Landwirtschaftsminister Fernand Boden zum Milchquotenreglement

Fernand Boden: “Die Betriebe müssen auf das Jahr 2008 vorbereitet werden. Die Fehlentwicklung des Milchquotenregimes wird korrigiert.”

Für das neue Milchquotenreglement.

Seit mehr als 15 Jahren ist für unsere Bauern das Milchquotenregime Gesprächsthema Nummer eins, was den Stellenwert der Milchproduktion in unserer Landwirtschaft unterstreicht. Die Debatten wurden vielfach heftig und kontrovers geführt, weil es hier um die wichtigste Einnahmequelle geht und die Interessenlage sehr verschiedenartig ist.

Im Laufe der Zeit hat sich das Milchquotenregime ohne Zweifel zuungunsten der aktiven Landwirte entwickelt, welche über Land- und Quotenpacht oft viel Geld ausgeben mussten, um ihre Milchproduktion ausweiten zu können. Jahrelang mussten sie dem Verpächter, der nicht einmal mehr Bauer zu sein brauchte, Pachtgeld zahlen, ohne jemals Eigentümer dieser Quoten zu werden und ohne also sicher zu sein, diese Quoten immer nutzen zu dürfen.

Deshalb hat sich die Luxemburger Regierung, im Rahmen der Agenda 2000 Diskussionen dafür eingesetzt, dass die Mitgliedstaaten die Möglichkeit erhalten, das Milchquotenregime so umzugestalten, dass die Rolle der aktiven Bauern gestärkt wird. Wir haben mit tatkräftiger Unterstützung der deutschen Ratspräsidentschaft erreicht, dass die strikte Bindung der Quoten an die Futterfläche abgeschafft und die Quotenübertragung nicht mehr zeitlich begrenzt sondern definitiv gestaltet werden kann.

Dies soll nun durch das neue Quotenreglement verwirklicht werden.

Keine Landbindung und keine Quotenpacht mehr, sondern freier Verkauf

In Zukunft dürfen die Quoten nicht mehr verpachtet, sondern sie müssen verkauft werden und gehören dann dem aktiven Bauern, der sie kauft.

Da die Quoten nicht mehr strikt an die Futterfläche gebunden sind, braucht der Bauer beim Quotenkauf kein Land zu kaufen oder zu pachten, es sei denn seine Gesamtquote würde nach dem Kauf 12 000 kg pro Hektar Futterfläche übersteigen. Diese Einschränkung schien uns notwendig, um jegliche industrielle oder zu intensive Milchproduktion zu unterbinden.

Es kann auch kein anderer als ein aktiver Milchproduzent mehr Inhaber von Milchquoten werden.

Geschieht dies, z.B. durch Erbschaft, so werden diese Milchquoten unentgeltlich der Nationalreserve zugeführt.

Beim Quotenverkauf entschieden wir uns für den freien Quotenverkauf zwischen Milchproduzenten und nicht für den von der Bauernzentrale vorgeschlagenen reglementierten Verkauf an ein “Office national du lait” und dies aus mehreren Gründen.

Erstens ähnelt das von der Bauernzentrale vorgeschlagene System sehr stark dem bestehenden Quotenpool, der keine Bewegung in den Quotentransfert gebracht hat. Die Bauern haben dieses reglementierte System nicht akzeptiert und mit allen Mitteln versucht, den Quotenpool zu umgehen.

Zweitens wissen wir, dass durch die Agenda 2000 Beschlüsse, das Milchquotensystem im Jahre 2008 ausläuft und die Milchpreise ab 2005 stark gesenkt werden. Es gilt also jetzt unsere Milchbetriebe auf diese neuen Gegebenheiten vorzubereiten und mehr Bewegung in den Milchquotentransfert zu bekommen.

Mehr Bewegung im Milchquotentransfert

Der freie Quotenverkauf zwischen Milchproduzenten soll dies ermöglichen. Die meisten Bauern möchten selbst bestimmen, wer ihre Quote erhalten soll. Einem Onkel z.B. ist es nicht zu vermitteln, dass er seine Quote nicht an seinen Neffen übertragen darf, genauso wenig wie einem anderen Bauern, dass dies nicht an einen Freund oder Bekannten geschehen kann, mit dem er jahrelang zusammengearbeitet hat. Die Bauern möchten auch als freie Unternehmer selbständig Menge und Preis der Quoten aushandeln.

Dies alles ist beim freien Quotenverkauf möglich, nicht aber bei dem von der Bauernzentrale vorgeschlagenen System. Bei diesem System sollen übrigens weniger Quoten an viel mehr Betriebe verteilt werden und dies nach ziemlich unklaren Kriterien, was sicherlich kaum allgemeine Zufriedenheit und Eintracht unter den Bauern hervorrufen dürfte.

