Reform des Wehrdienstes: Ein Gespräch mit Verteidigungsminister Jean-Louis Schiltz
d’Wort: Herr Schiltz, vor der Sommerpause haben Sie angekündigt, die Grundzüge der Reform “in den kommenden Wochen” vorzulegen. Wieso hat es jetzt doch solange gedauert?
Mit meinem Zeitplan bin ich nicht in Verzug geraten. Als wir im Juni darüber sprachen, waren die internen Planungen soweit abgeschlossen. Damals begann ich die intensiven Beratungen mit den Verantwortlichen des Generalstabs sowie den Berufsvereinigungen der Offiziere und der Unteroffiziere. Vor einem Monat haben wir unser Kompromisspapier unterzeichnet.
d’Wort: Welche Ziele verfolgen Sie mit der Reform?
Die Teilnahme an internationalen Missionen im Rahmen der Nato und der EU erfordert eine Planungssicherheit, die mit der jetzigen doppelten Freiwilligkeit – Freiwilligendienst und freiwilliger Einsatz im Ausland – nicht mehr gegeben ist. Deswegen werden die Teilnehmer an den internationalen Missionen künftig vom Generalstab ausgewählt und vom Verteidigungsminister abgesegnet. Natürlich können die Rekruten eine solche Bestimmung auch ablehnen. Diese Soldaten bilden dann den logistischen Rückhalt für ihre Kollegen im Ausland.
d’Wort: Ihr Vorgänger Luc Frieden hatte die Schaffung einer Berufsarmee ins Spiel gebracht. Diesen Plänen erteilen Sie nun eine Absage.
Die Frage nach einer Berufsarmee hat sich mir nie so gestellt. Bei der Reform der Armee haben mir immer zwei Ziele vorgeschwebt: einmal die Schaffung von Planungssicherheit durch die Abänderung des Freiwilligendienstes. Darüber hinaus liegt mir aber auch die soziale Dimension der Armee sehr am Herzen. Ich bin davon überzeugt, dass das nun vorliegende Projekt diesen beiden Ansprüchen am ehesten gerecht wird.
d’Wort: Sie schlagen eine Verlängerung des Wehrdienstes von derzeit 18 auf 36 Monate vor, an die sich dann noch eine zwölf Monate lange Schul- oder Berufsausbildung anschließen soll. Schreckt eine Zeitspanne von vier Jahren die jungen Leute nicht eher ab als neue Anreize zu schaffen?
Wer sich zum Wehrdienst meldet, tut dies nicht, ohne zuvor einen Bezug dazu hergestellt zu haben. Ich denke schon, dass die Armee jungen Leuten heute die nötigen Anreize bietet, sei es um einen Beitrag zur Lösung von Konflikten im Ausland zu leisten oder eine Aus- oder Weiterbildung zu absolvieren.
d’Wort: Neu ist jedenfalls die zwölfmonatige Schulzeit. Was soll den Soldaten in diesem Zeitraum beigebracht werden?
Darüber berate ich mich derzeit mit Bildungsministerin Mady Delvaux-Stehres. Die Einzelheiten sollen in ein großherzogliches Reglement einfließen, das gemeinsam mit dem Gesetzentwurf zur Armeereform eingebracht werden soll. Mir schwebt vor, die Ausbildung so zu gestalten, dass die jungen Rekruten optimal auf eine mögliche Laufbahn im öffentlichen Dienst oder auch in der Privatwirtschaft vorbereitet sind. Das bedeutet natürlich, dass das Unterrichtsangebot nach den jeweiligen Berufssparten gefächert sein muss.
d’Wort: Wie wollen Sie gewährleisten, dass sich genügend Soldaten für die gefährlichen Auslandseinsätze melden? Droht langfristig eine Zwei-Klassen-Armee, wie etwa der Fraktionschef der Grünen, Francois Bausch, befürchtet?
Ich bin davon überzeugt, dass sich genügend junge Leute für die sogenannten “unites de disponibilite operationnelle” melden werden. Übrigens teilen die Vertreter des Generalstabs und der Offiziersverbände diese Einschätzung. Obwohl wir diesen Rekruten finanzielle Anreize bieten, glaube ich nicht, dass sich jemand allein des Geldes wegen meldet. Natürlich sind Einsätze in internationalen Krisengebieten immer gefährlich. Sonst brauchte man keine Soldaten, um die Konflikte zu entschärfen. Ich weise jedoch darauf hin, dass wir unsere Rekruten und Offiziere optimal auf diese Missionen vorbereiten.
d’Wort: Der Wehrdienst wird ja nicht nur verlängert. Langfristig soll die Zahl der Rekruten auch noch auf 700 steigen. Wie viel wird das Ganze kosten?
Ich rechne nicht mit erheblichen Mehrausgaben. Die Reform impliziert allerdings auch, dass wir das Militärzentrum grundlegend renovieren. Damit fangen wir so bald wie möglich an. Zudem wollen wir neues Material anschaffen. So ist etwa der Erwerb von 48 gepanzerten Fahrzeugen vorgesehen.
d’Wort: Im Partamentsausschuss stießen Ihre Vorschläge kaum auf Widerspruch. Macht das die Arbeit eines Ministers nicht langweilig?
Das ist nun mal die Folge des Konzertierungsprozesses, auf den ich großen Wert lege und für den ich mir die notwendige Zeit nehme. Ich habe den Abgeordneten mein Vorhaben einige Male dargelegt, bevor ich dem parlamentarischen Ausschuss diese Woche die Ergebnisse meiner Gespräche mit den Armeeverantwortlichen darlegte. Ich habe den Eindruck, dass sich die Abgeordneten mit meinen Ideen anfreunden können. Auch die Grünen, die zunächst noch skeptisch waren, mussten einräumen, dass sie kein Patentrezept haben. Ich gehe davon aus, dass ich das Gesetzesprojekt der Armeereform im März oder April im Parlament einreichen werde.
Interview: Joelle Merges
Quelle: d’Wort vom 18. Januar 2007