Familienpolitik erklärt wurde.

Erst später wurde dann die heutige offiziell gültige Bezeichnung “Chrëschtlech Sozial Vollekspartei” (CSV) eingeführt.

Die politischen Arbeiten der CSV haben sich wesentlich auf die politische Geschichte und die Entwicklung Luxemburgs ausgewirkt. Mit kurzer Ausnahme hat die CSV seit ihrer Gründung in Parlament und Regierung die Hauptverantwortung getragen: In den verschiedenen Zeitabschnitten dieser Jahrzehnte überschnitt sich immer wieder Partei- und politische Landesgeschichte. Besonders in schwierigen Zeiten hat die CSV durch Konsequenz und Gradlinigkeit maßgeblich zur Weiterentwicklung des Landes beigetragen, und sie hat es nicht zuletzt verstanden, Luxemburg als vollwertigen und anerkannten Partner in die europäische und in die internationale Gemeinschaft zu integrieren.

Die Wirren der Weltkriege

Nach dem Ersten Weltkrieg als der Kampf um Dynastie und Unabhängigkeit den kleinen Luxemburger Staat erschütterten, wirtschaftliche und soziale Not und Unglück über das Land brachten, war die damalige Partei der Rechten in der zukunftsorientierten Gestaltung des Landes die tragende politische Kraft.

Der konfessionelle Charakter der Rechtspartei war klar und deutlich definiert und ergab sich aus der damaligen politischen und weltanschaulichen Lage. Der Zweite Weltkrieg jedoch brachte grundlegende Veränderungen. Der Kampf gegen Hitler vereinigte Kommunisten, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, Atheisten und Gläubige. An den Fronten und in den Konzentrationslagern lernten die Antagonisten der Vorkriegsjahre sich gegenseitig schätzen und respektieren.

Die CSV wurde im Geiste gegenseitigen Respekts gegründet. Das ausgesprochene Konfessionelle trat in den Hintergrund, um dem weltoffenen, allgemein christlichen Gedankengut den Vorrang zu lassen:

“Die CSV ist eine Vereinigung von Männern und Frauen aller Schichten des Volkes, die gewillt sind, im Geist christlicher und demokratischer Überzeugung und gemeinsam mit Andersdenkenden, eine Gesellschaft der Solidarität in Freiheit, Frieden und sozialer Gerechtigkeit zu verwirklichen”; hieß es in der Grundsatzerklärung.

Die CSV ist also nicht mehr ausschließlich eine Vereinigung von “Katholiken und Gesinnungsgenossen”, sondern von Christen und Andersdenkenden, die sich zu den zentralen Werten der CSV bekennen. Ihr Zweck beschränkt sich nicht auf den Schutz der konfessionellen Einrichtungen und Freiheiten; ihr erklärtes Ziel ist die Verwirklichung einer neuen Gesellschaft.

Das Hauptmerkmal dieser neuen Gesellschaft soll “Solidarität in Freiheit, Frieden und sozialer Gerechtigkeit” sein. Voran steht nicht der Einzelne, sondern die solidarische, partnerschaftsorientierte und subsidiarische Gesellschaft als Ganzes steht im Mittelpunkt. Die Solidarität darf jedoch nicht zur Zwangsjacke werden, die Freiheit des einzelnen Bürgers muss gewahrt bleiben, soweit sie der sozialen Gerechtigkeit, die angestrebt wird, nicht zuwiderläuft.

Die CSV war sich von Anfang an bewusst, dass die angestrebte Gesellschaft nicht nach jedermanns Geschmack sei. Im Gegensatz zu anderen Parteien nahm sie sich vor, im Geiste “Christlicher und demokratischer Überzeugung” ihr Ziel anzustreben d.h. mit Respekt vor der Überzeugung Andersdenkender und mit der Bereitschaft, sich den Prinzipien der Demokratie zu beugen. Die CSV kämpft für die Verwirklichung ihrer Zielvorstellungen, aber sie fügt sich dem Willen der Mehrheit.

Das C im Namen der Partei hat mithin seine Bedeutung keineswegs verloren. Manche Gegner der CSV versuchen immer wieder aus dem C ein K zu machen, welches dann leicht von “katholisch” in “klerikal” oder “konservativ” umgewandelt wird, um damit die CSV als eine rein konfessionelle Partei darzustellen. So gesehen müssen solche Gegner als Reaktionäre im wahrsten Sinne des Wortes gelten, denn sie kleben an der Vergangenheit. Um diesen Unterstellungen ein Ende zu bereiten, wurde, schon öfters in der CSV daran gedacht, das C wegzulassen. Doch die jüngste Vergangenheit hat klar und deutlich gezeigt, wie bedeutungsvoll das C im Namen der Partei ist, um ihren Standort zu verdeutlichen. In vielen Fragen sozialer oder rein politischer Natur spielt das C nicht die primäre Rolle; in fundamentalen Fragen hingegen ist die christliche Weltanschauung ausschlaggebend für die CSV.

Jedes Mal, wenn es um eine echte Wahl der Gesellschaftsform geht, bekommt das C einen Stellenwert, der nicht zu leugnen ist und nicht geleugnet werden kann, ohne dass das Risiko eingegangen wird, einem rein materialistischen und konsumorientierten Denken zu verfallen.

Das S beinhaltet viele gemeinsame Ziele, die jedoch nicht auf gleichen Wegen angestrebt werden. So wie das C für den ideologischen Hintergrund steht, zeigt das V die Arbeitsmethode: Die CSV ist eine Volkspartei!

