Klimawandel – „MUT“ ist dringend angesagt

Es ist einer Reihe glücklicher Umstände zu verdanken, dass sich auf der Erde ein lebensfreundliches Klima entwickelt hat. Eine Freie Tribüne von Marcel Oberweis, CSV-Abgeordneter

Es ist einer Reihe glücklicher Umstände zu verdanken, dass sich auf der Erde ein lebensfreundliches Klima entwickelt hat, welches keineswegs stabil ist, sondern sehr empfindlich auf die menschlichen Aktivitäten reagiert. Insbesondere die ansteigenden Treibhausgasemissionen durch den erhöhten Energiebedarf, stellen das Grundübel dar. Im 20. Jahrhundert trat auf der Nordhalbkugel die stärkste Erwärmung der letzten 1000 Jahre auf; das Jahrzehnt 1990-1999 stellte die bisher wärmste Dekade dar. In Nordeuropa erhöhten sich die Niederschläge, während einige Gebiete im Süden Europas trockener wurden. Der Temperaturanstieg ruft das Abschmelzen der Alpengletscher, die Erwärmung des Meeres und das Ansteigen des Meeresspiegels hervor. Bis 2100 könnte sich ein Temperaturanstieg, abhängig von den Regionen, zwischen 1,4 und 5,8 °C einstellen. Die negativen Konsequenzen des Temperaturanstieges stellen eine starke Beeinträchtigung der Stabilität der Ökosysteme dar.

Der Klimawandel – wir sind gefordert

Da eine enge, allerdings noch nicht endgültig bewiesene Korrelation zwischen der Erwärmung der Atmosphäre und den Treibhausgasemissionen zu beobachten ist, wurden von wissenschaftlicher und politischer Seite, eindeutige Klimaschutzziele definiert. Die drei größten Energieverbraucher sind Asien, Europa und Nordamerika, insbesondere der Verbrauch an Erdöl und Erdgas steigt rapide an. Die dynamische asiatische Wirtschaft u.a. benötigt 2010 etwa 30 % mehr Erdöl. Prognosen lassen ein dramatisches Wachstum des weltweiten Energie- und Rohstoffverbrauchs in den kommenden Jahrzehnten erwarten. 2030 wird der weltweite fossile Energieverbrauch um mehr als 60 % ansteigen, parallel werden auch die Treibhausgasemissionen ansteigen und die erneuerbaren Energien bringen noch keine nennenswerte Entlastung. Aber nicht allein die Verfügbarkeit, auch die Umweltverträglichkeit der Rohstoff- und Energiesysteme wird zu einem entscheidenden Kriterium.
Um eine gefährliche Störung des ¬Klimasystems zu verhindern, werden die Wissenschaftler nicht müde, in Erinnerung zu rufen, dass die globale Temperaturerhöhung langfristig auf etwa 2 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen ist, die Treibhausgaskonzentration müssen bei 400 ppm CO2-Äquivalenten stabilisiert werden.

Es herrschte Einigkeit darüber, die Energieeffizienz zu erhöhen, den Energieverbrauch zu reduzieren und gleichzeitig das wirtschaftliche Wachstum zu ermöglichen. Die wirtschaftliche Entwicklung und der resultierende gesellschaftliche Nutzen können nur mit einer gesicherten aber umweltbewussten Energieversorgung gewährleistet werden. Die Verminderung der klimaschädigenden Treibhausgasemissionen und die wachsende Nutzung der erneuerbaren Energien leiten den Paradigmenwechsel der Energieversorgung ein. Den erneuerbaren Energien (Biomasse, Wasser, Wind, Sonne) wird im Hinblick auf den wirksamen Klimaschutz und Aufbau einer nachhaltigen Energieversorgung eine zentrale Bedeutung zukommen.

“MUT” ist angesagt

Die Umweltpolitik beschränkte sich bisher auf den nachsorgenden Umweltschutz, es wurde versucht, die entstandenen Schäden zu beseitigen oder doch zumindest in gesundheitsverträglichen Grenzen zu halten. Die anfallenden Kosten wurden in der Regel nicht dem Verursacher angerechnet, sondern die Gesellschaft zahlte die Zeche. Nicht zuletzt entstand das Zerrbild, dass Umweltschutz und Wirtschaft sich gegenseitig ausschließen würden.

Es sollte erkannt werden, dass unser Wirtschaftsmodell durch eine ungenügende Nutzung der Arbeitsressourcen und eine übermäßige Nutzung der natürlichen Ressourcen geprägt ist, die Beeinträchtigung unserer Lebensqualität ist die Folge. Deshalb sprengt die auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Politik des vorsorgenden Umweltschutzes den Rahmen der bisherigen traditionellen Umweltpolitik. Die Menschen beginnen einzusehen, dass die geschützte Umwelt mit ihren drei Elementen Wasser, Luft und Boden, die Grundlage für die nachhaltige Entwicklung darstellt. Saubere Gewässer, gesunde Luft und ertragreiche Böden stehen uns nur dann zur Verfügung, wenn sich alle einbringen. Dies kann nur mit mutigen Schritten nach dem Motto: “MUT” d.h. Mensch & Umwelt & Technik geschehen.