Es ist also klar, dass der freie Quotenverkauf eine viel wirksamere Restrukturierung der Milchbetriebe ermöglicht. Dieser Quotenverkauf wird übrigens dadurch angeregt, dass die Abschöpfung zugunsten der Nationalreserve nicht mehr 35 %, sondern nur mehr 10 % in den beiden ersten Jahren und danach 15 % beträgt.

Gerechte und vernünftige Quotenpreise aushandeln

Wichtig ist natürlich, dass beim Quotenverkauf gerechte und wirtschaftlich vertretbare Preise ausgehandelt werden. Hierbei appelliere ich an die Vernunft der aktiven Milchproduzenten und an die Solidarität des Bauernstandes.

Der “Service d’Economie Rurale (SER)” steht übrigens den aktiven Bauern beim Quotenkauf beratend zur Seite und die Buchführungsdienststelle hat Berechnungen aufgestellt, welcher Quotenpreis für einen guten durchschnittlichen Milchbetrieb (40 Kühe; 6096 kg/Kuh; Milchquote 240.011 kg) wirtschaftlich vertretbar ist. Der in der Milcherzeugung erwirtschaftete Gewinn liegt hier bei etwa 4 F/kg, was einem Verdienst von ungefähr 330 Fr pro Arbeitsstunde gleichkommt. Schon ein Quotenkauf zu 16 F/kg (8 Jahre x 2 F/kg) bedeutet den Verzicht auf die Hälfte des Gewinns, d.h.

die Entlohnung für die zusätzliche Arbeitsleistung liegt sehr deutlich unter dem Mindestlohn.

Wer einen höheren Preis als 16 F/kg bietet, muss also wissen, dass er auf diesen Quoten fast überhaupt keinen Gewinn erwirtschaftet und praktisch zum Nulltarif arbeitet.

Ich bin überzeugt, dass viele Bauern bereit sind, ihre Quoten zu vernünftigen Preisen abzutreten, ich weiss aber auch, dass manche Quotenverkäufer unvernünftige und wirtschaftlich unvertretbare Preise verlangen. Dies zeugt von wenig Solidarität mit ihren Berufskollegen.

Unvernünftige Verkäufer auf ihren Quoten sitzen lassen

Ich kann den aktiven Milchproduzenten nur raten, keine Verträge mit unvernünftigen Quotenverkäufern abzuschließen. Die aktiven Milchproduzenten sitzen nämlich am langen Hebel, weil das Quotenregime 2008 ausläuft und die Quoten von Jahr zu Jahr an Wert verlieren. Wenn ein Verkäufer seine Quoten also nicht veräußern kann, bekommt er immer weniger Geld dafür und muss diese Quoten weiterhin selbst nutzen. Tut er dies nämlich nicht, fließen die Quoten automatisch und unentgeltlich in die Nationalreserve. Die aktiven Milchproduzenten sollen nicht überstürzt handeln und sich nicht ausbeuten lassen, sondern mit klarem Kopf einen für ihren Betrieb vertretbaren Quotenpreis aushandeln. Mit gutem Willen von beiden Seiten müsste dies doch möglich sein.

Die Tauschaktion Milchquoten gegen Mutterkuhprämienrechte nutzen

Für Betriebe mit unterdurchschnittlicher Milchleistung oder in welchen nur unter schwierigen Bedingungen Milch erzeugt werden kann, könnte es auch vorteilhaft und ratsam sein, sich in der Fleischproduktion zu spezialisieren und von der einmaligen Tauschaktion Milchquoten gegen Mutterkuhprämienrechte Gebrauch zu machen.

Für diese Tauschaktion ist die Hälfte der im Rahmen der Agenda 2000 Beschlüsse ausgehandelten 4000 Mutterkuhprämienrechte reserviert worden. Sie soll eine gewisse Konsolidierung der Fleischproduktion ermöglichen und die Nationalreserve mit Milchquoten auffüllen.

Jungbauern werden vorrangig bedient

Diese Quoten werden dann, genauso wie die anderen in der Nationalreserve verfügbaren Quoten, vorrangig und unentgeltlich an Jungbauern verteilt und auch an jene Bauern, welche durch die Einführung des Quotenregimes heute weniger Milch erzeugen dürfen als vorher.

Jeder Jungbauer, der sich auf einem Milchbetrieb installiert, erhält 23.800 kg Quoten, auch wenn der aktuelle Betriebsleiter schon Inhaber einer Jungbauernquote ist. Im Fall der Installation von mehreren Brüdern oder Schwestern auf einem Betrieb wird diese Menge verdoppelt.

Rückwirkend bekommen auch alle Milchproduzenten, die sich nach dem 31.12.1980 installiert haben und weniger als 55 Jahre alt sind, ihre Jungbauernquote auf 23.800 kg aufgestockt.

Übergangsbestimmungen für bestehende Pachtverträge

Das neue Milchquotenreglement sieht auch Übergangsbestimmungen für die in der Vergangenheit abgeschlossenen Quotenpachtverträge vor. Diese Bestimmungen fanden übrigens allgemeine Zustimmung bei den Berufsorganisationen.

