„Wir haben eine Strategie“

2010 soll ein Jahr der Entscheidungen werden. Im Februar will die Regierung die Tripartite einberufen. Bis Mai soll gemeinsam mit den Sozialpartnern eine Exit-Strategie aus der Schuldenpolitik gefunden werden. CSV-Fraktionschef Jean-Louis Schiltz ist zuversichtlich, dass das gelingt. Das Parlament wird sich aber nicht auf die Rolle eines „Aufnahmegeräts“ der Tripartite-Vorschläge beschränken, kündigt Schiltz im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“ an.

Luxemburger Wort, 4. Januar 2010, Laurent Zeimet

Herr Schiltz, bei den Haushaltsdebatten hatte man den Eindruck, CSV und LSAP seien sich bei der weiteren Krisenbewältigung nicht ganz einig. Die CSV sprach sich gegen Steuererhöhungen aus, die LSAP wollte dies zumindest nicht ausschließen. Besteht Klärungsbedarf innerhalb der Koalition?

Das denke ich nicht. CSV und LSAP haben den Haushalt für dieses Jahr und den Bericht aus der Feder von Lucien Thiel gemeinsam verabschiedet. Wir sind uns in der Grundorientierung also durchaus einig. Das Problem, das wir zu lösen haben, ist ja nicht einfach. Die Ausgaben des Staates steigen, die Einnahmen brechen ein. Finanzminister Luc Frieden gab vor, wie die Koalition jetzt handeln wird. Die laufenden Kosten des Staates werden überprüft und müssen nach unten korrigiert werden. Bei den Investitionen müssen Prioritäten gesetzt werden, nicht alles Wünschenswerte wird in den nächsten Jahren zu finanzieren sein. Auch bei den Sozialausgaben müssen wir einige Korrekturen vornehmen. Was aber nicht heißt, dass wir tiefe Einschnitte planen. Nein, wir werden auf den sozialen Ausgleich und den Zusammenhalt achten. Die Steuern sind kein Tabuthema. Wenn wir aber über Steuern reden, müssen wir immer die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft im Auge behalten.

Ehe Steuererhöhungen in Frage kommen, muss das Sparpotenzial voll ausgenutzt werden. Darüber hinaus scheint mir unabdinglich, dass wir uns bemühen, neue Einnahmequellen zu erschließen. Jeder neue Euro in der Staatskasse, ist ein Euro weniger, der eingespart werden muss. Der Wirtschafts- und der Finanzminister sind daher in den nächsten Monaten gefordert. Wir haben also im Gegensatz zu dem, was die liberale Opposition behauptet, sehr wohl eine Strategie. Die DP redet immer nur von der Altbausanierung. Alleine mit der Altbausanierung werden wir die Staatsfinanzen aber nicht konsolidieren. Das ist ein Märchen.

Dennoch, die LSAP findet Gefallen an einer Wiedereinführung der Vermögenssteuer, die CSV nicht …

Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee wäre, die Vermögenssteuer für Privatpersonen wiedereinzuführen, nachdem wir sie erst 2006 abgeschafft haben. Das wäre nicht zuletzt ein Bruch mit der bisherigen Stabilität und Verlässlichkeit unserer Gesetzgebung.

LSAP-Fraktionschef Lucien Lux meinte, Sie könnten ihn kaum von der Idee überzeugen, in Zukunft am Finanzplatz die Vermögensverwaltung von Wohlhabenden zu fördern. „Millionäre hofieren“ nannte er das.

Ich habe das eher so verstanden, dass Lucien Lux und die LSAP bereit sind, unseren Argumenten zuzuhören. Die Vermögensverwaltung ist ein Geschäftszweig mit Potenzial. Es geht ja darum, dem Finanzplatz neue Perspektiven zu eröffnen. Es geht um den Erhalt von Arbeitsplätzen und es geht am Ende auch um neue Einnahmen für den Staat. CSV und LSAP sind sich in der Grundausrichtung einig. Manches muss sicherlich noch vertieft werden. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass wir das in einem konstruktiven Gespräch schaffen werden.

Aber reicht denn eine Einigung auf die Grundausrichtung aus, um eine Tripartite zu bestreiten?