Einen Meilenstein hinsichtlich der entscheidenden Wende zur Verringerung der Umweltbelastung hat die Europäische Union mit der Förderung der erneuerbaren Energien durch die Richtlinie 2001/77/EG im November 2001 vollzogen. Es ist das ausgemachte Ziel, einen Minimalanteil an erneuerbarer Energie im Energieverbrauch für das Jahr 2010 anzupeilen, europaweit soll der Anteil auf 22% und in Luxemburg auf 5,7 % steigen. In diesem Bereich muss Luxemburg noch mit viel “MUT” zeigen, diesen Anteil zu erreichen. Nur durch die vernetzte Umweltschutzstrategie, als Querschnittsaufgabe der einzelnen Ministerien verstanden, setzen wir Akzente in der Nutzung der Biomasse, der Windenergie und der Sonnenergie sowie der erhöhten Energieeffizienz.

Zwei EU-Richtlinien werden diesen wichtigen Schritt unterstützen, die europäische Direktive 2002/91/EG vom 16. Dezember 2002 über die Gesamteffizienz von Gebäuden, welche die Kriterien zur gesamtheitlichen Beurteilung der Energieeffizienz festlegt. Bei Neubauten aber auch bei bestehenden Gebäuden muss die technische, ökologische und wirtschaftliche Einsetzbarkeit alternativer Energiesysteme berücksichtigt werden. Die vor kurzem vorgestellte Wärmeschutzverordnung wird hier für die notwendige Bewegung sorgen. Im Baugewerbe werden die Niedrigenergie- und die Passivhäuser immer stärker die traditionelle Bauweise ablösen, gleichzeitig den Energieverbrauch drosseln, das ausgemachte Ziel lautet: weniger als 70 kWh/m2 und pro Jahr.

Mit der Direktive 2003/30/EG vom 8. Mai 2003 wird die Förderung von Biokraftstoffen im Verkehrssektor unterstützt. Bis zum Jahr 2010 sollen 5,75% aller Otto- und Dieselkraftstoffe in der EU durch Biotreibstoffe ersetzt werden. Der Landwirtschaft wird eine bedeutende Rolle zuerkannt, sollen doch die Stilllegungsflächen mittels nachwachsender Energiepflanzen besetzt werden.

Im Verkehrsbereich hat die Entwicklung des Individualverkehrs alle Normen gesprengt, die Gesundheitsschäden durch den Massenverkehr sprechen Bände. Um dem Verkehrsinfarkt entgegen zu wirken, muss deshalb der Umlenkprozess zu mehr Öffentlichem Verkehr eingeläutet werden. Luxemburg hat sich das Ziel gesetzt, 25 % aller Bewegungen durch den öffentlichen Verkehr in wenigen Jahren zu erreichen. Die Eisenbahn wird hier ein wichtiges Wort mitreden, insbesondere im internationalen Personen- und Güterverkehr, auch im Pendlergrenzverkehr. Wenn wir diesen Umdenkprozess schrittweise, mit klaren Zielen und ohne wirtschaftliche Schockwirkung durchsetzen, dann werden wir den benötigten Wandel im Verkehr bewirken.

Den nachhaltigen Weg beschreiten

Sicher ist, dass der Wandel zu mehr Effizienz und weniger fossiler Energie schmerzhaft und teuer wird. Der Ausweg aus der Klimafalle ist so einfach beschrieben wie kompliziert umzusetzen: runter mit den Treibhausgasen, und zwar stetig und dauerhaft. Denn selbst wenn man die weltweiten Emissionen auf dem heutigen Stand einfrieren könnte, würde sich der CO2-Gehalt in der Atmosphäre bis zum Jahr 2100 auf 500 ppm erhöhen und sich möglicherweise auf 700 ppm hochschaukeln.

Für die Energie- & Umweltpolitik ist die nachhaltige Entwicklung von besonderer Bedeutung, bezeichnet sie doch die wirtschaftliche Entwicklung einer Gesellschaft, die die Chancen künftiger Generationen nicht verbaut und die auf den drei Säulen beruht: wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soziale Verantwortung und integrierter Umweltschutz. Sicher, die wirtschaftliche Entwicklung und der gesellschaftliche Nutzen können nur mit einer gesicherten Energieversorgung gewährleistet werden, hierzu gangbare Wege aufzeichnen, bedarf der Anstrengung aller, denn der nachhaltige Weg ist kein leichter. Damit das Klima nicht vollends aus den Fugen gerät, bedarf es eines zukunftsfähigen nachhaltigen Wirtschaftswachstums, der den schonenden Umgang mit den Naturressourcen vorsieht.

Die Politik ist gefordert, den beschriebenen Wandel hin zu weniger fossilen Energieträgern und zu mehr erneuerbaren Energien mitzugestalten. Jeder einzelne muss für sich die Entscheidung treffen, in einer Welt zu leben, in der die Gefahren eines globalen Klimawandels verringert werden müssen. Es geht auch um den Dialog, wie die Menschheit in der Zukunft leben möchte und welche Antworten sie auf die anstehenden gewaltigen Herausforderungen geben wird.

Marcel Oberweis, CSV-Abgeordneter, Wort, 22. September 2006