Familie und Beruf vereinbaren

Die Wort-Sommerserie: Schwarz-Rot unter der Lupe: “Familie und Beruf vereinbaren” – Die Schwerpunkte der Ressorts Familie und Chancengleichheit

VON JOELLE MERGES 

Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren: Dies war die Herausforderung, vor die Premier Jean-Claude Juncker in seiner Regierungserklärung das Familien- und Integrationsressort gestellt hatte. Mehr Kinderbetreuungsplätze sollten geschaffen werden, weswegen seit drei Jahren die Maisons relais wie Pilze aus dem Boden schießen.

Kinder sollen nicht als Strafe und Belastung, sondern als Glücksfall empfunden werden, sagte Premier Juncker am 4. August 2004 vor der Abgeordnetenkammer. Damit die Wahlfreiheit zwischen Beruf und Familie kein leeres Versprechen bleibe, soll die Zahl der Kinderbetreuungsplätze konsequent erhöht werden, kündigte der Regierungschef an.

Ein knappes Jahr später, am 20. Juli 2005, trat die großherzogliche Verordnung über die Maisons relais in Kraft mit dem Ziel, in erster Linie den Kommunen den Ausbau der außerschulischen Kinderbetreuung schmackhaft zu machen. Dass die Gemeindeväter auf den Geschmack gekommen sind, belegen die Zahlen. In den 100 Maisons relais, die in den vergangenen drei Jahren ins Leben gerufen wurden, stehen 11 751 Betreuungsplätze (Stand Dezember 2007) für Kinder im Alter zwischen drei Monaten und 18 Jahren zur Verfügung. In den Einrichtungen werden die Kinder werktags zwischen sechs und 20 Uhr von Erziehern betreut, ihnen werden Mahlzeiten und Hilfestellung bei den Hausaufgaben angeboten, und auch in der Urlaubszeit soll das Leben in den Maisons relais nicht still stehen.

Eine Variante zu den Maisons relais stellen die Tageseltern dar, für die seit November 2007 eine neue gesetzliche Grundlage gilt, mit der sich bislang in dem Sektor tätige „Nannies“ aber nur mit Murren anfreunden können.

Das Betreuungsangebot ist also vielfältig, billiger wurde es deswegen nicht. Die Losung der kostenlosen Kinderbetreuung hat Premier Juncker dieses Jahr in seine Regierungserklärung einfließen lassen – sofern die budgetären Vorgaben dies denn irgendwann ermöglichen werden. Um den Familien finanziell unter die Arme zu greifen, wird seit 2007 der Kinderbonus ausbezahlt. Womit die koalitionäre Fantasie in Sachen Familienförderung jedoch noch lange nicht ausgeschöpft ist. Damit sich vor allem sozial benachteiligte Eltern die außerschulische Versorgung ihres Nachwuchses leisten können, stehen ihnen ab dem 1. Januar 2009 Dienstleistungsgutscheine zur Verfügung. Was man mit diesen Scheinen alles anstellen kann, bleibt bis dahin von der Familienministerin, die „vor neuen Ideen nur so sprudelt“ (so der Premier am 22. Mai) genau zu eruieren.

Die Bilanz des Familienministeriums beschränkt sich in dieser Legislaturperiode jedoch bei weitem nicht auf den Ausbau des Betreuungsangebots. Das Augenmerk von Marie-Josée Jacobs gilt auch Kindern in sozialen, rechtlichen oder familiären Notlagen. Deswegen soll das Gesetz über die Kinderfürsorge, das im Juli 2007 im Parlament eingereicht wurde, noch vor Ende der Legislaturperiode verabschiedet werden. Zum Wohl der Kinder soll auch das Gesetz über das elterliche Sorgerecht reformiert werden. Die entsprechende Gesetzesnovelle wurde im März vom Justizminister eingereicht.

Bis Juni 2009 soll das Kammerplenum über das Gesetz über die Sozialhilfe befinden, das auf einem gemeinsamen Entwurf von Familien- und Innenministerium fußt. Dass in dem Entwurf ein Recht auf Sozialhilfe festgeschrieben wird, wird von allen Seiten begrüßt. Einige Berufskammern beklagen lediglich einen Mangel an Details, was die konkrete Umsetzung der Sozialhilfe angeht.

Abhaken kann die Familienministerin indes die Arbeiten am neuen Jugendgesetz, das am 28. Mai von den Abgeordneten verabschiedet wurde und das weniger konkrete Maßnahmen beinhaltet als dass es den Rahmen für eine moderne Jugendpolitik abstecken soll. Fortschritte wurden in den vergangenen vier Jahren auch beim Ausbau der Altenpflege erzielt. So war das Familienministerium im vergangenen Jahr etwa mit 36 Neu-, Um- oder Ausbauprojekten befasst.

Noch nicht über die Bühne ist hingegen das neue Integrationsgesetz – ein Reformprojekt, das so nicht im Regierungsprogramm von Schwarz-Rot eingeplant war. Als aber der Premierminister im Oktober 2005 vor „regelrechten Parallelgesellschaften“ warnte und flugs ein neues Immigrationsgesetz ankündigte, drängte sich auch eine Neuausrichtung der Integrationspolitik auf. Zwar ist sich die Ressortministerin durchaus bewusst, dass sich die Integration der Zuwanderer nicht per Dekret erzwingen lässt. Und doch sollen die Ausländer nicht länger sich selbst überlassen werden. Per Integrationsabkommen sollen sie in die nationalen Gepflogenheiten eingewiesen werden. Der Abschluss eines solchen Vertrags ist allerdings nicht zwingend. Wer jedoch eine solche Verpflichtung eingeht und sich nicht an die Vorgaben hält, dem könnten Konsequenzen in Sachen Erneuerung der Aufenthaltsgenehmigung drohen, heißt es in der Vorlage.

Während die Fortschritte in Sachen Familien- und Integrationspolitik sich in Gesetzestexten messen lassen, so heißt es für die Chancengleichheitsministerin vor allem, rhetorische Überzeugungsarbeit zu leisten, damit so manche geschlechtsspezifische Vorurteile verschwinden, damit Frauen und Männer am Arbeitsplatz gleich behandelt werden und damit die Lohnunterschiede zwischen den Geschlechtern der Vergangenheit angehören.

Ein symbolträchtiger Schritt auf dem Weg zur Chancengleichheit wurde am 13. Juli 2006 getan. Seitdem genießt die Gleichbehandlung von Mann und Frau Verfassungsrang.

Die Hausaufgaben

Erledigt:
– Ausbau der Kinderbetreuung
– Elternurlaub
– Jugendgesetz
– Bekämpfung der Verschuldung
– Verankerung der Chancengleichheit in der Verfassung

Auf dem Instanzenweg:
– Integrationsgesetz
– Sozialhilfe
– Kinderfürsorge
– Palliativgesetz

Noch nicht umgesetzt:
– Adoptionsrecht
– Reform des ASFT-Gesetzes

Quelle: Luxemburger Wort, 22. Juli 2008, Seite 2