Konsequent Qualität kultivieren
In einem LW-Interview bezog Ressortminister Fernand Boden kürzlich Stellung zu aktuellen agrarpolitischen Themen.
Dies vor dem Hintergrund des neuen Agrargesetzes, der BSE- und MKS- Krisen, der Fragen betreffen die Lebensmittelsicherheit, die Entschädigungen und der Tiertransporte.
Es habe in den vergangenen Monaten genügend Themen gegeben, die die Landwirtschaft in der Aktualität hielten, wobei die Nachrichten aus der Agrikultur mehr als einmal nachdenklich stimmten und ein tristes Bild des primären Sektors zeichneten, hieß es im Luxemburger Wort Interview. …(Das Interview führte LW-Journalist Marc Schlammes) Luxemburger Wort: Wie präsentiert sich die Situation hier zu Lande ein halbes Jahr, nachdem die BSE-Krise in Europa ihren Höhepunkt erlebt hat? “Fruchtbare Vorarbeit” Fernand Boden: Die Landwirtschaft ist dabei, verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen. Dazu gehört auch, dass sämtliche Schnelltests an luxemburgischen Rindern negativ ausfielen. Das Tiermehlverbot, die Entfernung der Risikomaterialien sowie eine transparente Etikettierung sind weitere Maßnahmen, die in Luxemburg im Rahmen der EU-Bestimmungen ergriffen wurden, um dem Konsumenten ein Höchstmaß an Sicherheit zu bieten – und dies bereits vor dem Ausbruch der zweiten Krise. Die Tatsache, dass die Preise bei uns nicht in dem Maße eingebrochen sind wie anderweitig in Europa zeigt, dass die geleistete Vorarbeit beim Verbraucher gefruchtet hat.
LW: Wie schätzen Sie im Nachhinein die damaligen Reaktionen in Deutschland ein und die Auswirkungen auf Luxemburg? F. Boden: Was sich zum Beginn des Jahres in Deutschland zutrug, ist nicht unbedingt empfehlenswert. Eine Agrarwende auszurufen, hieß ja unterschwellig, dass Ackerbau und Viehzucht in ihrer bisherigen Form schiecht waren. Allein auf Bio-Landbau setzen reicht nicht aus. Weitaus wichtiger ist, einen allgemeinen Trend zu einer Qualitäts-Landwirtschaft anzustreben, wo ökologische Kriterien ebenso Berücksichtigung finden wie eine artgerechte Tierhaltung. Und da befinden wir uns in Luxemburg auf dem richtigen Weg, wenn man beispielsweise weiß, dass 90 Prozent der Landwirte die Bedingungen zum Erhalt der Landschaftspflegeprämie, die erfüllbar bleiben müssen, annehmen.
LW: Wobei man aber auch in Luxemburg den Eindruck nicht los wird, dass die konventionelle Landwirtschaft gegen Bio-Landbau ausgespielt werden F. Boden: Ich betone noch einmal, dass uns daran gelegen ist, den gesamten Sektor in die Richtung einer die Umwelt respektierenden und auf Qualität ausgerichtete Landwirtschaft zu bewegen. Wobei das Bio-Segment am weitesten in diese Richtung vorstößt und auch dementsprechend finanziell honoriert wird. Falsch ist aber, wie in Deutschland versucht wurde, die Bio-Landwirtschaft als Vorzeige- und den konventionellen Betrieb als Auslaufmodell hinzustellen.
LW: Es ist immerzu von der Erhöhung der Bio-Produktion die Rede. Wie steht es auf der anderen Seife mit der Nachfrage? F. Boden: Der Trend hin zu Bio-Erzeugnissen ist in Luxemburg mit Sicherheit spürbar, was auch mit einer hohen Lebensqualität und der damit verbundenen Kaufkraft zu tun hat. Als realistisch schätze ich einen Anteil von zehn, vielleicht sogar 15 Prozent, ein.
Derzeit werden noch viele Bioprodukte importiert, so dass auf Seiten der Erzeugung noch Handlungsbedarf besteht, besonders im Bereich der Vermarktung.
LW: Sie haben vorhin die Label angesprochen. Ist bei der Vielzahl für den Konsumenten ein Durchblick überhaupt noch möglich? “Verwirrung der Verbraucher vermeiden” F. Boden: Ich habe stets vor einer Vervielfältigung von Labeln gewarnt, ansonsten man Gefahr läuft, beim Verbraucher für Verwirrung zu sorgen. Was wir wollen, sind Qualitätslabel wie “marque nationale” oder “produit du terroir”, wo die Qualitätsmerkmale über ein Lastenheft geregelt und definiert sowie durch interne und externe Kontrollen geprüft werden. Als Musterbeispiel gilt hier die Weinwirtschaft, wo die “marque nationale” zu einem vom Konsumenten akzeptierten und respektierten Markenzeichen herangereift ist.
LW: Kritik hat es unlängst von Bauernseite am Entschädigungsumschlag für die BSE-Krise gegeben.
