Die Jahreswenden bieten immer wieder die Gelegenheit, Bilanz zu ziehen und neue Perspektiven festzulegen, zu überlegen, wie die Zukunft gestaltet werden soll. Auch in der Frauenpolitik gilt es neue Akzente zu formulieren und auf dem eingeschlagenen Weg konsequent voran zu schreiten. Noch immer berührt das Thema Frauen viele Menschen nicht. Bestehende Ungerechtigkeiten werden übersehen. Viele wollen, dass alles bleibt, wie es ist.
Gewollt oder ungewollt, die Gesellschaft entwickelt sich immer weiter. Für Politikerinnen und Politiker stellt sich die Frage, ob wir das passiv begleiten oder ob wir hier gestalterisch mitwirken wollen. In den letzten Jahrzehnten hat sich auf politischer Ebene vieles, was die Frauen betrifft, verändert: Wahlrecht für Frauen, Recht der Frauen auf eigene Arbeit, eigenen Besitz, eigenes Bankkonto. Viele Fortschritte wurden ebenfalls auf zivilrechtlicher Ebene sowie im Sozialversicherungswesen realisiert. Von anhaltender Bedeutung ist und bleibt die Ausbildung von Frauen und Mädchen.
Für Frauen und Männer, die in der eigenen Familie arbeiten, wurden Rentenansprüche zusätzlich gewährleistet, u.a. durch die Einführung der Erziehungsjahre, durch die Weiterversicherung während den Babyjahren und seit dem 1.1.1999 durch Beiträge, die im Rahmen der Pflegeversicherung gezahlt werden. Wichtig ist auch die Möglichkeit, Rentenjahre nach zu kaufen bis zum Alter von 60 Jahren, sowie die Möglichkeit sich freiwillig weiter zu versichern. Vieles bleibt jedoch noch zu tun, um allen Frauen eine eigenständige Altersversorgung zu sichern.
In dieser Legislaturperiode ist vorgesehen, die Erziehungsjahre auf sieben Jahre pro Kind anzurechnen, unabhängig vom Geburtstag der Kinder.
Vorschläge à la ADR von Hausfrauengehalt und Rentenbeiträgen bis zum Alter von 15 Jahren des jüngsten Kindes sind Augenwischerei. Sie führen zu nichts! Warum? Weil 15 Jahre sind für jemand, der nicht im aktiven Arbeitsprozess steht, ein langer Zeitraum. Vom Arbeitsmarkt wissen wir zudem, dass eine Abwesenheit von fast zwanzig Jahren den beruflichen Wiedereinstieg sehr schwierig bis unmöglich macht. Hinzu kommt, dass das Alter der Arbeitssuchenden auch von Nachteil sein kann. So erleben vor allem Frauen, die nach einer Scheidung auf Arbeitssuche sind, dieses Problem. Sehr oft müssen sie sich dann mit dem Mindesteinkommen begnügen, weil Sie keine Stelle mehr bekommen. Die berufliche Wiedergliederung bleibt daher eine permanente Herausforderung.
Die populistischen ADR-Vorschläge führen hingegen zu neuen Fällen, wo sich überhaupt keine Rentenrechte bilden können. Und dadurch, dass ungenügend Jahre mit niedrigen Beiträgen eingezahlt wurden, entstehen Hungerrenten. Wir wollen eine andere Politik. Es scheint leichter eine Politik mit Schlagworten wie Hausfrauenrente zu führen, als sich ernsthaft um politisch sinnvolle Entscheidungen zu bemühen. Hier besteht Aufklärungs- und Informationsbedarf. Wer neue Fälle von Anmut verhindern will, muss auch die richtigen Maßnahmen setzen.
Wir wollen eine bessere Vereinbarung von Familie und Berufsleben, durch flexible Arbeitszeiten, durch Halbtags- und Teilzeitarbeit und gegebenenfalls durch andere Schulrhythmen. In Hosingen bspw. haben Kinder, die zu Hause betreut werden nachmittags frei. Kinder, deren Eltern berufstätig sind, können hingegen im Foyer bleiben. Die Eltern haben demnach die Wahl sich für Beruf oder Familienpause zu entscheiden. Vieles bleibt noch zu tun, so auch auf Gemeindeebene, damit für junge Familien eine reelle Wahlmöglichkeit besteht – eine Herausforderung für die neuen Schöffen- und Gemeinderäte.
In vielen Bereichen, besonders in der Arbeitswelt bestehen noch Ungleichheiten und Diskriminationen gegenüber Frauen. Wir finden selten Frauen in den Führungspositionen. Für die gleiche Arbeit werden Frauen oft noch schlechter entlöhnt als ihre männlichen Arbeitskollegen. Wir wollen deshalb, zusammen mit den Arbeitnehmern und Arbeitgebern positive Aktionen zu Gunsten der Frauen einführen und ausbauen.
Wichtig ist auch eine ausgeglichenere Vertretung von Männern und Frauen in der Politik. Gespannt erwarten wir hierzu die Debatte in der Abgeordnetenkammer im März 2000.
Die CSV-Frauenpolitik in den nächsten Jahren wird wie in der letzten Legislaturperiode von zwei Prinzipien getragen sein: Frauenpolitik für alle Frauen und mit allen Frauen, egal ob berufstätig oder Hausfrau; Frauenpolitik in einer fairen Partnerschaft mit den Männern.
Ohne diese zwei wichtigen Prinzipien und ohne die Unterstützung der Frauenorganisationen bleiben unsere Bestrebungen ohne Erfolg. Die CSV geht den eingeschlagenen Weg konsequent weiter; im Interesse aller Frauen und der Gesellschaft.
Marie-Josée JACOBS
Familien- und Frauenminister