Wir haben doch im Koalitionsabkommen eine ganze Reihe von konkreten Ansatzpunkten festgehalten. Die wurden in den letzten Monaten verfeinert und sollen mit den Sozialpartnern diskutiert werden. Ich kann mich doch nur wundern, wenn die DP der Regierung vorwirft, zu diesem Zeitpunkt noch kein abgeschlossenes Aktionsprogramm vorzulegen. Hätten wir das getan, würde sich doch der Sozialdialog erübrigen. Ich halte fest, dass die Liberalen sich vom Sozialmodell nach Luxemburger Art verabschiedet haben.

Der Premierminister und Luc Frieden haben angekündigt, sich im Vorfeld der Tripartite mit allen Fraktionen beraten zu wollen. Die CSV-Fraktion begrüßt dies ausdrücklich. Meine Vorstellungskraft reicht nicht so weit, dass ich mir vorstellen kann, dass sich das Parlament auf die Rolle eines Aufnahmegerätes der Tripartite beschränkt. Die Kammer gehört vor und während der Verhandlungen eingebunden.

Sollte das Parlament mit am Verhandlungstisch sitzen?

Das meine ich wiederum nicht. Die Verhandlungsführung obliegt der Regierung. Die Kammer soll diese Arbeiten intensiv begleiten und am Ende liegt die Entscheidung über die Beschlüsse bei den Abgeordneten. Daher wäre es nicht wünschenswert, wenn das Parlament direkt an den Verhandlungen beteiligt wäre. Wäre die Kammer einer der Verhandlungspartner, hätten wir am Ende ja keinen Ermessensspielraum mehr.

Was ich mir aber sehr wohl vorstellen kann, sind gemeinsame Sitzungen von Vertretern der Tripartite und des Parlaments. Wenn ich die Tripartite wäre, würde ich diesen Weg gehen.

Aus den Gutachten der Berufskammern zum Staatshaushalt ließ sich nicht allzu viel Konsensbereitschaft herauslesen.

Jedem steht das Recht zu, Vorschläge zu unterbreiten. Ab Februar steht aber die Konsenssuche im Vordergrund. Form und Ton von Einzelnen waren in den letzten Monaten vielleicht nicht immer glücklich gewählt, aber nach den besinnlichen Tagen stellt sich manches bestimmt anders dar.

Die CGFP sprach vor Weihnachten noch eine ganz deutliche Sprache. Eine Kürzung der Einstiegsgehälter stehe nicht zur Debatte, hieß es. Verzichtet die CSV auf ihren Wahlkampfschlager?

Ich habe zurückbehalten, dass die CGFP anerkennt, dass es in dieser schwierigen Lage zu einer nationalen Anstrengung kommen muss, dass Solidarität gefordert ist. Im Koalitionsabkommen steht, dass mit den Sozialpartnern auch über die Einstiegsgehälter beim Staat geredet wird. Also werden wir darüber reden. Solidarität kann nicht bedeuten, dass nur eine Gesellschaftsgruppe die Lasten zu tragen hat. Erwarten Sie von mir keine knalligen Aussagen, um die Verhandlungen zu erschweren.

Sie haben in Ihrer Budgetrede angeregt, dass in verschiedenen Politikbereichen ein Finanzierungsmoratorium verhängt werden könnte. Sie wollten aber keine Beispiele nennen. Woran haben Sie denn gedacht?

Mit einem Moratorium habe ich den Finanzierungsvorbehalt, unter dem das Koalitionsabkommen steht, nur einen Schritt weiter gedacht. Alle Investitionsvorhaben werden überprüft, potenziell kann nahezu alles unter ein Moratorium fallen. Das ist eine Übung, der sich Nachhaltigkeitsminister Claude Wiseler jetzt stellen muss. Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass wir in den Bereichen Hochschule, Bildung oder Forschung sparen werden. Wir müssen prüfen, in welchen Bereichen wir so gut aufgestellt sind, dass wir in den nächsten drei bis 15 Jahren auf große Investitionen verzichten können, ohne wesentliche Abstriche in Kauf nehmen zu müssen.

Die CSV hat angeregt, das Bruttoinlandprodukt nicht mehr als alleinigen Indikator für die Lage des Landes zur Rate zu ziehen. Aber ein solches Messinstrument müsste dann doch international festgelegt werden, damit es einen Sinn ergibt …

Sicher. Diese Diskussion wird ja auch europaweit geführt. Soziale und nachhaltige Kriterien müssen in die Bestandsaufnahme des Landes einfließen. Uns geht es darum, dass Luxemburg sich frühzeitig in diese Debatte einschaltet.

Quelle: Luxemburger Wort, 4. Januar 2010, Laurent Zeimet