F. Boden: Das Landwirtschaftsministerium ist gegebenenfalls bereit, noch einmal zu intervenieren. Zum jetzigen Zeitpunkt denke ich aber, dass das Volumen der Entschädigung der Realität der Rindfleischbranche entspricht. Als Referenzmarkt diente der Schlachthof in Esch/Alzette, wo in diesem Jahr ein Preisverfall von 9,5 Prozent registriert wurde; bei Ausfuhren waren es 18 Prozent.
Man darf auch nicht außer Acht lassen, dass in der Festlegung der Entschädigungen auch die Bestimmungen der Agenda 2000 berücksichtigt werden mussten, die einen Preisrückgang von &,7 Prozent für die Jahre 2000 und 2001 vorsehen.
“Versicherung statt Entschädigung” LW: Ein Problem bleibt aber der Faktor Zeit. Über ein Jahr nach den Ausfällen warten die Landwirte immer noch auf ihre Ernteentschädigungen für 2000.
F. Boden: In diesem konkreten Fall stellt sich in der Tat die Frage, ob der administrative Aufwand noch im Verhältnis zum Ergebnis stellt. “Tun muss man aber auch wissen, dass zwischen dem Tag, wo der erste vage Antrag auf Entschädigung eingeht bis zu dem Moment, wo aus Brüssel grünes Licht gegeben wird, kaum ein Zeitgewinn möglich ist. Denn die Kommission muss sich auf ein “wasserdichtes” Formular berufen können, das zuvor vom “Service d’économie rurale” ausgearbeitet, vom Antragsteller sorgfältig ausgefüllt, anschließend überprüft und schließlich mit einem finanziellen Umschlag versehen wurde.
Langfristig ist es meiner Ansicht nach der bessere Weg, wenn die Bauern eine Versicherung abschließen würden, die zur Hälfte vom Ministerium mitgetragen würde was die Europäische Union im Übrigen erlaubt. Bei den Winzern existiert diese Praxis bereits, vielleicht sollten die Bauerngewerkschaften ihre Mitglieder verstärkt in diese Richtung orientieren …
LW: Viel Diskussionsstoff hat es um die Art der Verabschiedung des Agrargesetzes vor den Sommerferien gegeben. Kritisiert wurde u. a., dass die Gesetzgebung durchgeboxt worden sei, ohne dass die Schlussfolgerungen des Hearing über Lebensmittelsicherheit Berücksichtigung gefunden.
F. Boden: Ich werde den Verdacht nicht los, dass hier bewusste Vermischung betrieben wurde. Schon lange vor der Verabschiedung der Agrargesetzgebung, lagen die Karten auf dem Tisch: Das neue Gesetz geht von den Prinzipien der Agenda 2000 aus, auf deren Grundlage der Entwicklungsplan für den ländlichen Raum erstellt wurde. Die darin enthaltenen Maßnahmen erhielten mit der neuen Agrargesetzgebung mittelfristig einen legislativen Rahmen. Dieser Prozess erstreckte sich über fast zwei Jahre, so dass von Durchboxen nicht die Rede sein konnte.
Das Hearing zur Lebensmittelsicherheit indes hat eine langfristige Dimension; seine Schlussfolgerungen werden über 2006 hinaus die Agrar- und Lebensmittelpolitik mit beeinflussen.
LW: Traurige Spektakel lieferten in diesem Jahr mehrmals Tiertransporte. Wie kann diesen für die Tiere unwürdigen Bedingungen in Zukunft abgeholfen werden? F. Boden: Es ist in der Tat wichtig, dass die Würde der Tiere respektiert wird. Wenn in Luxemburg so viele Verfehlungen aufgedeckt werden, zeigt dies, dass die Kontrollen hier zu Lande ernst genommen werden. Wir haben auch schon bei den niederländischen Behörden interveniert, striktere Kontrollen durchzuführen. Denn die Regeln bestehen, sie müssen lediglich angewandt werden.
Nun ist es aber auch so, dass nicht immer gegen das Tierschutzgesetz verstoßen wird. Eine zu hohe Tonnage ist zuerst einmal ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung; sie bedeutet des Öfteren aber auch, dass die Transportbedingungen nicht respektiert werden. Dazu muss man wissen, dass in puncto Zulassungsgewicht die Regeln in den einzelnen EU-Länder unterschiedlich sind, was die Aufgabe der Kontrolleure nicht vereinfacht.
“Keine Futterstation in Luxemburg” Ich habe im Ministerrat auch schon den Vorschlag eingebracht, einen Bauernhof in unmittelbarer Nähe zur Autobahn zu finden, der als Umlademöglichkeit genutzt werden kann, sollte dies erforderlich sein. Diesen Vorgang auf der Autobahn durchzuführen, ist sicherlich keine Lösung. In Luxemburg wird jedoch keine Auslade- und Futterstation errichtet, wie sie im Ausland existieren. Zu groß sind die Risiken die damit verbunden sind, beispielsweise die Gefahr der MKS-Ausbreitung. Wir können uns nicht erlauben, die Anstrengungen einen gesunden Viehbestand zu haben, aufs Spiel zu setzen.