Luxemburger Wort Interview mit CSV Generalsekretär Jean-Louis Schiltz “CSV honoriert Kindererziehung der Frauen” Im LW-Gespräch mit Journalist Marc Schlammes bezog der CSV-Generalsekretär Stellung zum politischen Tagesgeschehen Jean-Louis Schiltz zeigte sich zufrieden über die sich abzeichnende Lösung im Rentendossier, dies umso mehr, da die Leistungen der Frauen eine gebührende Anerkennung finden würden.
Des Weiteren äußerte sich der Generalsekretär der Christlich-Sozialen Volkspartei zu gesellschaftspolitischen Fragen und zum derzeitigen Bild der hiesigen Parteienlandschaft. Seine Bilanz fiel nach anderthalb Jahren als Parteimanager positiv aus.
Luxemburger Wort: Besonderen Wert haben Sie bei Ihrem Amtsantritt auf die Basisarbeit gelegt. Wie fällt die Bilanz nach anderthalb Jahren CSV-Generalsekretär aus? Jean-Louis Schiltz: Die Basisarbeit wird in der Tat groß geschrieben. Dies spiegelt sich beispielsweise in den Anfang des Jahres angenommen Statutenänderungen wider, wo die Sektionen stärker in die Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Des Weiteren belegt die unaufhaltsam steigende Mitgliederzahl – 400 neue Parteigänger in 2000, bereits 200 in diesem Jahr – dass der eingeschlagene Weg der Richtige ist.
“Richtigen Weg eingeschlagen” Anhand von zwei Beispielen will ich aber auch aufzeigen, dass die CSV, entgegen dem, was die politischen Gegner allzu gerne behaupten, die Zeichen der Zeit erkannt hat und eine moderne Partei ist. Während andere, wie die Sozialisten, noch darüber diskutieren, ist die obligatorische Geschlechterquote in der Christlich-Sozialen Volkspartei schon Realität.
Im Herbst wollen wir uns auch verstärkt unserer Kampagne “E-Lëtzebuerg fir jidfereen” zuwenden. Mit den implizierten Instanzen und Organisationen wollen wir die einzelnen Aspekte erörtern und unseren Beitrag leisten, im Informations- und Kommunikationsbereich den Weg in ein modernes Luxemburg zu ebnen.
LW: Lassen wir die politischen Kernthemen der vergangenen Monate Revue passieren. Im Rentendossier zeichnet sich eine Lösung ab. J.-L. Schiltz: Wesentlich ist, dass den Frauen die Kindererziehung anerkannt wird, was zu lange nicht der Fall war. Dabei muss hier einmal deutlich gesagt werden, dass die CSV an der Wiege der Idee steht, 3 000 Franken pro Frau pro Kind auszuzahlen, die nun über das Staatsbudget abgedeckt werden sollen. Die CSV steht auch dafür, dass diese Maßnahme nun umgesetzt wird.
Ich freue mich natürlich auch über die generellen Rentenverbesserungen, die in Aussicht stehen.
“DP und LSAP sind sich spinnefeind” Das Rentenpaket ist weder eine Mini-Reform, wie von der LSAP behauptet, noch die “massivste Rentenreform aller Zeiten” wie aus DP-Kreisen zu vernehmen war. Mit den Gemeinsamkeiten zwischen DP und LSAP ist es daher – entgegen anders lautenden Einschätzungen – nicht weit her.
Die beiden Parteien sind sich im Grunde genommen nach wie vor spinnefeind.
LW: Die Abänderung des Staatsbürgerschaftsgesetzes sorgte für reichlich Diskussionsstoff, wobei Sie ihren Teil mit der Befürwortung des Doppelpasses dazu beitrugen. J.-L. Schiltz: Erst einmal ist die Reform dahingehend positiv, als dass die Aufenthaltsdauer zur Erlangung des luxemburgischen Pases von zehn auf fünf Jahre gesenkt wird.
Damit darf die Debatte aber nicht abgeschlossen sein; Luxemburg kann sich in Anbetracht der zu erwartenden Entwicklung den Luxus nicht erlauben, die Diskussion über die doppelte Staatsbürgerschaft auszuklammern. Nicht zuletzt aus Gründen der aktiven Beteiligung am politischen Leben, z. B. bei Wahlen. In jedem Fall ist mir ein Doppelpass lieber als eine verfehlte Integrationspolitik.
LW: Am Freitag lief die Regularisierungsfrist der “sans-papiers” ab. War der von der Regierung eingeschlagene Weg im Nachhinein richtig? J.-L. Schiltz: Die definierten Bestimmungen waren großzügig ausgelegt, wobei man nicht vergessen sollte, dass alle eingebunden worden waren: Neben der Regierung auch die politischen Parteien, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen.
Ich bin mir aber bewusst, dass es gerade bei Menschen ein delikates Unterfangen ist, sie Kriterien zu unterwerfen. Jedoch sehe ich nicht, wie diese Problematik anders zu lösen gewesen wäre.
“CSV: Nicht Bremse, sondern Antreiber” LW: In seiner diesjähriger Deklaration zur Lage des Landes hat Premierminister Juncker sich im Besonderen gesellschaftspolitischen Themen zugewandt. Stichwort “neue Formen des Zusammenlebens”.
