Kein Bankgeheimnis für alle – Neue Chancen für den Finanzplatz Luxemburg
Auf dem EU-Gipfel am 20. Juni in Feira, Portugal, trafen sich die fünfzehn Mitgliedsstaaten, um eine neue Richtlinie vorzubereiten. Diese beinhaltet die Besteuerung von Zinserträgen, die EU-Bürger auf ihr im Ausland angelegtes Vermögen erzielen. Wenn die Richtlinie, wie geplant, 2002/2003 in Kraft tritt, muss bis 2010 ein Informationssystem eingeführt werden, über das die EU-Länder künftig die Zinserträge von nichtansässigen Privatbankiers und Kleinanleger einander mitteilen. Auch Luxemburg hat unter Vorbehalt zugestimmt.
Ende des Bankgeheimnisses?
Luxemburgs Unterschrift hat die übrigen EU-Länder die Erfüllung gewisser Vorbedingungen gekostet: Die Richtlinie soll nicht nur den europäischen Raum betreffen. Auch Drittstaaten, wie die Schweiz und die USA, und abhängige Territorien sollen ein ähnliches Prinzip einführen. Eine ähnliche Regelung über die Zinsbesteuerung soll die Chancengleichheit im Wettbewerb um den attraktivsten Finanzplatz sichern. Somit hat Luxemburg keine Zugeständnisse gemacht, welche seine Existenz als wichtiger Finanzplatz Europas und der Welt gefährden.
Werden die Vorbedingungen nicht erfüllt, bleibt auch das Bankgeheimnis in seiner jetzigen Form bestehen. Dabei soll es als Schutz der Privatsphäre dienen und nicht ein Deckmantel für illegale Aktivitäten sein. Laut Premierminister Jean-Claude Juncker darf es nicht zu einer Kapitalflucht aus dem europäischen Raum kommen. Jedoch betont er auch den Trend zur partiellen Aufhebung des Bankgeheimnisses, was in den vergangenen Jahren mehr an Wichtigkeit verloren hat: “Ein Finanzplatz, der, nur auf Steuervorteile gründend und auf das Bankgeheimnis bauend, sich Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Finanzplätzen verschafft, wird sich im Wettbewerb der Finanzplätze nicht behaupten können.” Ein “wasserdichtes” Bankgeheimnis ist also nicht mehr notwendig, so Premierminister Juncker. Nichtsdestotrotz will er nur für ein Inkrafttreten der Richtlinie eintreten, wenn verbindliche Zusagen der EU-Länder für eine Erfüllung der Bedingungen erfolgen.
Von den Vorzügen Luxemburgs – oder : Was hat Luxemburg außer Steuervorteilen noch zu bieten?
Der Finanzplatz Luxemburg lebt schon seit langem nicht mehr nur von den “Steuerflüchtlingen” aus den Nachbarsländern. Die Diskussion um die Richtlinie kam auch erst auf, als Privatbankiers verdächtigt wurden, die Zinsen von ihrem Auslandsvermögen nicht mehr zu versteuern.
Die Geschäftspolitik der Finanzinstitute hat allmählich eine Neubestimmung erfahren. Luxemburg gilt als zweitwichtigster Niederlassungsplatz der Welt für Investmentfonds und hat sich zu einem Umschlagplatz für die Kreditvergabe der Banken entwickelt. Damit ist Luxemburg größtes Domizil Europas für grenzüberschreitende Fonds und keineswegs gefährdetes Steuerparadies oder, wie es im Fachjargon heißt, “off-shore-Zentrum” für ausländische Steuerhinterzieher. Andere Attraktionen am Finanzplatz sind: internationale Pensionsfonds, das Pfandbrief-Geschäft und das Zwischenlagern von Geldern für Konzerne und Holdings.
Auch die Banker sind optimistisch, was diese “Nischenpolitik” anbelangt. Sie schätzen die geographische Lage Luxemburgs, die Mehrsprachigkeit der Mitarbeiter und das Know-how der Luxemburger Banken. Vor allem die Großkunden wissen den Standort Luxemburg weiterhin zu schätzen und werden ihm auch in Zukunft erhalten bleiben.