Wat heescht hei Wirtschaftsregierung?!

Es ist wieder einmal soweit. Das deutsch-französische Duo Merkel/Sarkozy ist sich darüber einig, dass Europa eine „Wirtschaftsregierung“ braucht. Ein Teil dieser tollen Erfindung soll die Index-Abschaffung in jenen Ländern sein, die eine automatische Lohnindexierung kennen: also Luxemburg, Belgien und Portugal. Als ob wir nichts Dringenderes zu regeln hätten!

Der Vorstoß kommt von zwei der fünf europäischen Führer, die im Dezember 2010 in einem Brief an Kommissionspräsident Barroso gefordert haben, dass in der mehrjährigen europäischen Finanzplanung nach 2013 der Haushalt der Union nicht umfangreicher werden dürfe, als er das 2012 und 2013 sein wird, nämlich rund ein Prozent des europäischen BIP. Es werden also Europa rigoros jene Mittel und Instrumente verweigert, die es zur Umsetzung genau jener Politiken braucht, die die Staats- und Regierungschefs ihm abverlangen. Und die „Regierung“, das soll in keinem Fall die Europäische Kommission sein: für Sarkozy und Merkel ist klar, dass nur die Regierungschefs der Eurozone Europa „regieren“ dürfen.

Die Haltung des französischen Staatschefs und der deutschen Kanzlerin macht deutlich, wie weit Europa zurück in die Logik des Intergouvernementalismus gerutscht ist und weiter zu rutschen droht. Gemeinschaftliche Institutionen, gemeinschaftlicher Haushalt, gemeinschaftliche Schuldenaufnahmen? Alles Quatsch für die Regierenden in Berlin und Paris. Dennoch könnte sich Europa nur so aus der Schuldenfalle retten und seine Währung dauerhaft stabilisieren.

Aus allen Vorlauftexten zur Währungsunion geht hervor, dass die Union ein eigenes Haushaltsvolumen von zwischen fünf und zehn Prozent ihrer Wirtschaftsleistung bräuchte, damit die Währung einen ausreichenden Entfaltungsraum hat. Das wäre also fünf bis zehn Mal mehr als jetzt. Er müsste aus Eigenmitteln gespeist werden, anstelle der heute bei weitem überwiegenden nationalen Beitragszahlungen, die die unsägliche „Nettozahlerdebatte“ so schön populistisch beflügeln. Und er müsste Elemente einer gemeinsamen Sozialpolitik finanzieren, um die sogenannte „Reallokationsfunktion“ zu erhalten, ohne die ein öffentlicher Haushalt keiner ist.

DAS wäre die Grundlage einer europäischen … Regierung. So, und nicht anders, war es von den Gründervätern gedacht. Wenn der Kontinent eines NICHT braucht, dann ist es eine „Wirtschaftsregierung“ nach dem Gusto von Merkel und Sarkozy, fest in der Hand der Regierungschefs alleine, und an Kommission und Europäischem Parlament vorbei agierend.

Wir leben nicht mehr im Europa des Wiener Kongresses. Die Zeiten der geheimen Staatsverträge sind vorbei. Europa ist ein supranationales Projekt, die Idee der geteilten, gemeinsam ausgeübten Souveränität. Alles andere führt weiter in Richtung Abgrund. Aber wie sagte doch jemand so treffend: „Nous étions au bord du gouffre, mais nous avons fait un grand pas en avant!“ Sarkozy sollte den Satz verstehen, für Merkel müsste man ihn wohl übersetzen.

Frank Engel,
CSV-Europaabgeordneter

Quelle: CSV-Profil, 5. Februar 2011