Der Traum der Macht
Die Luxemburger sozialistische Arbeiterpartei hat sich letzten Herbst, den Worten ihres Fraktionschefs entsprechend, von der Bescheidenheit verabschiedet. Doch kaum hat der Hahn auf dem Steinforter Kirchturm dreimal gekräht, wandelt sich die sozialistische Bescheidenheit zum polemischen Sturmlauf gegen die aktuelle Regierung im allgemeinen, und die CSV im besonderen.
Die Sozialisten hatten ja letzten Sommer bereits angekündigt, es stünde ein heißer Herbst bevor. Das war dieser letztendlich auch, nur dass die meteorologischen Umstände von Herbst 2000 viel mehr auf die globale Klimaerwärmung zurückzuführen waren, als auf Politoffensiven der LSAP. Nun wollen die Roten, dass wir uns warm anziehen. Bei Schneefall zu Frühjahrsanfang erscheint so etwas ja auch angebracht. Man sollte erwägen, Jean Asselborn in die RTL-Wetterredaktion auszulagern. Der Mann verfügt erwiesenermaßen über eine seltene meteorologische Treffsicherheit.
Kaum mehr zu retten
Überhaupt scheint sich der Grosse Vorsitzende der Rosenkavaliere vor verbalem Sturm und Drang kaum mehr retten zu können. Niemand, nicht die Regierung, nicht das Parlament, und schon gar nicht die CSV und der CSV-Staat, den er unter einer erdrückenden Schicht von staubigen schwarzen Talaren erkannt zu haben glaubt, kommt der Feder und der Zunge des Steinforter Weisen aus dem Weg. Wäre er der deutschen Sprache vollständig mächtig, könnte man ihn des wahrhaft rhetorischen Amoklaufs gegen alles Christdemokratische in diesem Land bezichtigen.
Jean Asselborn bereitet seine Partei auf die neuerliche Machtergreifung im Jahre 2004 vor, derweil Leader Alex Bodry den unstatthaften Umgang der CSV mit der Macht moniert. So wurde es auf dem sozialistischen Rumpfkongress in Petingen letzten Sonntag deutlich, der bezeichnenderweise in ein dreistündiges Raster passte, und ausschließlich aus Reden der sozialistischen Grossen bestand. Wohl, weil man befürchtete, sobald die Militanten das Wort erhielten, käme es sofort wieder zum Putsch.
Rückkehr mit allem Mitteln
Die CSV wird als Machtapparat reinster Prägung verschrieen, der von der Macht, für die Macht und durch die Macht lebt. Es fragt sich, wieso eine Partei wie die LSAP nach kaum zwei Jahren in der Opposition von kaum etwas anderem mehr träumt, als von der Rückkehr zur Macht? Rechnen wir doch einmal: während der letzten 25 Jahre des 20. Jahrhunderts war die LSAP genau so lange an der Macht, wie die CSV, und zwar während zwanzig Jahren.
Im Jahre 2001 will sie an die Macht zurück, und die CSV von derselben entfernen. Hier stellt sich doch die Frage, wer eigentlich machtversessen ist. Doch vielleicht liegt der rote Drang zur Macht vor allem darin begründet, dass der LSAP-Präsident doch noch einmal in seinem Leben Minister werden will.
Die Sozialisten behaupten …
…, ihr Chef an vorderster Front, alle CSV-DP Regierungen seien bisher Übergangsregierungen gewesen.
Nur mit den Sozialisten an der Regierung sei das Land vorwärtsgekommen. Die Wähler haben es bis jetzt allerdings stets weise unterlassen, die LSAP zur stärksten Partei zu machen. Sie haben ihr gelegentlich das Hintertürchen zur Macht geöffnet, jedoch nie das Hauptportal: Weshalb sonst hätte die LSAP noch nie in der Geschichte unseres Landes eine Regierung geführt, und noch nie einen Staatsminister gestellt? Darüber sinniert ja auch Ex-Challenger Robert Goebbels aufs heftigste im Straßburger Exil…
Mit Blick auf diese historischen Tatsachen Luxemburger Politik kommt man an der Feststellung nicht vorbei, dass die LSAP gut daran getan hätte, ihre Bescheidenheit nicht aufzugeben, bevor sie in bester Jägertradition zum heißen Herbst geblasen hat. Denn wer weiß, ob der Wähler nicht gerade eine bescheidene LSAP wieder einmal mit dem Posten des Vizeregierungschefs beglücken würde?
Lucien Weiler CSV-Fraktionspräsident