D’CSV ass d’Partei vun den einfache Leit

D’CSV ass d’Partei vun den einfache Leit

 

Frank ENGEL 1 Ein Jahr Präsident: die Bilanz in drei Sätzen.

Die CSV hat sich als große Volkspartei konsolidiert, die Mitglieder nehmen in einem bisher nicht gekannten Maß an Veranstaltungen teil, die Partei ist geeint und lebt. Wir sind dabei, unser Oppositionsverständnis weiterzuentwickeln, wobei die Erstellung unserer eigenen politischen Agenda für das Land Priorität erhält. Die CSV hat erreichen können, dass viele Menschen sich für unser politisches Angebot interessieren, dessen Kommunikation jedoch deutlich verbessert werden muss.

Was war der bislang erfreulichste und der enttäuschendste Moment als Parteipräsident?

Der erfreulichste Moment: das einstimmige Votum einer wichtigen politischen Standortbestimmung beim außerordentlichen Kongress in Rodingen am 9. November 2019. Dieser Kongress war der Höhepunkt einer internen Debatte, in der wir uns mit jenen Themen auseinandergesetzt haben, die die Menschen als wesentlich erachten. Wachstum, Wohnraum, Klima: Die CSV geht diese Herausforderungen offensiv an. Unerfreulich waren all jene Momente, in denen wir es nicht fertig gebracht haben, unsere Positionen und Alternativen wirkungsvoll in die Öffentlichkeit zu bringen. Wenn sie jede Woche Vorschläge ausarbeiten und sie im öffentlichen Raum diskutieren wollen, ist es frustrierend, wenn all diese Arbeit von den Medien nur wenig Aufmerksamkeit erfährt. Wir müssen unsere Kommunikationslogik umstellen.

Macht man als Mitt-Vierziger anders Politik als ein alter Hase oder spielt das Alter keine Rolle?

Mein persönlicher Vorteil ist wohl, dass ich mich noch an Fehler der CSV erinnern kann, ohne dass ich selbst für sie verantwortlich war, Es ist wichtig, noch aus eigenem Erleben zu wissen, wo Dinge vor Jahren oder Jahrzehnten in eine falsche Richtung liefen, wo Prioritäten falschgesetzt und Entscheidungen aus subjektiven und elektoralen Gründen verhindert oder abgeschwächt wurden.

Dann muss man auch 2019/2020 sagen können: Ja, da lagen wir damals daneben. Aber die Tatsache, dass wir früher ähnliche Fehler begangen haben, wie die Regierungsparteien heute, macht deren aktuelle Vorgehensweise eben nicht richtiger. Ich bin grundsätzlich für maximale Ehrlichkeit in der Politik – und auch für klare Ansagen.

Gerade im Zeitalter der Hyperkommunikation kommt man mit den Floskeln der Vergangenheit nicht mehr weiter.

Sind Sie mit Ihrer und der Außendarstellung der Partei seit Amtsantritt zufrieden?

Na ja. Es hätte vieles besser sein können. Es gibt in verschiedenen Ecken das wohl überwältigende Bedürfnis, die CSV als Chaostruppe darzustellen. Dem werden wir mit sehr viel mehr eigener Kommunikation entgegenwirken müssen, gerade in den sozialen Medien – und zwar, weil unsere interne Koordinierung völlig in Ordnung ist und wir dem Land etwas zu sagen haben. Die Aufmerksamkeit, die wir in den traditionellen Medien erfahren, ist leider völlig suboptimal – und entspricht auch nicht jener Präsenz, die man eigentlich einer Partei einräumen müsste, die nach der letzten veröffentlichten Umfrage doppelt so stark ist, wie jede einzelne Regierungspartei.

Beide Parteien haben ein „S” im Parteinamen: Drei konkrete soziale Probleme, die Sie lösen wollen.

Das Wohnraumproblem muss gelöst werden, das ist eine Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Mehr Planung und deutlich mehr Intervention der öffentlichen Hand werden dabei unumgänglich sein — wie es unsere Fraktion und besonders der Abgeordnete Marc Lies seit Monaten in ihren Vorschlägen deutlich machen. Wir müssen uns um jene Menschen kümmern, die in Luxemburg arm sind oder riskieren, es zu werden. Die CSV ist die Partei der einfachen Menschen, und jemand wie Paul Galles verkörpert glaubwürdiges Engagement für die Schwachen in der Gesellschaft — ein Engagement, das die gesamte Partei übernehmen muss. Zum „S” gehört aber auch der Weg hin zu einer Gesellschaft, die nicht mehr nur auf Geld und Besitz schaut, sondern vor allem auf das Wohlbefinden der Menschen. Serge Wilmes wird Anfang dieses Jahres dieses Thema parlamentarisch weitertreiben.

Wenn Sie in Ihrer Partei allein das Sagen hätten, was würden Sie stärker oder anders in den Fokus rücken?

