Seit 1996 werden in Luxemburg die Themenbereiche Palliativmedizin, Beihilfe zum Selbstmord und Euthanasie diskutiert.
Seit 1996 werden in Luxemburg die Themenbereiche Palliativmedizin, Beihilfe zum Selbstmord und Euthanasie diskutiert. Ein komplexes Dossier, das durch die niederländische sowie belgische Gesetzgebung (in Kraft seit dem 16. Mai dieses Jahres) und der damit verbundenen Legalisierung der Euthanasie wieder stärker in den Mittelpunkt gerückt ist. Auch in Luxemburg ist der Ruf nach einer Legalisierung der Euthanasie wieder lauter geworden. Nur wer die Euthanasie legalisiere, schaffe die Grundlage, dass das Recht in Würde zu sterben, auch tatsächlich verwirklicht werden kann, lautet die These!
Erfahrungsberichte
Die Erfahrungsberichte von Palliativmedizinern unterstreichen jedoch das Gegenteil. Viele unheilbar Kranke, die zunächst aktive Sterbehilfe fordern, ändern ihre Meinung, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind: schmerztherapeutisch optimal versorgt werden und Zuwendung am Krankenbett erhalten, dies unter Einbindung der Familienangehörige, die zu dem ein Recht auf psychologische Unterstützung in Anspruch nehmen können. Beides charakterisiert und tut die Palliativmedizin. Eine besondere Rolle übernehmen in diesem Zusammenhang die interdisziplinären Teams.
Palliativmedizin braucht echte Chance
Auch bleibt die Frage, ob Sterbende überhaupt einen schnellen Tod wünschen, wie dies von Befürwortern der aktiven Sterbehilfe immer wieder hervorgehoben wird. Die Palliativmedizin braucht daher eine echte Chance und sie darf nicht als Seelentrösterei abqualifiziert werden. Die Palliativmedizin bietet dem Patienten und seiner Umgebung nicht nur medizinische und pflegerische, sondern besonders auch psychische und soziale Hilfen an. Palliativmedizin dient allen Menschen, die an einer unheilbaren Erkrankung leiden. Mit den zur Verfügung stehenden Mitteln der Medizin gilt es bestmögliche Bedingungen zu gewähren. Palliativmedizin soll dem Kranken eine Lebensqualität ohne Vereinsamung ermöglichen. Adäquate Schmerztherapie, angepasste Symptomkontrolle, Erhaltung der persönlichen Autonomie, Respektierung des Patientenwillens, optimale Pflege und vertrauensvolle Betreuung sowie das Gefühl der Geborgenheit sind insbesondere im letzten Lebensabschnitt des Menschen wichtig. Dies sind die Säulen der Palliativmedizin!
Priorität für eine optimale Schmerztherapie
Laut WHO würden über 50% der Tumorpatienten (eigentlich eine unvorstellbar hohe Zahl!) immer noch an Schmerzen leiden müssen, obwohl es heute Therapien gibt, die es ermöglichen, dass über 90% aller Tumorpatienten eine Chance hätten, die Krankheit schmerzfrei zu ertragen. Dass dies so ist, führen Experten auf den Umstand zurück, dass das Wissen und die Einsatzmöglichkeiten um die Palliativmedizin bei vielen Ärzten nicht stark genug ausgeprägt sei. Die Lehre und die Praxis einer optimalen Schmerztherapie und Palliativmedizin wird immer noch zu sehr vernachlässigt. Jedes Jahr sterben viele Menschen an Krebskrankheiten, die meisten (oder besser gesagt zu viele davon) mit Schmerzen und starken körperlichen Beschwerden, Verzweifelung und psychosozialer Belastung, weil ihnen die wirksameren Mittel vorenthalten bleiben. Wer aktiv Euthanasie ablehnt, muss daher alles tun, um der Palliativmedizin eine echte Chance zu geben. Auch gilt es über die Möglichkeiten der Palliativmedizin zur Schmerzlinderung eine entsprechend breitgefächerte Aufklärungs- und Informationsarbeit zu gestalten.
Das Recht in Würde zu sterben
Die Palliativmedizin hat eben zum Ziel, dass für ein Sterben ohne starke Schmerzen oder Erstickung oder andere Qualen gesorgt wird, und dass das Ende des Lebens in Würde gestaltetet werden kann. Die Patienten wissen, dass der Tod nicht künstlich herbeigeführt wird, und dass der Vorgang des Sterben nicht künstlich hinausgezögert wird. Jeder Menschen hat das Recht in Würde zu sterben, es sei demnach wichtig die Voraussetzungen dafür zu schaffen. Die Spitäler brauchen sicherlich moderne diagnostische und therapeutische Einrichtungen, die Kliniken müssen auch weiterhin auf Intensiv- und Wiederbelebungsstationen bauen können, doch gilt es ebenfalls effiziente Palliativabteilungen zu schaffen, wo der Unheilbarkranke, entsprechende Betreuungen vorfinden.
Ambulante Palliativpflege wichtiger Pfeiler
Mit Nachdruck muss an dieser Stelle hervorgehoben werden, dass je besser die Strukturen der Palliativmedizin sind, umso weniger laut wird der Ruf nach aktiver Sterbehilfe. Es gelte das Prinzip: “Wenn man nichts mehr machen kann, ist noch alles zu tun.” Es ist mehr denn je notwendig dafür zu sorgen, dass die Einrichtung von Palliativstationen für schwerkranke und unheilbare Patienten, eine absolute Priorität haben. Auch wenn Luxemburg im Bereich der Palliativmedizin kein Entwicklungsland ist die Arbeit der Palliativstation im städtischen Krankenhaus von Esch unter der Leitung von Dr. Bernhard Thill seit 1990 ist ohne jeden Zweifel beispielhaft so besteht dennoch auf vielen Ebenen ein Nachholbedarf um eine optimale Palliativmedizin zu ermöglichen. Auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt steht fest: der eigentliche Handlungsbedarf besteht in einer generellen Verbesserung der Strukturen der Palliativmedizin sowie dem Ausbau der ambulanten Palliativpflege in all ihren Formen und der Information über die Schmerztherapie. Ein weiterer wichtiger Baustein der palliativen Betreuung in Luxemburg ist sicherlich ebenfalls das von der Regierung geplante “Foyer pour personnes en fin de vie”. Ein wichtiges Element in der Diskussion, die nicht allein von der Politik bestimmt werden kann. Vielmehr ist hier die gesamte Gesellschaft gefordert.
Marie-Josée Meyers Frank
CSV-Deputierte