In bestehende Pachtverträge, welche rund 10 % der Gesamtquote von 268 Mio kg betreffen, wird nicht eingegriffen, aber auch hier wird die Position des aktiven Milchproduzenten wesentlich gestärkt.

Bestehende Pachtverträge können in beiderseitigem Einverständnis verlängert werden.

Bei Ablauf oder rechtmäßiger Kündigung des Pachtvertrags hat der Pächter dieser Quoten ein Vorkaufsrecht zu einen Höchstpreis von 14 F/kg, ein Preis, der jedes Jahr um 2 F/kg abnimmt.

Dies scheint uns eine reeller und für beide Seiten vertretbarer Preis zu sein, der auch Signalwirkung für den freien Quotenverkaufspreis haben müsste.

Möchte der Verpächter jedoch einem anderen Milchproduzenten diese Quoten verkaufen, so kann er dies für die Hälfte der verpachteten Quoten tun. Die andere Hälfte der Quoten wird dem früheren Pächter dann gratis über die Nationalreserve zugeteilt.

Fit sein für das Jahr 2008

Abschließend möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass es vorrangiges Ziel unserer Milchproduzenten sein muss, ihre Betriebe auf die Abschaffung des Milchquotenregimes im Jahre 2008 vorzubereiten.

Fit sein für das Jahr 2008 bedeutet aber keinesfalls, zu egal welchen Bedingungen möglichst viele Quoten aufzukaufen.

Es besteht fälschlicherweise vielfach die Meinung, ein Milchproduzent könne nur überleben, wenn er Inhaber möglichst vieler Quoten sei. Den aktiven Bauern wird quasi eingetrichtert, sie wären gezwungen sich zu sogar unvertretbaren Preisen jede Menge Quoten anzueignen.

Dieser schädlichen und unrealistischen Meinungsbildung muss man gemeinsam aufklärend entgegentreten.

Gewusst ist nämlich, dass der Milchpreis ab 2005 um mehr als 2 F/kg gesenkt wird. Nach 2008, wenn das aktuelle Milchquotenregime ausläuft, wird der Milchpreis noch einmal kräftig sinken. Wohl wird während einer zeitlich begrenzten Übergangsperiode der Preisverfall teilweise (von 2005 – 2008 zur Hälfte) ausgeglichen werden, aber die Rentabilität vieler Betriebe ist dann in Frage gestellt.

Dies wird insbesonders der Fall sein für Betriebe mit unterdurchschnittlicher Milchleistung und hohen Produktionskosten, wozu überhöhte Quotenkaufpreise wesentlich beitragen. Je mehr Quoten solche Betriebe unter diesen Bedingungen hinzukaufen, umso unrentabler wird ihre Arbeit.

Performant und qualitätsorientiert arbeiten

Für dynamische und leistungsfähige Betriebe ist ein Quotenzukauf sicherlich ratsam, aber er lohnt sich nur, wenn der dafür gebotene Preis wirtschaftlich vertretbar ist, wobei meiner Überzeugung nach die Schmerzensgrenze bei 16 F/kg liegt.

Fit sein für das Jahr 2008 heißt deshalb vor allem performant und qualitätsorientiert arbeiten. Es gilt insbesonders durch hohe Milchleistung pro Kuh und niedrige Produktionskosten einen möglichst großen Gewinn pro kg erzeugte Milch zu erwirtschaften. Hier gibt es in vielen Betrieben noch gute Verbesserungsmöglichkeiten und das neue Agrargesetz wird unter anderem auch die Steigerung der Leistungsfähigkeit unserer Milchbetriebe durch gezielte und großzügige finanzielle Unterstützung fördern.

Wer dies beherzigt und in seinem Betrieb verwirklicht, wird auch nach 2008 gute Aussichten auf eine erfolgreiche Milcherzeugung haben. Er wird dann ohne zusätzliche Quotenkosten seine Milchproduktion ausbauen und so seinen Gewinn vergrößern können.

Ich hoffe, dass dieser Artikel den aktiven Milchproduzenten Hilfestellung leisten kann bei der sicherlich nicht einfachen Entscheidung über die zukünftige Ausgestaltung und Orientierung ihrer Betriebe. Ich wünsche Ihnen dabei viel Erfolg und ich werde weiterhin mein Bestes tun, um zusammen mit meinen Minister- und Abgeordnetenkollegen für möglichst günstige wirtschaftliche und soziale Rahmenbedingungen zu sorgen. Ich bin überzeugt, dass auch die Dienststellen des Landwirtschaftsministeriums und die Berufsorganisationen ihren Beitrag zu einer leistungsfähigen Milchproduktion in Luxemburg leisten werden.

Fernand Boden Landwirtschaftsminister

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