J.-L. Schiltz: Zuerst will ich unterstreichen, dass es der Premierministers war, ein Mitglied der CSV, der den Stein ins Rollen brachte. Es kann also nicht wahr sein, dass die CSV in der Gesellschaftspolitik auf dem Bremspedal steht. Was nun andere Formen des Zusammenlebens neben der traditionellen Familie anbelangt, so gilt es, diese Solidargemeinschaften rechtlich zu verankern. Auf die einzelnen Fragen gesellschaftspolitischer Natur müssen Antworten gefunden werden, mit denen eine breite Mehrheit leben kann, ohne sich dabei in populistischen Mustern zu verstricken.
LW: Ein heißes Eisen stellt die Euthanasie dar.
J.-L. Schiltz: Die zentrale Frage, die sich hier stellt ist, wie dem Menschen und seinem Umfeld in der letzten Phase seines Lebens in angepasster Form geholfen werden kann. Jedenfalls kann die Diskussion nicht mit Slogans und Plakaten geführt werden, die sich darauf reduzieren, das niederländische Modell auf Luxemburg zu übertragen. Ein kleines Land muss zwar über seine Grenzen blicken, darf jedoch nicht alles einfach kopieren.
LW: Im Bereich der Bio-Ethik, wo es um die Umsetzung der umstrittenen Patentdirektive geht, scheint die Abgeordnetenkammer den Ernst der Lage erkannt zu haben, wie die Debatte vom vergangenen Mittwoch zeigt.
J.-L.Schiltz: Der Verlauf der Diskussion am Krautmarkt hat mich erfreut. Sie zeigt, dass die Deputierten nicht mit der Brechstange vorgehen, sondern die Umsetzung in seriöser Weise hinterfragen wollen. Bei aller Komplexität zeigten die Deputierten die Bereitschaft, in verantwortungsvoller Weise zu agieren.
“Eigenartige Offensive” LW: Wenden wir uns den politischen Mitstreitern zu: Die DP hat die Wahlen nicht zuletzt mit dem Slogan der “Bildungsoffensive” gewonnen. Wie erleben Sie als Regierungspartner diese Offensive?
J.-L. Schiltz: Bei einer Offensive, das Wort stammt aus dem militärischen Jargon, müsste man annehmen, dass die Ministerin gemeinsam mit ihren Truppen in eine Richtung marschiert. Bei der Umsetzung der Bildungsoffensive tut sich Frau Brasseur jedoch schwer. Es mutet schon mehr als eigenartig an, wenn einige Truppen – Kunstlehrer, Französischpädagogen, angehende Krankenschwestern und -pfleger – auf Konfrontationskurs mit der Ministerin gehen, anstatt dass sämtliche Einheiten in eine Richtung marschieren, mit der Bildungsministerin an der Spitze. Der freie Samstag macht eben keine Bildungsoffensive aus.
LW: Welches Bild würden Sie derzeit von der LSAP zeichnen?
J.-L. Schiltz: Diese Übung fällt schwer, da bei den Sozialisten zurzeit nicht erkennbar ist, wo der Kopf der Partei ist. Es fehlt augenblicklich der Kapitän, der die Richtung vorgibt. Ich sehe denn auch kein politisches Thema, wo sich die LSAP in jüngster Vergangenheit profiliert hat. Beispiel Nationalitätengesetz: Da spricht sich der Parteipräsident für die doppelte Staatsbürgerschaft und gegen die Sprachenklausel aus, bei der Abstimmung am Krautmarkt votierten dann aber zwei Deputierte für die Sprachenklausel.
LW: Und wie fällt ihr Urteil über das politische Wirken von “Déi Gréng” und des ADR aus? J.-L. Schiltz: Die Grünen warten in regelmäßigen Abständen mit ansprechenden Ideen auf. Sie verfallen allerdings auch zeitweilig in unangebrachten Aktivismus, so wie dieser Tage im Rahmen der Debatte zur Agrargesetzgebung. Zum ADR nur soviel: Über eine Partei, die die CSV in die Nähe des nationalsozialistischen Regimes rückt, verliere ich keine Worte.
LW: Wie würden Sie die Form der CSV beschreiben? J.-L. Schiltz: Die CSV ist absolut eine Partei, die lebt. Sie ist eine Volkspartei in der es verschiedene Meinungen gibt, nicht aber Strömungen oder Flügel. Natürlich entstehen in einer Partei die lebt auch Reibereien; nichtsdestotrotz wurde das Schiff stets auf Kurs gehalten und die Klippen mehr oder minder elegant umschifft.
“Sich mit Luxemburg in 2010/2020 befassen” LW: Abschließende Frage: Welche Themen werden ihrer Ansicht nach ab diesem Herbst das politische Geschehen beherrschen?
J.-L. Schiltz: Neben den bereits angesprochenen gesellschaftspolitischen Aspekten ist es nach meinem Empfinden an der Zeit, dass sich die politische Klasse mit dem Bild Luxemburgs in zehn, zwanzig Jahren befasst. Dabei geht es darum, die Vision des Großherzogtums von Morgen um die Immigration in die richtigen Bahnen zu lenken, die erforderlichen Infrastrukturen zu schaffen sowie die Finanz- und Wirtschaftspolitik des Landes zu definieren.