Der Euro-Start in ein neues Zeitalter Die Einführung des Euro bedeutet für Europa und für Luxemburg eindeutig einen politischen und wirtschaftlichen Übergang. Eine gemeinsame Währung ist immer auch Ausdruck einer gemeinschaftlichen Identität. Die Vereinigten Staaten haben 70 Jahre gebraucht, um den Dollar 1861 als Einheitswährung einzuführen und somit zugleich auch die politische Integration zwischen den Mitgliedstaaten gefördert. Die Eurozone ist bereits heute ein Gravitationszentrum der Weltwirtschaft. Der Integrationskern innerhalb der Eurozone muss diesem Umstand nun auch politisch Rechnung tragen.
Am Scheideweg Europa steht nun wirklich an jenem Scheideweg, den es seit fast dreißig Jahren beschwört. Mit der Einführung des Euro ist die Arbeit also noch nicht getan. Die Herausforderungen an das europäische Potenzial in Politik und Wirtschaft kommen seit dem 1. Januar 2002 derart wahrhaftig zum Vorschein, dass sogar einige traditionell integrationsfreudige Regierungen ganz plötzlich kalte Füße bekommen.
Natürlich ist die gemeinsame einheitliche Währung zunächst ein ökonomisches Instrument für den europäischen Binnenmarkt. Eine funktionierende Währungsunion mit einem stabilen Euro fördert Preistransparenz und Wettbewerb, verhindert Wechselkursschwankungen und Spekulationswellen und erleichtert Warenaustausch und Reiseverkehr. Der wichtigste Erfolgsvektor für den Euro ist somit die von ihm ausgehende wirtschaftliche Integrationsdynamik.
Politischer Integrationsfaktor Darüber hinaus spielt der Euro aber auch eine wichtige Rolle als politischer Integrationsfaktor.
Gleichzeitig zu den Bestimmungen der Wirtschafts- und Währungsunion wurden im Vertrag von Maastricht 1991 die Grundlinien zur politischen Union Europas gezogen. Und damit der Euro sein wirtschaftliches Integrationspotenzial richtig entwickelt, muss auch die politische Zielsetzung der Wirtschafts- und Währungsunion vollständig umgesetzt werden. Mit Vollendung der Währungsunion tritt somit die politische Dimension der gemeinsamen einheitlichen Währung und die Frage nach dem Ziel der europäischen Integration wieder in den Vordergrund.
Ohne klares Ziel gibt es allerdings keinen richtigen Weg. Deshalb möchte ich hier auf jene Zielsetzungen eingehen, die auch mit der Einführung des Euro noch nicht vollbracht sind. Denn damit der Euro sein Potenzial voll entwickelt, sind in Europa grundlegende politische und wirtschaftliche Reformen vonnöten, die die Zielsetzung der politischen Union deutlich vorgeben.
Dollar und Euro Die Vollendung der Wirtschafts- und Währungsunion setzt ein hohes Maß an wirtschaftlicher Konvergenz innerhalb der Eurozone voraus. Es war nie das Ziel, lediglich einen Wettlauf zwischen Dollar und Euro zu veranstalten: Der Wechselkurs hat keinerlei Rückwirkungen auf die innere Kaufkraft. In diesem Sinne muss also die Integration des gemeinsamen Binnenmarktes weiter vorangetrieben werden.
Der Euro ist auch Ausdruck einer europäischen Identität. Die europäischen Interessen werden solidarisch im Rahmen der gemeinsamen Institutionen definiert. Ein starker Euro gründet folglich auch auf stabilen und reaktionsfähigen Institutionen, deren Entscheidungen politisch und wirtschaftlich glaubwürdig sind und von den Menschen in den Mitgliedstaaten politisch mitentschieden und wirtschaftlich mitgetragen werden.
Meilenstein Euro Gleichzeitig zu der bevorstehenden Erweiterung stellt sich somit nun auch verstärkt die Frage nach der Finalität der europäischen Integration, denn nicht nur in Deutschland war die Landeswährung ein nationales Symbol. Mit dem Euro erhält Europa Zugang zum Alltagsleben von 304 Millionen Europäern in zwölf Mitgliedstaaten. Der Euro ist somit der bisher größte und wichtigste Meilenstein in der Geschichte der europäischen Integration für die Bürgerinnen und Bürger in Europa. Drei Fragen stellen sich in meinen Augen mit ganz besonderer Dringlichkeit.
Geht es uns beim Thema Europa um die Festigung einer besseren Freihandelszone oder wollen wir eine politische Union? Wie kann die Union dem europäischen Zusammengehörigkeitsgefühl Ausdruck verschaffen? In welchem Bereich kann die Union die politische Integration angemessen vertiefen und die Integrationsdynamik vor einer eventuell verlangsamenden Wirkung der Erweiterung auf weniger fortgeschrittene Partner beschützen? Zukunft Europas Der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs hat im Dezember 2001 eine Erklärung zur Zukunft der Europäischen Union verfasst. Parallel zur Erklärung zur Einsatzbereitschaft der Union auf dem Gebiet der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik ist die Entscheidung des Europäischen Rates von Laeken zur Einberufung eines Konvents zur Zukunft Europas somit ein deutliches Zeichen für den Willen der EU, das neue Momentum, das sich bei vollständigem Inkrafttreten der WWU und mit der Osterweiterung entfalten könnte, positiv und Gewinn bringend zu nutzen und die Integrationsdynamik Schritt für Schritt weiter umzusetzen.
Der Euro stellt also nicht den Endpunkt der Integration Europas dar. Die Einführung einer einheitlichen europäischen Währung entlässt uns vorläufig nicht aus der Pflicht, die politische Finalität des europäischen Projektes näher zu umschreiben. Euro, Erweiterung, institutionelle Reform. Das Problem ist, dass Europa sich nicht auf einen dieser Prozesse reduzieren lässt. Einzeln sind diese Prozesse nicht als Vision für Europa zu verkaufen. Die bis dato separat angelegten Reformansätze müssen nun zur Gesamtvision, zur Strategie gebündelt und dann auch im Paket umgesetzt werden.
Jacques Santer CSV Europaparlamentarier