Gedanken von Premierminister Jean-Claude Juncker zum Neuen Jahr

Dilemma

Wir nehmen die Widersprüche der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts mit in die Anfangsphase des 21. Das Jahr 2000 war keine Zäsur, sondern eine Brücke, auf der sich Menschen und Widersprüche begegneten. Auch im Jahr 2000 blieb unsere Wirtschaft auf robustem Wachstumskurs, expandierte der Arbeitsmarkt kräftig, nahm die Bevölkerung stark zu, purzelten die Rekorde.

Niemand will den Marsch in den 700 000-Einwohnerstaat. Und doch: Alle Zeichen und Zahlen deuten in diese Richtung.

Manchen mag diese Entwicklung ins kurzfristige Polit-Konzept passen: wenn alle Aggregate nach oben hin explodieren, lassen sich überzogene Rentenforderungen flinker formulieren und die Passiv-Seiten des Wachstums bequemer ausblenden.

Unser Dilemma ist: Um unsere weitgestreckten Sozial- und Rentenvorstellungen verwirklichen zu können brauchen wir auf Dauer angelegte Wachstumsquoten in Wirtschaft und Demographie. Erreichen wir sie jedoch, gehen sie auf Kosten der Nachhaltigkeit und der Lebensqualität der zukünftigen Generationen.

Dieses Dilemma können wir nur dadurch lösen, dass wir weniger quantitativ und stärker qualitativ wachsen.

Wachsen wir so, d.h. anders als bisher, können wir berechtigte Forderungen – auch und gerade im Rentenbereich -erfüllen, ohne uns gleichzeitig den Zwängen der wirtschaftlichen Wachstumsspirale zu unterwerfen.

Wenn wir nicht zu Sklaven des Wachstums werden, dann werden auch die Probleme, die im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung auftreten, wieder lösbar. Dann schaffen wir es, das harmonische Miteinander von Luxemburgern und Nicht-Luxemburgern zu sichern. Dann kriegen wir die Verkehrsund Mobilitätsprobleme in den Griff. Dann können die Umwelt und ihre Erhaltung Teile eines neuen Generationenvertrags werden. Dieses Umdenken braucht das neue Denken aller im neuen Jahr. Wünschen wir uns gemeinsam, dass wir alle im Jahr 2001 verantwortungsbewusster werden. Wegen der Jahre, die danach kommen!

Jean-Claude Juncker Premierminister