In Luxemburg stehen aufgrund der Resultate des Rententischs die Diskussionen um diese Resultate und die sich daraus ergebenden Folgen, u.a. den 700 000-Einwohner-Staat, noch immer im Vordergrund des Interesses.
Bei der Erörterung dieser Problematik werden die Überlegungen, die aufgrund zahlreicher Dokumente, Mitteilungen, Richtlinienvorschläge, das Europäische Parlament in letzter Zeit beschäftigen, weitgehend ignoriert. Das ist schade, denn alle Entscheidungsträger auf nationaler Ebene – Politiker, Sozialpartner, Experten und Verwalter der Pensionsversicherungen, die zwar noch immer für die Rentensysteme in ihrem Land verantwortlich bleiben, sollten doch dem Rechnung tragen, was sich auf europäischer Ebene im Bereich Strategien für zukunftssichere Renten tut.
Modernisierung des Sozialschutzes Wir sind im Europäischen Parlament u.a. dabei, uns mit Mitteilungen der EU-Kommission auseinander zu setzen, die eine konzertierte Strategie zur Modernisierung des Sozialschutzes vorschlagen, in Form einer vertieften Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten, um den Herausforderungen der zu erwartenden Alterung der Bevölkerung sowie dem Eintritt der geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter gerecht zu werden. Die Alterung der Bevölkerung wird in der Tat ein solches Maß annehmen, dass die Gefahr einer Aushöhlung des europäischen Sozialmodells wie auch von Wirtschaftswachstum und Stabilität besteht, sofern keine geeigneten Reformmaßnahmen ergriffen werden.
Diese Warnung, die nicht von mir stammt, die ich aber teile, wurde von den Staats- und Regierungschefs im Europäischen Rat von Göteborg im Juni 2001 so ernst genommen, dass sie die Notwendigkeit eines umfassenden Konzepts betonten, um eben den Herausforderungen der alternden Gesellschaft zu begegnen. Sie sollte deshalb auch in Luxemburg ernst genommen werden. Die großen europäischen Chefs definierten auch die Grundzüge für die Sicherung der langfristigen Zukunftsfähigkeit der Rentensysteme, als da sind ihre Fähigkeit, – sichere und angemessene Renten zu gewährleisten, – die finanzielle Zukunftsfähigkeit der Rentensysteme zu garantieren, – die Fähigkeit der Rentensysteme, auf die sich verändernden Bedürfnisse der Gesellschaft und des Einzelnen zu reagieren, womit auch zu Chancengleichheit für Frauen und Männer beigetragen werden soll.
A propos Chancengleichheit! In der europäischen Rentendiskussion wird den Frauen besondere Aufmerksamkeit gewidmet.
Weil die EU-Mitgliedstaaten, also auch Luxemburg, sich verpflichtet haben, bis Juli 2002 nationale Strategieberichte über die Zukunftsfähigkeit der Renten vorzulegen, Berichte bei deren Erstellung die Regierungen für eine angemessene Beteiligung der Sozialpartner und anderer Interessenverbände sorgen sollen, darf man, nach dem Rententisch und dem Gesetz, das die Abgeordnetenkammer jetzt zu verabschieden hat, gespannt sein auf diesen Luxemburger Strategiebericht. Dieser dürfte auch nicht ignorieren, dass aus Europa daran erinnert wird, wie wesentlich die Steigerung der Erwerbsbeteiligung der Frauen für die Sicherstellung der langfristigen finanziellen Tragfähigkeit von Rentensystemen ist. Wir werden aus Brüssel angemahnt, im Rahmen der Europäischen Beschäftigungsstrategie (die ja unter Luxemburger Präsidentschaft fertiggestellt wurde und auf die wir mit Recht stolz sind), die Erwerbsquote für Frauen bis zum Jahr 2010 auf mehr als 60% und für Personen im Alter zwischen 55 und 64 auf 50% anzuheben. Davon sind wir in Luxemburg sehr weit entfernt. Wir haben eine der niedrigsten Frauenerwerbsquoten in Europa. In kaum einem anderen Land sind so viele Menschen zwischen 55 und 64 Jahren nicht mehr erwerbstätig, also in Rente.
Überprüfung Allerdings berücksichtigen die Statistiken über die Erwerbsquote der Frauen nicht die mithelfenden Ehegatten in Familienbetrieben, meistens Frauen, deren Zahl in Luxemburg in die Tausende geht, die meistens leider nicht versichert sind, weil sie nicht gemeldet werden. Auch hier besteht bei uns noch Handlungsbedarf und insbesondere die Notwendigkeit besser zu informieren, damit nicht kurzfristig Beiträge gespart werden, die betroffenen Frauen so aber mittel- und langfristig diskriminiert sind. Gerade weil in Luxemburg in den vorgenannten Bereichen: Splitting der Rentenrechte bei Scheidung, obligatorische Versicherung mithelfender Ehegatten in Familienbetrieben, noch Handlungsbedarf besteht, können wir die Schützenhilfe aus Europa gut gebrauchen, um die überfälligen Reformen auf diesen Gebieten endlich in Angriff zu nehmen.
Und weil Europa die Überprüfung der Rentensysteme ausdrücklich anmahnt, um Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts zu beseitigen, sollten wir überlegen ob es nicht diskriminierend ist, einerseits Männern und Frauen, die eine eigene Rente aufgrund ihrer Berufstätigkeit erworben haben, die Witwer- oder die Witwenrenten zu kürzen, wenn beide 1 859 Euros überschreiten, andererseits aber Frauen mit viel höheren Einkommen oder Witwenrenten eine Erziehungspauschale aus Steuergeldern zu gewähren? Diese Erziehungspauschale ist in Ordnung. Die Antikumulbestimmungen müssen jedoch revidiert werden.
Astrid Lulling Europadeputierte