2007 – Schluss mit den Almosen

Marcel Oberweis, CSV-Abgeordneter: Die Bekämpfung der extremen Armut ist eine zentrale Aufgabe der Weltgemeinschaft

Die Globalisierung und die sich verbreitende Kluft zwischen den armen und reichen Nationen unseres Planeten rufen nach weit reichenden Handlungen, insbesondere die umgehende Überwindung der Armut in den Ländern des Südens, insbesondere in den Ländern südlich der Sahara. Dies kann nur dann gelingen, wenn neben der gesteigerten Entwicklungshilfe auch ein konsequentes Umsteuern in der internationalen Handels- und Wirtschaftspolitik vonstatten geht.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig, zu unterstreichen, dass sich die internationale Gemeinschaft, angesichts der erschreckend hohen Zahl von armen Menschen im Jahr 2000 verpflichtet hat, die Anzahl der Betroffenen bis zum Jahr 2015 zu halbieren, dies gegenüber 1990. Als extrem arm gilt, wer weniger als 1 $ pro Tag besitzt, in vielen Ländern Südamerikas und Südasiens wird dieses Ziel nicht erreicht, in Afrika hat sie sogar zugenommen, diesem Kontinent sollte sich deshalb unser Hauptaugenmerk zuwenden.

Wenn wir die Milleniumsziele jedoch nur annähernd erreichen wollen, dann sind gewaltige Anstrengungen notwendig, hat sich doch das Weltbruttosozialprodukt während den vergangenen 40 Jahren verdoppelt und das wirtschaftliche Ungleichgewicht zwischen den Reichen und den Armen verdreifacht. Die Bekämpfung der extremen Armut wird vor dem Hintergrund der fortschreitenden Globalisierung und der sich vertiefenden sozialen Kluft zwischen Industrieländern und ärmsten Entwicklungsländern, als eine zentrale Aufgabe der Weltgemeinschaft verstanden.

Zur Lösung werden wir mittelfristig die anstehenden Gegenwartsprobleme mit Mut angehen müssen, um langfristig den Bedürfnissen der kommenden Generationen Rechnung tragen zu können. Wir können nicht zum Tagesgeschäft gehen, wenn 2,6 Mrd. Menschen der Weltbevölkerung mit weniger als 2 $ pro Tag auskommen müssen. Ein besseres Leben für die minderbemittelten Menschen kann gewährleistet werden, wenn wir die finanziellen Mittel im Rahmen der Entwicklungshilfe von den aktuellen 60 Mrd. $ auf 135 Mrd. $ erhöhen.

Während den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts haben sich einige Entwicklungsländer u.a. Mexiko, China, Indien zum Schwellenland hervor gearbeitet. Viele Entwicklungsländer verharren jedoch noch immer auf einem niedrigen Stand des Wirtschaftswachstums, sie schaffen den Anschluss nicht. Insbesondere in Afrika sind es die kriegerischen Auseinandersetzungen, die schleichende Klimaänderung, die verheerende Aids-Krankheit sowie die politischen Turbulenzen, welche den dringend benötigten wirtschaftlichen Aufschwung verhindern.

Von den 49 ärmsten Ländern der Erde liegen deren 33 in Afrika und noch nie waren so viele Afrikaner von der Hungersnot getroffen wie heute. Die verarmten Länder können sich die benötigten Investitionen allein nicht leisten, weder in die Menschen, in die Umwelt sowie in die Infrastrukturen. Es überrascht denn auch nicht, dass die Entwicklung in Afrika als eine gefährliche Hypothek für das angebrochene 21. Jahrhundert eingestuft wird. Eine dramatische Entwicklung zeichnet sich auch in Afrika aufgrund des Klimawandels ab, schreitet doch hier die Desertifikation sehr rasch weiter und beeinträchtigt die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Menschen. Es kommt zur Verknappung der Wasserreserven und die Ernährung von Millionen Menschen ist nicht mehr garantiert, sie verlassen ihre Heimat und irren ziellos umher.

Man schätzt die Zahl der Menschen, welche keinen gesicherten Zugang zu sauberem Trinkwasser haben, auf etwa 1,2 Mrd. und etwa 2,4 Mrd. Menschen fehlt es an sanitären Einrichtungen. Wenn man sich vor Augen führt, dass weltweit für 95 % der Abwässer keine Reinigung erfolgt, dann muss der Schutz des Wassers zum oberstes Gebot der Stunde gehoben werden. Wenn uns dies nicht gelingt, wird es zu zwischenstaatlichen Spannungen mit offenem Ende kommen, dies wird dem Nord-Süd-Dialog sicherlich einen schweren Schlag versetzen.

Die Rahmenbedingungen müssen sich ändern

Hat nicht auch das Scheitern der Doha-Runde dazu beigetragen, dass bei erfolgreichem Abschluss Millionen von Menschen dem Teufelskreis der Armut hätten entfliehen können. Die armen Menschen in den Entwicklungsländern werden weiterhin von den Agrarmärkten der Industrieländer weitgehend ausgeschlossen. Insbesondere die Arbeitslosigkeit stellt gravierende Probleme in den Entwicklungsländern dar und zählt aufgrund unzureichender sozialer Absicherungssysteme zu den Hauptursachen für die gravierende Armut.

Fortschritte in Afrika können dann nur erreicht werden, wenn massiv in die Wirtschaft investiert wird, zusätzlich müssen finanzielle Mittel für die Bildung, die sozialen Bereiche und die Ernährung eingebracht werden. Unsere Entwicklungszusammenarbeit kann nur von Erfolg gekrönt werden, wenn die nötigen finanziellen Mittel zur Armutsbekämpfung im ländlichen Raum bereitgestellt werden.

Die Völker in Europa, die z.T. eine Friedenszeit mit wirtschaftlichem Wohlstand seit nahezu 60 Jahren genießen, können doch nicht wegschauen, wenn täglich 25.000 Menschen verhungern. Wir müssen das Teilen lernen, alle müssen das gleiche Angebot an Energie, Nahrung, Trinkwasser, Infrastruktur, Ausbildung, Arbeit, Altersversicherung und Frieden erhalten. Wir können es uns auf Dauer nicht erlauben, dass 30 % der reichsten Länder 86 % des “allumfassenden Verbrauchs” für sich beanspruchen, derweil 20 % der ärmsten Länder mit 1,3 % abgespeist werden.

Die Verwirklichung einer sozial- und umweltgerechten Lebens- und Wirtschaftsweise in den Entwicklungsländern, so lange und schwierig auch dieser Prozess sein mag, eröffnet ungeahnte Gestaltungsspielräume, die wir im Sinne einer gemeinsamen Welt durchführen müssen. Wenn wir es schaffen, dass die Armen ihren Fuß auf die unterste Sprosse der Entwicklungsleiter setzen, dann werden sie die Kraft entwickeln, auch die folgenden Sprossen zu erklimmen. Der demokratische Aufbau muss zum zentralen Anliegen der Entwicklungshilfe für die Länder Afrikas erkoren werden, denn Entwicklungspolitik ist in der Tat auch Friedenspolitik.

Alle können den Frieden erst voll genießen, wenn die bittere Armut in allen Teilen der Welt abgeschafft ist. Den Kampf gegen die Armut werden wir jedoch nur dann gewinnen, wenn in der Weltbevölkerung eine globale Solidarität vorhanden ist.

Dr.Ing Marcel Oberweis, CSV -Abgeordneter, 9. Januar 2007