Ich bin Vorsitzender einer demokratischen Partei und kein Alleinentscheider. Mir ist persönlich sehr daran gelegen, dass wir dieses Land zu einem führenden Standort wirtschaftlicher Modernisierung machen, dass wir uns an die Spitze der grünen Wirtschaftsrevolution stellen. Das klingt drastisch und soll es auch: Wir sind zum Beispiel in Europa nirgendwo bei der emissionsfreien Mobilität, weil unsere Autokonzerne jahrelang die Politik dazu genötigt haben, nichts außer dem fossilen Verbrennungsmotor zu akzeptieren. Damit muss Schluss sein. Ich glaube an die Wasserstoffwirtschaft, ich glaube daran, dass die emissionsfreie Gesellschaft gelingen kann und zwar ohne Ökodiktatur, sondern durch resolut geförderte Innovation und Technologieoffenheit. Daran werden wir prioritär arbeiten, mit europäischen Partnern zusammen.

Die Volksparteien verlieren, die Randparteien werden gestärkt: Befürchten Sie eine weitere Aufsplittung der Chamber?

Die langfristige Bindung an die „traditionellen” Parteien scheint flächendeckend abzunehmen, aber ich halte das nicht für eine Fatalität. Wenn eine Volkspartei, wie die CSV eine ist, fähig ist, die Empfindungen der heutigen Gesellschaft zu erfühlen und aufzunehmen, dann hat sie alle Zukunftschancen. Ich bin kein Freund weiterer politischer Zersplitterung, und werde alles dafür tun, dass sie nicht stattfindet – das setzt aber wesentlich voraus, dass eine Partei wie meine den Menschen vermitteln kann, dass sie ihr Vertrauen verdient und demütig damit umgeht, wenn sie es erhält. Legitimität ist ein Schlüsselwort: Wer sich anständig vertreten fühlt, sucht nicht nach alternativen Vertretern.

Zählen Sie drei politische Prioritäten der nächsten zwölf Monate auf.

Stichwort Wohnraum: Staat und Gemeinden müssen massiv Bauland erschließen, das später auch in die Bauperimeter integriert werden kann. Problem: Die Regierung will das nicht, die Grünen, weil sie keine weitere Bebauung von Flächen wollen, die Sozialisten, weil sie sich nicht trauen, und die Liberalen, weil sie es nicht wollen. Stichwort Klima: Wir müssen die nachhaltige Umgestaltung des Gemeinwesens sozial verträglich und ohne Ökodiktatur schaffen. Stichwort Bildung: Es gibt nach den Jahren blauer Fantasien im Bildungsministerium keine einheitliche öffentliche Schule mehr in Luxemburg, die noch halbwegs leistungsfähig wäre. Der Bildungsnotstand des Jahres 2020 wird die wirtschaftliche Bedeutungslosigkeit von 2040 sein. Man kann nicht gegen die gesamte Schulgemeinschaft versuchen, Schule zu machen. Und ein letztes: Der Sozialdialog muss überhaupt und generell neubelebt werden.

Ein Ausblick: Wo sehen Sie sich und Ihre Partei in einem Jahr?

Ich hoffe, dass wir in einem Jahr dort sind, wo wir heute schon sein müssten.

Dass nämlich auf die eine oder andere Manier wieder regiert wird und in Luxemburg Politik stattfindet. Die CSV wird weiterhin, und verstärkt, ihre Vorschläge auf den Tisch legen — und wir erwarten, dass man sich damit auseinandersetzt. Die Regierung ist eindeutig mit ihrem Latein am Ende. Wir sind bereit, auch schwierige Entscheidungen mit herbeizuführen und ihre Notwendigkeit öffentlich zu erklären.

Und wir werden nicht hinnehmen, dass die Opposition insgesamt und die CSV im Besonderen behandelt wird, als würde sie nicht existieren.

Die Vertreter der halben Wählerschaft sitzen auf unserer Seite der Chamber.

Das Dasein als Präsident im Realitäts-Check: zerplatzte Träume oder Wolke sieben?

Die Sache mit den sieben Wolken ist wohl im öffentlichen Leben unerreichbar. Ich wusste, dass ich in einer schwierigen Zeit für ein recht schwieriges Amt kandidierte. Also eine ziemlich realistische Einschätzung von Anfang an. Ich habe aber den Eindruck, dass mein Wunsch, die Partei lebendiger zu machen, von den Mitgliedern geteilt wird – und dass wir gemeinsam jene Instrumente entwickeln, mit denen wir wieder näher an die Menschen und an ihre wirklichen Sorgen und Probleme kommen. Ich habe ganz am Anfang, noch in meiner Bewerbungsrede, gesagt: Wir müssen für die Menschen wieder relevant werden. Das schafft man nicht in einem Jahr. Wenn wir es nach ein paar weiteren Jahren geschafft haben, dann bin ich ein absolut zufriedener Mensch.

Source: TELECRAN du mercredi 15 janvier 2020 / Daniel Michels