Das Parlament ist mit der Umsetzung in nationales Recht der sogenannten Biopatentrichtlinie von 1998 befasst.
Dass diese Umsetzung kein einfaches Unterfangen ist, beweist allein die Tatsache, dass der zuständige Ausschuss für Ethik der Abgeordnetenkammer bis jetzt keinen Bericht zum Umsetzungsgesetz vorgelegt hat.
Das Problem, das die Umsetzung der Biopatentrichtlinie aufwirft, ist gleichzeitig ziemlich einfach und außerordentlich kompliziert. Einfach, weil es in dieser speziellen Angelegenheit rein juristisch betrachtet nur darum geht, dass zwei Absätze eines Artikels je nach Interpretationsweise nicht miteinander vereinbar sind.
Kompliziert, weil es in genau diesen zwei Absätzen um die Problematik der Patentierbarkeit menschlichen genetischen Materials geht, die weit über juristische Erwägungen hinaus Fragen von grundsätzlicher Natur aufwirft.
Die Richtlinie oder Direktive verfügt einerseits die Unpatentierbarkeit des Menschen an sich, respektiv der einzelnen Bestandteile des menschlichen Körpers in ihren verschiedenen Entwicklungsstadien. Andererseits eröffnet sie jedoch die Möglichkeit, in einem erfinderischen Prozess hergestellte – eventuell auch nur entdeckte, das ist Auslegungssache – menschliche Gene sehr wohl patentieren zu lassen. Dies ist nicht nur potentiell kontradiktorisch. Es ist vor allem außerordentlich gefährlich.
Diese Direktive (98/44/CE) wurde vom Ministerrat in seiner “Binnenmarkt-Zusammensetzung” beschlossen – was beweist, dass die Europäische Gemeinschaft fundamentale Fragen des menschlichen Lebens in zumindest eigenartiger Gremienzusammensetzung behandelt. Ihr Weg durch die Institutionen war zwar aufgrund der Mitentscheidungsbefugnis des Europäischen Parlaments recht lang, doch weder die eine noch die andere Institution stellten das Prinzip der Patentierbarkeit der Informationsträger des menschlichen Lebens grundsätzlich infrage. Jenseits des prinzipiellen Problems, das eine solche Vorgehensweise aufwirft, stellen sich diesbezüglich weitere wesentliche Fragen, auf die Europa keine Antwort wusste – oder wissen wollte.
So zum Beispiel die Frage nach der Bedeutung genetischer Patente für Entwicklungsländer. Viele erinnern sich an die Kontroverse um billige südafrikanische Aids-Medikamente, die deswegen preiswert sind, weil die südafrikanische Regierung im entsprechen Herstellungsverfahren darauf verzichtet hat, Royalties (Patentabgaben) an jenen Pharmakonzern zu entrichten, der Bestandteile besagten Medikaments international als Patent eingetragen hatte. Mittlerweile hat Südafrika zwar mit diesem Konzern eine Einigung erreicht, aber angesichts der Menge der herzustellenden Präparate hätte die Notwendigkeit – und für Südafrika Unmöglichkeit – der vollständigen Zahlung aller anfallenden Royalties den wahrscheinlich sicheren, sicher aber schnelleren Tod von Hunderttausenden Südafrikanern bedeutet.
Es ist offensichtlich, dass bei der Verabschiedung der Direktive 98/44/CE grobe Fehleinschätzungen der fundamentalen Problematik, auf die der Text angewendet werden soll, passiert sind. Dies ist im übrigen kein Skandal, da die wenigsten von uns sich vor ein paar Jahren der eigentlichen Tragweite der biotechnologischen Entwicklung bewusst waren. Deswegen sollten wir die Gelegenheit nutzen, die Sache in Ordnung zu bringen – solange das noch möglich ist.
Die luxemburgische Regierung sollte die Europäische Kommission dringend dazu auffordern, die Biopatentdirektive neu verhandeln zu lassen. Und die Regierungen, die sich dann wieder an den Tisch setzen würden, wären gut beraten, sich vorher im Detail zu überlegen, den Menschen in seiner Einzigartigkeit zu einer quasi industriellen Erfindung verkommen zu lassen.
Frank Engel