Selten in der Geschichte der modernen olympischen Spiele wurde die Wahl der Stadt, welche mit der Organisation der Spiele beauftragt werden sollte, so schnell und so deutlich entschieden wie im Falle Pekings. Bereits beim zweiten Wahlgang waren die Würfel gefallen. Peking hatte die absolute Mehrheit der Stimmen (56) erhalten und seine direkten Gegner Toronto und Paris, die nicht einmal die zwanzig Stimmenhürde erreichten, klar distanziert. Wenn auch die Wahl selbst für viele verständlich erschien, so war doch die Art und Weise wie sie getroffen wurde für die meisten eine echte Überraschung. Manche sprachen von einer politischen Entscheidung. Die wirtschaftliche Faszination Chinas hätte Peking, trotz des umstrittenen politischen Regimes, unschlagbar gemacht.
Der französische Ministerpräsident Lionel Jospin meinte, anderthalb Milliarden Einwohner hätten für die Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees größere Bedeutung gehabt als eine gute Bewerbungsunterlage.
In der Tat konnte Paris ein ausgezeichnetes Dossier vorzeigen. Die Wettkampfstätte waren in unmittelbarer Nähe des olympischen Dorfes vorgesehen, so dass die Sportler schnell und bequem zu ihren Wettkämpfen hätten gelangen können; ein für mich schwerwiegendes sportliches Argument zu Gunsten eines Bewerbers. Trotz der angeblich besseren Bewerbungsunterlage der französischen Hauptstadt hat Peking das Rennen gemacht und wurde mit der Austragung der olympischen Sommerspiele von 2008 beauftragt.
Die Argumente, welche für die Hauptstadt Chinas sprachen, schienen für viele unumstritten. Ein Land das fast ein Drittel der Weltbevölkerung zählt, hat ein Anrecht auf die Austragung des größten Sportereignisses der Welt. Außerdem hatte Peking bei der Vergabe der olympischen Spiele des Jahres 2000 ganz knapp (mit 2 Stimmen) gegen Sydney verloren. Auch die Tatsache, dass 2004 die Spiele in Athen stattfinden, und es nicht üblich ist zwei aufeinander folgende Spiel auf demselben Kontinent auszutragen, hätte gegen Paris gespielt. Immerhin hätten seit dem zweiten Weltkrieg die Sommerspiele siebenmal in Europa, viermal in Amerika und je zweimal in Asien und Australien stattgefunden womit der europäische Kontinent deutlich bevorteiligt wäre.
Schlussendlich erhoffen viele sich durch die Austragung der olympischen Spiele in Peking, eine wesentliche Verbesserung der Menschenrechte in China.
Was konnte Paris, außer seinem ausgezeichneten Dossier, dem gegenüberstellen? Dass Paris für die Spiele von 1992 Barcelona den Vortritt geben musste, obschon in diesem Jahr das hundertjährige Jubiläum der Erklärung des französischen Barons, Pierre de Coubertin, zur Erneuerung der olympischen Spiele gefeiert wurde. Dass Europa die Mehrheit der Teilnehmer an den olympischen Spielen stellt, und die europäischen Sportler, seit dem zweiten Weltkrieg mehr als die Hälfte aller Medaillen gewonnen haben. Oder, dass Frankreich immerhin die Wiege der Menschenrechte ist.
Wie dem auch sei, sollten die für Peking angeführten Argumente in Zukunft gelten, besonders im Falle einer handfesten Bewerbung einer afrikanischen Stadt, so wäre das I.O.C gut beraten sein Bestimmungsmodus für die Austragung der olympischen Spiele zu ändern. Die Zusammenstellung einer Bewerbungsunterlage ist zu aufwendig, damit man Städte, die aus den erwähnten Gründen nicht die geringste Aussicht haben für die Austragung der Spiele in Betracht zu kommen, nicht von vorne herein aus der Bewerbung ausschließt.
Norbert Haupert CSV Abgeordneter