“Bankgeheimnis gar nicht abschaffen – oder überall”
Auszüge eines Interviews von Minister Luc Frieden in der “Frankfurter Allgemeine Zeitung
“Kaum hatte sich die EU im November vergangenen Jahres auf eine Richtlinie zur einheitlichen Besteuerung von Zinserträgen verständigt, glühten auch schon bei den Luxemburger Filialen deutscher Banken die Telefone. Wie stark spüren Sie die Furcht vieler deutscher Sparer vor Quellensteuer- und Kontrollmitteilungen?”
Luc Frieden: “Es gab viele Anfragen, aber keinen Abfluss von Kapital. Die Kundschaft weiß, dass viele Vorbedingungen erfüllt sein müssen, bevor Luxemburg der Richtlinie endgültig zustimmt. Im übrigen kommen viele Anleger aus anderen als aus steuerlichen Gründen nach Luxemburg.
Sie wollen dem Ersatz der Quellensteuer durch Kontrollmitteilungen nur dann zustimmen, wenn zur EU zählende Steueroasen wie die Kanalinseln “identische Maßnahmen” und Drittstaaten wie die Schweiz “gleichwertige Regelungen” einführen. Wie sollen diese aussehen?
Luc Frieden: “Alle wesentlichen Punkte der Richtlinie müssen in den Regelungen gleichwertig behandelt werden. Es darf Unterschiede im Detail geben, aber nicht bezüglich des Bankgeheimnisses und der vereinbarten Sätze für die Quellensteuer, die bei der frühestens 2003 geplanten Einführung zunächst 15 Prozent betragen soll und von 2006 an 20 Prozent. Gäbe es in diesen essentiellen Punkten Unterschiede, käme es zu einer Kapitalflucht aus der EU, und das wollen wir verhindern.”
Rechnen Sie insgeheim mit einem Scheitern der Gespräche mit den Drittstaaten?
Luc Frieden: “Man kann nicht mit dem Scheitern von Verhandlungen rechnen, die noch nicht begonnen haben, und man sollte nicht von Scheitern reden, wenn es auch andere Lösungen geben könnte. So wurde im vergangenen November der Informationsaustausch nur als eventuelles Endziel formuliert; sollten Drittstaaten nicht auf ihr Bankgeheimnis verzichten, könnten wir auch in der EU sehr wohl zu einem System der Quellensteuer unter Beibehaltung des Bankgeheimnisses gelangen.”
Das Gespräch führte Björn Peter Böer für die Frankfurter Allgemeine Zeitung