Politik für Frauen

Mit dem Nationalkongress der CSF und der statutarisch vorgesehenen Erneuerung verabschiedet sich eine tüchtige junge Frau von einem wichtigen Parteimandat.

Martine Stein-Mergen hat schon als Studentin ihr Interesse an der Politik gezeigt. Durch ihren Beruf – Martine Stein-Mergen ist Ärztin im Notdienst des Centre hospitalier – und als Mutter von zwei Kindern brachte die CSF-Präsidentin Wissen und Erfahrung mit in die Politik. Durch ihr Engagement in der CSV hat sie ganz gewiss nicht nur die bequemen Seiten des politischen Alltags kennen gelernt, denn die ganze Bandbreite der Probleme von vielen Frauengenerationen zu vertreten ist auch und besonders in der CSV eine Gratwanderung.

Nun ist der politische Einsatz gerade dort, wo er besondere Ansprüche stellt, eine Herausforderung.

Als die CSV unter Premierminister Jean-Claude Juncker ein Frauenministerium schuf, war gewusst, dass die militante Frauenförderung nicht ein Hauptanliegen der CSV war, dass im Gegenteil andere politische Lager – die Sozialisten und die Grünen – eher mit dem Thema zu identifizieren waren als die CSV. Juncker habe die Sozialisten links überholt, hiess es damals.

Die Frauenministerin Marie-Josée Jacobs hat es mit ihrer deftigen und ehrlichen Art verstanden, vielen Widerständen zum Trotz den Finger auf die Wunden zu legen, dort wo es am meisten schmerzt.

Kein Wunder, dass jene für die die Welt wieder in Ordnung wäre, wenn die Mütter sich ausschließlich um Haushalt und Kinder kümmern würden, zum Aufstand bliesen, und dass die CSV immer wieder den Vorwurf zu hören bekommt, sie sei vom rechten Wege abgekommen und inhaltlich ihren Prinzipien untreu geworden.

Das Thema Frau in der Gesellschaft hat nun aber so viele Facetten, dass mit pauschalisierten Auffassungen der Wirklichkeit nicht beizukommen ist. Schön wäre es gewiss, wenn der Frau in unserer Gesellschaft noch die Stellung zukäme, die der Prophet Salomon in seinen Sprüchen zitiert und die nicht dem Bild der isolierten, frustrierten Hausfrau, die sich ausgenützt vorkommt, entspricht: “Sie ist wie ein Kaufmannsschiff, ihren Unterhalt bringt sie von ferne. Sie trachtet nach einem Acker und kauft ihn und pflantzt einen Weinberg vom Etrag ihrer Hände.”

Ihre Selbständigkeit und wirtschaftliche Unabhängigkeit mussten sich die Frauen der Industriegesellschaft teuer zurückerobern. Vergessen ist, dass bei uns erst seit 1974 eine verheiratete Frau ein Recht auf ein eigenes Bankkonto hat. Und immer noch gibt es Ungleichheit bei zerrütteten Ehen. Hausfrau ist auch heute noch ein Risikoberuf – es sei denn, die Ehepartner würden sich haargenau an die Abmachung der bei der Eheschliessung vorgelesenen Artikel des Zivilgesetzes halten. Dort heisst es nämlich, dass derjenige Partner, der ausschliesslich im Haushalt tätig ist, ein Anrecht hat auf materielle Absicherung seitens des Ehegatten.

Die Diskussion ist auch deshalb so kompliziert, weil die Tatbestände noch lange nicht übereinstimmen mit dem, was das Gesetz vorschreibt oder möglich macht. Wie viele Hausfrauen haben schon eine eigene Rentenversicherung? Wären Rentenansprüche als gemeinsam erworbene Rechte zu betrachten, so wären sie folglich im Fall von Ehescheidung teilbar! Es ist mittlerweile die dritte Regierung, die das Gesetz über das Rentensplitting durchsetzen soll.

Wie sehr der allgemeine Zustand unserer Familien nicht mehr übereinstimmt mit der “heilen Welt” wird aus der Statistik sichtbar.

Eine ausgewogene Politik für Frauen muss deshalb alle Lebenslagen berücksichtigen. Gewiss, es gibt Generationskonflikte, unterschiedliche Lebensauffassungen, Gegensätze die sich nicht ausgleichen und nicht ausdiskutieren lassen. Es steht uns nicht zu, zu urteilen – oder gar zu verurteilen – jeder Situation entspricht ein eigenes Schicksal, nicht für jeden Fall gibt es allerdings ein soziales Netz.

Es bleiben also noch genug Probleme zu lösen.

Martine Stein-Mergen sei herzlichst gedankt für ihren Einsatz an der Spitze der CSF und ihrer Nachfolgerin schon jetzt viel Erfolg?

Erna Hennicot-Schoepges

Parteipräsidentin