Sie versucht der sozialen Gerechtigkeit schrittweise aber mit Sicherheit näher zu kommen, ohne diese oder jene Volksschicht zu verteufeln, ohne die einen gegen die anderen aufzuhetzen, ohne das Risiko einzugehen, von einem Übel in ein noch größeres zu geraten. Des Weiteren versucht die CSV eine Politik zu betreiben, die allen Volksschichten gerecht werden kann, ob jung oder alt, ob Bauer oder Winzer, Beamte oder Arbeiter, Geschäftsmann oder Handwerker, Arbeitgeber oder Arbeitnehmer. Deshalb findet sie bei den einsichtigen und realistischen Bürgern sämtlicher Volksschichten Freunde und Anhänger, die mit ihr den eingeschlagenen Weg verfolgen. Ebenso selbstverständlich wird sie aus allen Richtungen von jenen bekämpft, die überzeugt sind, dass sie selbst ihrem Ziel auf anderem Wege schneller näher kommen.

Nach dem Schrecken des Zweiten Weltkriegs, der für viele Militanten Gefängnis, Verbannung und Tod gebracht hatte, nahm eine von der neustrukturierten und aufgebauten CSV geführte Regierung den Wiederaufbau mutig in Angriff und ließ das Land aus den Ruinen zu neuem Leben, Wohlstand und soziale Gerechtigkeit erwachsen.

Die Anfang der 50er Jahren einsetzenden Bestrebungen zu einer europäischen Integration fanden in der CSV einen überzeugten Befürworter, so dass Luxemburg unter ihrem Impuls zu einem Knotenpunkt der europäischen supranationalen Einrichtungen wurde.

Die Entwicklung Luxemburgs zu einem internationalen Finanz- und Medienzentrum, die Überbrückung der Wirtschaftskrise, die industrielle Modernisierung, mutige soziale Reformen sind wichtige Bausteine, die von der Christlich Sozialen Volkspartei gestaltet wurden.

Die christliche Prägung ihrer Politik bedeutet für die CSV die ständige Aufforderung, Gesellschaft und Staat nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und der Solidarität in Frieden und Freiheit zu gestalten.

Die CSV, eine Partei der offenen Diskussionen

Die CSV verstand sich von Anfang an als eine Partei des ganzen Volkes. Dieses Selbstverständnis hat sie immer wieder unter Beweis gestellt. Die CSV vertritt keine Politik, die gegen diese oder jene Gruppe gerichtet ist. Ebenso wenig verfolgt sie eine Politik, die ausschließlich die Interessen einer Gesellschaftsschicht wahrt oder fördert ohne Rücksicht auf berechtigte Ansprüche anderer.

Eine Partei, die sich solchen Zielen verpflichtet fühlt, ist notgedrungen eine Partei der offenen Diskussion und des lebendigen Dialogs, da sie stets versuchen muss, die oft gegensätzlichen Interessen auf einen gemeinsamen, von der allgemeinen Solidarität getragenen Nenner zu bringen.

Der Aufbau der Parteiorgane sichert den Volkscharakter der CSV und somit das Zustandekommen einer Politik, die versucht, möglichst allen Volksschichten gerecht zu werden.

Die Gliederung der CSV

Die lokalen Sektionen bilden die Basis der Partei. Sie begreifen die Parteimitglieder einer oder mehrerer Gemeinden. Die Organe der Sektionen bestehen aus der Generalversammlung, dem erweiterten Delegiertenrat und dem Sektionsvorstand. Größere Sektionen sind in Lokalsektionen aufgegliedert. Mehrere kleine Sektionen können sich auf regionaler Ebene zusammenschließen und so eine größere Sektion bilden.

Entsprechend den Wahlbezirken sind alle Sektionen in vier Bezirke aufgeteilt: Süden, Norden, Osten und Zentrum. Die Bezirksorgane bilden den Bezirkskongress und den Bezirksvorstand. Der Bezirkskongress begreift die Mitglieder des Bezirksvorstandes, die Deputierten und die Ersatzdeputierten des Bezirks, die Sektionsdelegierten, die Mitglieder des Bezirksvorstandes der Unterorganisationen und gegebenenfalls die CSV-Regierungsmitglieder aus dem jeweiligen Bezirk. Der Bezirksvorstand umfasst gewählte und kooptierte Mitglieder und Delegierte der Abgeordneten, der Christlich Sozialen Jugend, der Christlich Sozialen Frauen und die Christlich Sozialen Gemeinderäte.

Die National- und die Unterorganisationen

Die vier Bezirke sind auf nationaler Ebene zusammengeschlossen. Die Organe der Nationalorganisation bestehen aus dem Nationalkongress, dem Nationalkomitee und dem Nationalrat.

Mitglieder des Nationalkongresses sind die Nationaldelegierten der Sektionen, die Mitglieder des Nationalrates, die Deputierten und die Ersatzdeputierten, die Mitglieder des Nationalkomitees der Unterorganisationen sowie die eventuellen Regierungsmitglieder der Partei.

Dem Nationalkomitee gehören an: der Parteipräsident, der Generalsekretär, der Generalkassierer, die Präsidenten der Kammerfraktion, der Bezirke und der Unterorganisationen, der parlamentarische Sekretär, ein Vertreter der befreundeten Presse, gegebenenfalls ein Vertreter der Regierungsmannschaft sowie die vom Nationalkongress gewählten Mitglieder.

Der Nationalrat begreift die Mitglieder des Nationalkomitees, eine größere Zahl von Delegierten und Vertreter des Staatsrates, frühere Regierungsmitglieder, frühere Parteipräsidenten und kooptierte Mitglieder.

Im Rahmen der Partei gibt es Unterorganisationen, die es ermöglichen, besonderen Problemen gerecht zu werden: die Christlich Soziale Jugend und die dort eingebundene Sektion der “Schüler und Studenten”, die Christlich Sozialen Frauen und der Verband der Gemeinderäte sowie der CSV Senioren.