Die verkehrte Haushaltswelt des Alex B.
Der sozialistische Finanztheoretiker Alex Bodry beschäftigte sich dieser Tage in einer freien Tribüne im sozialistischen Kampfblatt “t” mit der Haushaltsvorlage der Regierung für 2002. Was ihn besonders beschäftigt, ist die korrekte Einschätzung der Staatseinnahmen unter den zur Zeit relativ unsicheren Wirtschaftsprognosen.
Herr Bodry glaubt, die Regierung zu größerer Haushaltsdisziplin aufrufen zu müssen, und meint, es könnte ein böses Erwachen geben, wenn seine warnenden Rufe nicht gehört werden sollten.
Eklatanter Widerspruch Interessant sind sie schon, die Aussagen des Alex Bodry. Erstens ist es immer spannend, aus dem Munde eines Sozialisten markige Aufrufe zu ernsthafter Haushaltsdisziplin zu hören. Da aber fast alle Sozialisten und Sozialdemokraten unseres Kontinents sich mittlerweile zu reinrassigen Monetaristen gewandelt haben, verwundert einen das Verhalten des Düdelinger Abgeordneten kaum. Zweitens scheint Herr Bodry nicht zu sehen, dass sein Aufruf zur haushaltspolitischen Askese, der passend zum Beginn des Ramadan die interessierte Leserschaft erreicht, in eklatantem Widerspruch zur üblichen Forderungspolitik der sozialistischen Opposition steht. Und drittens hat er schlicht und ergreifend mit seiner Darstellung Unrecht.
Alex Bodry verwechselt konsequent Wirtschaft und Haushalt, Wachstum und Steuereinnahmen. Für jemanden, der die aktuelle Mehrheit einer ständigen Besserwisserei bezichtigt, ist dies eine fragwürdige Leistung.
Die Wirtschaft ist in diesem Jahr um vier Prozent gewachsen, und auf genau diese vier Prozent war der Haushalt 2001 aufgebaut. Das Arbeitsmarktwachstum war 2001 noch etwa genauso stark wie 2000 und wird voraussichtlich erst 2002 merklich abnehmen. Daraus ergibt sich, dass, im Gegensatz zur Meinung von Herrn Bodry, keine Steuerausfälle im laufenden Jahr zu erwarten sind.
Für 2002 wird das Wachstum tatsächlich weniger stark sein als erwartet, doch wirft dies die Haushaltsplanungen nicht auf den Kopf: Einerseits wächst die Wirtschaft spürbar weiter – auch für 2002 kann noch mit einem Wachstum von vier Prozent gerechnet werden, etwa doppelt so viel wie der europäische Durchschnitt – und andererseits wird beispielsweise die Körperschaftssteuer, die fast ein Fünftel der gesamten Steuereinnahmen des Staates ausmacht, erst ungefähr zwei Jahre nach ihrem Erfallen eingezogen, so dass 2002 die Körperschaftssteuer des Rekordjahres 2000 in die Staatskassen fließen wird. Diese und andere Tatsachen bewegen die Regierung und die parlamentarische Mehrheit, die Haushaltsvorlage für 2002 nicht nach unten zu revidieren. Dies ist nämlich ganz einfach nicht notwendig und wäre im übrigen ein völlig falsches Signal an die Menschen, die in unserem Land leben und arbeiten, und die luxemburgischen Betriebe.
Dilemma Herr Bodry hat mit seiner fehlgeschlagenen haushaltspolitischen Übung jedoch eines erreicht: Man wird in den nächsten Wochen und Monaten sehr genau darauf achten, was er und seine sozialistischen Freunde an Forderungen produzieren werden. Streng genommen müssten sie logischerweise von allen weiteren Forderungen, die den Staatshaushalt belasten könnten, absehen. Denn wer meint, es würde weniger Geld in die Staatskasse fließen, muss auch daran glauben, dass weniger Ausgaben anfallen dürfen. Wenn man anscheinend weniger hat, kann man schlecht mehr ausgeben.
Wir werden sehen, ob Herr Bodry und seine Truppen dieses Dilemma meistern können. In den letzten Wochen und Monaten hat man jedenfalls nicht gemerkt, dass die Sozialisten in Richtung Senkung der staatlichen Leistungen unterwegs gewesen wären, im Gegenteil. Am Rententisch, beim Kindergeld, bei der Erziehungszulage haben sie noch Forderungen erhoben, die sich in Milliardenhöhe im Ausgabenhaushalt niedergeschlagen hätten.
Jetzt haben sie sich mit den Aussagen des Alex Bodry selbst in die Enge getrieben: Wenn die Fraktion hinter ihrem Vizepräsidenten steht und seinen Behauptungen glaubt, ist die Zeit der sozialistischen Forderungen vorbei.
Lucien Weiler Fraktionspräsident